Nigeria: Gericht vertagt Hochverratsprozess gegen #EndBadGovernance-Demonstrant*innen

Währenddessen setzt die nigerianische Regierung ihre Verzögerungstaktiken fort

Am 25. Juni, stand Richter Emeka Nwite endlich zur Verfügung, um den Vorsitz im Hochverratsprozess gegen Adaramoye Michael Lenin und zehn weitere Personen zu übernehmen, nachdem er seit November letzten Jahres bereits dreimal dem Gericht ferngeblieben war. Es fand jedoch keine Verhandlung statt, da ein Anwalt, welcher als neuer Polizeistaatsanwalt auftrat, mehr Zeit für die Prüfung des Falles beantragte. Die Verteidiger*innen lehnten diesen Antrag zu Recht vehement ab, da sie ihn als bewusste Zeitverschwendung und Verantwortungslosigkeit seitens der Regierung ansahen, und beantragten die Einstellung des Verfahrens. Der Richter gab jedoch dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Vertagung statt, allerdings unter der Bedingung, dass das Verfahren eingestellt wird, wenn die Staatsanwaltschaft die Verhandlung weiter verzögert. Der Prozess wurde daher auf den 9. Oktober 2025 vertagt.

Vom Democratic Socialist Movement Nigeria (Schwesterorganisation der Sol in Nigeria)

Gegen den ehemaligen Polizeistaatsanwalt wurde ein Disziplinarverfahren wegen Korruption eingeleitet. Wir glauben, dass dies nur eine bequeme Ausrede ist, um den Fall vor Gericht weiter in die Länge zu ziehen. Der neue Anwalt, der die Aktivist*innen im Gerichtssaal vorwurfsvoll als Kriminelle bezeichnete, die schwere Verbrechen gegen den Staat begangen hätten und bestraft werden müssten, hatte vor gestern offensichtlich ausreichend Zeit gehabt, sich mit den Einzelheiten des Falles vertraut zu machen. Tatsache ist, dass die Regierung die lächerlichen und unseriösen Anschuldigungen gegen die elf #EndBadGovernnace-Aktivist*innen nicht beweisen kann; daher die Verzögerungstaktik, an der der vorsitzende Richter unserer Meinung nach mitschuldig ist. Wir glauben, dass die ganze Idee darin besteht, die Aktivist*innen weiterhin mit den konstruierten Anklagen einschließlich des Hochverrats, auf den die Todesstrafe steht, festzuhalten, um die Menschen von weiteren Massenprotesten oder Aufständen gegen die armutsfeindliche Tinubu-Regierung abzuschrecken.

Gefälschte „Beweise“

Der Polizeistaatsanwalt prahlte jedoch, der Staat verfüge über erdrückende Beweise sowie über genügend Zeug*innen. Wir dürfen die Fähigkeit und mögliche Verzweiflung der Regierung, Beweise zu fälschen, um die Aktivist*innen – wie es ihr Anwalt vor Gericht forderte – zu bestrafen, keinesfalls unterschätzen. Für die Regierung steht fest: Die Aktivist*innen müssen einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie es gewagt haben, ihre armutsfeindlichen Maßnahmen herauszufordern. So reagierte der Polizeianwalt auf den Einwand gegen die ständigen, offensichtlich absichtlichen Vertagungen mit der zynischen Bemerkung, wer sich die Kosten der Teilnahme an den wiederholten Gerichtstermine nicht leisten könne, solle eben zurück ins Gefängnis gebracht werden, um dort den „Genuss“ kostenloser Transporte zu erleben! Zur Erinnerung: Die Aktivist*innen verbrachten etwa zwei Monate in Polizeigewahrsam und Gefängnissen, bevor der lokale und internationale Druck das Gericht schließlich zwang, ihnen unter strengen Auflagen Kaution zu gewähren.

Tatsächlich könnte die Tatsache, dass am 25. Juni in Kenia ein erneuter Massenprotest zum ersten Jahrestag des letztjährigen Jugendaufstands stattfand, die Entschlossenheit der Tinubu-Regierung zusätzlich gestärkt haben, Michael Lenin und die anderen Aktivist*innen weiter in Ketten zu legen (Dieser Artikel wurde Ende Juni erstveröffentlicht, mittlerweile gab es weitere Proteste in Kenia, Anm. d. Übers.). Die Ereignisse in Kenia im vergangenen Jahr dienten als Inspiration für die #EndBadGovernance-Proteste, die Nigeria im August erschütterten – und als Warnung an die Machthaber in Afrika. Es ist kein Zufall, dass der kenianische Innenminister gestern die Erschießung von Demonstrierenden – und sogar Unbeteiligten – damit rechtfertigte, die Regierung habe sich einem „versuchten Staatsstreich“ gegenüber gesehen. Verkommene Eliten sind zu allem bereit und werden alles tun und sagen, um ihre Macht zu sichern.

Vor diesem Hintergrund muss die Kampagne für die sofortige Einstellung des Hochverratsverfahrens und aller anderen haltlosen Anklagepunkte sowie für die Rücknahme der armutsfeindlichen Maßnahmen und ein Ende der Angriffe auf demokratische Rechte in Nigeria und weltweit dringend ausgeweitet werden. Erfreulicherweise fand bereits eine Protestkundgebung vor der nigerianischen Hochkommission in London statt, organisiert von Nigeria Solidarity UK, an der auch Mitglieder der Socialist Party – dem englisch-walisischen Teil des Committee for a Workers’ International (CWI) – beteiligt waren. Ebenso gab es Solidaritätsaktionen von anderen Ortsgruppen der Socialist Party und von der deutschen Sektion des CWI, der Sol (Sozialistische Organisation Solidarität). Dave Nellist, ein bekanntes Mitglied der Socialist Party und ehemaliger britischer Parlamentsabgeordneter, richtete ein öffentliches Protestschreiben an Präsident Tinubu, in dem er den Scheinprozess verurteilte und dessen sofortiges Ende forderte. Bereits zu Beginn des Jahres hatte auch Jeremy Corbyn, der frühere Vorsitzende der britischen Labour Party, ein ähnliches Protestschreiben verfasst. Solche Aktionen und Proteste müssen in den kommenden drei Monaten bis zum angesetzten Prozessbeginn fortgeführt und verstärkt werden.

Protest vor der Nigerianischen Botschaft in Berlin

Dieser Artikel erschien im Original auf Englisch Ende Juni 2025 unter: https://www.socialistworld.net/2025/06/27/court-adjourns-treason-trial-of-endbadgovernance-protesters-as-nigerian-government-continues-delaying-tactics/