Eine neue Ära des Kapitalismus in der Krise und der Kampf für Sozialismus

Thesen zur Weltlage – Resolution des 14. Weltkongresses des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Ende Juli tagte der 14. Weltkongress des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI) in Berlin. Vertreter*innen aus über zwanzig Ländern kamen zusammen, verabschiedeten verschiedene Resolutionen und wählten neue Leitungsgremien des CWI. Wir veröffentlichen heute die Thesen zur Weltlage. In den nächsten Tagen werden die Resolution zu Europa und ein Papier zur Situation in Asien, das als Diskussionsgrundlage diente, auf solidaritaet.info veröffentlicht. Im September können die Texte auch als Broschüre unter info@solidaritaet.info bestellt werden.

Der Machtantritt von Trump 2 hat eine völlig neue Periode eingeläutet. Es gibt nur wenige Menschen, die einen vergleichbaren Konflikt, die Instabilität, die Unsicherheit und die Polarisierung, die die neue Welt ankündigt, erlebt haben. Man muss die Zeit der inner-imperialistischen Kriege von 1918 bis 1939 erlebt haben, um das Ausmaß der sozialen Umwälzungen, der Instabilität, der Polarisierung und der Konflikte, die jetzt stattfinden, zu verstehen. Weitere werden kommen. 

Dies bedeutet nicht, dass sich die Ereignisse zwischen 1918 und 1939 wiederholen werden, da es entscheidende Unterschiede zwischen damals und heute gibt. Dazu gehört der entscheidende Faktor des Fehlens eines (wenn auch zunehmend degenerierten) Arbeiter*innenstaates, eines weit verbreiteten sozialistischen Bewusstseins und politischer Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass es heute keine faschistischen Massenorganisationen gibt, wie sie damals entstanden waren. Die soziale Basis für solche Organisationen ist heute nicht vorhanden. Die neu aufgekommenen rechtspopulistischen Parteien, die in einigen Ländern an die Macht gekommen sind, haben einen anderen Charakter, auch wenn einige ein faschistisches Element enthalten. Gewachsen sind diese aufgrund der Krise des Kapitalismus, der Verbürgerlichung der sozialdemokratischen Parteien und der meisten „kommunistischen“ Parteien sowie aufgrund des Scheiterns der links-populistischen Bewegungen, die nach der Krise von 2008 bzw. in einigen Ländern bereits davor entstanden waren.

Wie können wir diese neue Periode charakterisieren? Wir befinden uns in einer Zeit dramatischer sozialer, politischer und wirtschaftlicher Polarisierung, Schocks, Instabilität und Unsicherheit. Und das in einem Ausmaß, das wir seit Generationen nicht mehr erlebt haben.

Eine neue Welt, ein langwieriger Todeskampf des Kapitalismus, ist im Entstehen. Es gibt ein revolutionäres Potenzial und einen Optimismus, was einen Ausblick auf eine neue Welt beinhaltet. Dies hat sich in wichtigen Klassen- und sozialen Bewegungen niedergeschlagen, die ausgebrochen sind. In der neuen Ära, in der wir uns jetzt befinden, stehen noch größere Klassenkämpfe und soziale Umwälzungen bevor. Zugleich hat der Todeskampf des Kapitalismus viele dystopische Züge. Entfremdung, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und eine Epidemie psychischer Probleme betreffen Millionen von Menschen, insbesondere die junge Generation. In dieser neuen Zeit wird das, was in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg unmöglich war, nun möglich. Was nicht vorstellbar war, wird vorstellbar.

Marxist*innen dürfen das Weltgeschehen und den Klassenkampf heute nicht durch das Prisma von gestern betrachten, da sich die Weltlage grundlegend verändert hat. Die Notwendigkeit einer alternativen Gesellschaftsordnung – des Sozialismus – ist sowohl möglich als auch dringender denn je.

Der Zusammenbruch der ehemaligen stalinistischen Staaten 1989/91 hat das nach 1945 bestehende Kräfteverhältnis zwischen zwei rivalisierenden Gesellschaftssystemen – Kapitalismus und Stalinismus – aufgebrochen. Dies hatte entscheidende Auswirkungen auf die Weltlage, die Organisationen der Arbeiter*innenklasse und das politische Bewusstsein. Das CWI gehörte zu den Ersten, die die entscheidenden historischen Folgen dieser Entwicklung erkannten.

Trotz dieser historischen Veränderungen behielt der westliche Imperialismus trotz einiger Differenzen und Spaltungen im Großen und Ganzen einen Konsens in den geopolitischen Beziehungen bei, die vom US-Imperialismus dominiert wurden. Die weitgehende Übereinstimmung zwischen den westlichen Imperialist*innen setzte sich in der Zeit nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten ab Ende der 1980er Jahre fort. Das ermöglichte es dem US-Imperialismus, eine Zeit lang eindeutig die dominierende Weltmacht zu sein. Dies wurde jedoch durch den Aufstieg Chinas und andere Entwicklungen unterminiert. Nun hat der Machtantritt von Trump 2 den bisherigen Konsens zwischen den älteren imperialistischen Mächten entscheidend gebrochen.

Der Charakter der neuen Ära wird durch den genozidalen Krieg verkörpert, den das israelische Regime seit dem Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 gegen diePalästinenser*innen in Gaza und im Westjordanland führt. Dieser Vernichtungskrieg ist, wie wir damals erklärt haben, keine einfache Wiederholung früherer Angriffe gegen die Palästinenser*innen. Er ist von einer anderen Größenordnung und hat massive regionale und globale Folgen.

Der globale Kapitalismus steht derzeit vor einer Reihe vielfältiger Krisen – wirtschaftlicher, politischer, sozialer und ökologischer Natur. Der Klimawandel und andere katastrophale Umweltkrisen wirken sich mittlerweile auf alle Aspekte der Weltlage aus. Sie verursachen Hungersnöte, heftige Stürme und Überschwemmungen, treiben die Migration voran und verschlechtern die wirtschaftlichen Bedingungen von Millionen Menschen. Diese Schrecken können nur durch globale Planung gelöst werden, was innerhalb des Kapitalismus unmöglich ist. Degrowth und die „grüne Wirtschaft“ bieten keinen Ausweg und keine Lösung. Die Dringlichkeit eines demokratisch-sozialistischen Plans wird durch die Klimakrise noch verstärkt.

Bruch zwischen den imperialistischen Mächten

 Der Bruch, der stattgefunden hat, ist nicht nur das Ergebnis der Laune diese*r oder jene*r politischen Führer*in oder der Machtübernahme rechtspopulistischer, nationalistischer Regime wie dem von Trump. In dieser Entwicklung spiegeln sich tieferliegende politische und wirtschaftliche Prozesse wider. Ein entscheidender Faktor ist das Entstehen einer multipolaren Welt, die sich aus dem historischen Niedergang des US-Imperialismus und dem Aufstieg Chinas ergibt. Dies geht einher mit dem Erstarken einiger anderer schwächerer kapitalistischer Mächte wie Indien.

Der Bruch des kapitalistischen Gleichgewichts und die starke Erosion der politischen Infrastruktur und der Institutionen, auf die sich die herrschenden Klassen zuvor gestützt hatten, ist ein entscheidendes Merkmal dieser Ära. Die Institutionen, auf die der Kapitalismus sich stützt – z. B. die traditionellen politischen Parteien, die Kirche, die Justiz, die Polizei und andere staatliche Institutionen sowie internationale Gremien wie die WTO und die UNO –  sind stark geschwächt. In einigen Fällen sind sie völlig diskreditiert oder zerbrochen. Dieser historische Wandel ist unumkehrbar. Der Geist kann nicht wieder in die Flasche gesteckt werden.

Die Auseinandersetzung zwischen dem Trump-Regime und Europa über protektionistische Maßnahmen und Militärausgaben markiert einen historischen Bruch mit dem Nachkriegskonsens, der zwischen dem US-Imperialismus und Europa bestand. Dahinter verbergen sich ein wirtschaftlicher Interessenkonflikt und eine Divergenz der geopolitischen Ziele und Interessen. Trump hat versucht, Putin aus der Umlaufbahn Chinas herauszulösen. Dies ist ihm trotz einiger Reibungen zwischen Russland und China bisher nicht gelungen.

Die Lage in Europa hat sich grundlegend geändert. Es ist zunehmend mit der chinesischen Wirtschaft verflochten. China ist entscheidend für die EU. Der chinesische Automarkt ist für Deutschland lebenswichtig. Volkswagen hat über dreißig Werke in China. Europa ist auch ein wachsender Markt für China. Während die chinesischen Lieferungen in die USA im Mai 2025 um 34,5 Prozent zurückgingen, stiegen die Ausfuhren nach Frankreich um 24,1 Prozent und nach Deutschland um 21,5 Prozent. Dennoch bleiben die USA zum gegenwärtigen Zeitpunkt der größte Exportmarkt für die europäischen herrschenden Klassen.

Die Erweiterung der EU ging einher mit der Machtübernahme des rechtspopulistischen Orban-Regimes in Ungarn und dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Polen und Rumänien. In den meisten EU-Ländern hat der Rechtspopulismus in verschiedenen Formen zugenommen. Zusammen mit der politischen Krise im Zentrum der EU, in Deutschland und Frankreich, wird deutlich, dass Europa nicht mehr dasselbe Europa ist wie in der vorangegangenen Periode. Dies nährt die bestehende Krise und Instabilität. Die starken Spannungen innerhalb der EU eröffnen die Aussicht auf ein mögliches Auseinanderbrechen oder eine Neuordnung, möglicherweise im Zusammenhang mit der Euro-Währung oder der gesamten Struktur der EU, wenn sich die globale Krise weiter entwickelt obwohl dieser Prozess länger gedauert hat, als wir ursprünglich erwartet hatten.

Militarisierung und Kriege

 Im Mittelpunkt der inner-imperialistischen geopolitischen Konflikte stehen die großen Kriege in der Ukraine und in Gaza. Beide Kriege haben eine globale Dimension angenommen. Doch das Gravitationszentrum solcher Konflikte ist nicht statisch oder feststehend. Große, verheerende Kriege werden auch in Afrika und Asien geführt. Andere können an großen Krisenherden wie Taiwan oder Konflikten im südchinesischen Meer, in Kaschmir – wie die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan zeigen -, auf dem Balkan, in verschiedenen Teilen Afrikas und sogar in Südamerika ausbrechen.

Der Angriff Israels auf den Iran, gefolgt von Bombardierungen durch die USA, den das CWI in einer früheren Analyse als ernsthafte Bedrohung genannt hat, verdeutlicht die Art der Periode, in der wir uns in Bezug auf die globalen Beziehungen befinden. Dieser Angriff wird die Krise im gesamten Nahen Osten verschärfen und globale Auswirkungen haben. Die derzeitige Dynamik deutet auf den Ausbruch eines regionalen Krieges in einem bestimmten Stadium hin, trotz des höchst instabilen „Waffenstillstands“, der ausgehandelt wurde. Die der Krise zugrunde liegenden Ursachen sind nach wie vor ungelöst und können nicht innerhalb der Grenzen des Kapitalismus gelöst werden. Das Potenzial für solche großen Kriege spiegelt einen Aspekt der neuen Periode wider, in der wir uns jetzt befinden.  Generell befindet sich der Weltkapitalismus in einer Ära der Kriege – sowohl in wirtschaftlicher, handelspolitischer, politischer als auch militärischer Hinsicht – in einem Ausmaß, das es seit 1945 nicht mehr gegeben hat.

Selbst während des Nachkriegsaufschwungs kam es zu großen Kriegen und Konflikten, z.B. in Vietnam und Korea. Oft waren diese das Ergebnis einer Revolte gegen den Kolonialismus. Heute jedoch finden 52 militärische Konflikte statt – der höchste Stand seit 1945. 92 Länder sind in Konflikte außerhalb ihrer Landesgrenzen verwickelt. Die globalen Aufrüstungsprogramme, die in allen imperialistischen Großmächten und anderen Ländern durchgeführt werden, haben ihre eigene Dynamik.

Die weltweiten Militärausgaben erreichen im Jahr 2024 einen historischen Höchststand von 2,7 Billionen US-Dollar. Gemessen als Prozentsatz des globalen BIP (was nicht der einzige Maßstab ist) ist dies zwar immer noch weniger als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Die Tendenz ist jedoch steigend, und bei den derzeitigen Trends werden diese Werte in einigen Jahren überschritten werden. Kriege und Konflikte werden sich in dieser Zeit verschärfen. Die weltweite Explosion der Militarisierung und der Militärausgaben erfolgte sowohl in Form von militärischem Gerät der Nationalstaaten als auch in Form einer Vielzahl privatisierter Söldnertruppen, die Stellvertreterkriege führen.

Die weltweite Militarisierung sowie die wirtschaftlichen und militärischen Kriege spiegeln die grundlegenden Veränderungen in der Weltwirtschaft und den internationalen Beziehungen wider. Die entscheidenden übergreifenden Themen auf globaler Ebene sind der langwierige Niedergang des US-Imperialismus, der Aufstieg Chinas und die geschwächte Position des europäischen Kapitalismus. Das Machtgleichgewicht zwischen den imperialistischen Mächten ist dabei, sich historisch zu verändern. Das bedeutet, dass keine einzelne Macht wie in der Vergangenheit – wie Großbritannien im neunzehnten Jahrhundert und dann die USA – herrschen oder dominieren wird. 

Die starke Integration der Weltwirtschaft und die Dominanz der Globalisierung, die in den 1980er Jahren stattfand, wurden nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten rasch beschleunigt. Dieser Prozess ist weit fortgeschritten. Einige zogen fälschlicherweise den Schluss, dass dieser Prozess unumkehrbar sei und dass der Nationalstaat zu einem historischen Relikt werde, da der Kapitalismus dabei sei, ihn zu überwinden. Das CWI vertrat die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei und dass sich der Prozess mit dem Einsetzen einer neuen strukturellen Krise des Kapitalismus umkehren werde. Die Globalisierung und Integration der Weltwirtschaft, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts stattfand, führte 1914 zum Ersten Weltkrieg, als der Kapitalismus in eine neue Ära der Krise und des Zusammenpralls nationaler Interessen eintrat.

Wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, ist die Hyperglobalisierung der 1990er Jahre im Vergleich zu jener Zeit, als der Euro eingeführt wurde und Spekulationen über die Entwicklung der EU zu einem Nationalstaat im Gange waren, in den Rückwärtsgang geschaltet worden. Diese Zeit ist nun Handelskriegen und einer Rückgang der Integration der Weltwirtschaft gewichen. Die Fragmentierung der Weltwirtschaft, die zuvor durch Covid beschleunigt wurde, vertieft sich mit Trends wie „Entkopplung“, „Friendshoring“ usw., da das Kapital gezwungen ist, sich stärker auf den Nationalstaat zu stützen. Damit geht eine weitere Untergrabung der schwachen internationalen „regelbasierten Ordnung“ einher. Dies bedeutet nicht das Ende einiger Merkmale einer globalisierten Weltwirtschaft.  

Protektionismus, regionale Blöcke und die Wirtschaft

Protektionismus, Nationalismus, Rivalitäten und Konflikte zwischen den einzelnen Mächten sind heute der vorherrschende Trend. Dies bedeutet nicht, dass die Verflechtung oder Integration von Teilen der Weltwirtschaft völlig zusammengebrochen ist. Allerdings zeichnet sich der Trend zu einem von mehr regionalen und subregionalen Blöckengeprägten Handelsgefüge ab. Das wird sich weiterentwickeln. Dieser Prozess spiegelt sich in der Tatsache wider, dass die BRICS-Länder inzwischen 35 Prozent des Welt-BIP erwirtschaften, verglichen mit dreißig Prozent der G7-Länder. Zu den BRICS-Staaten gehören über vierzig Prozent der Weltbevölkerung, und sie wachsen als Block. Es gibt weitere kleinere Blöcke und Handelsbündnisse. Neue können entstehen. Die Rivalität und die instabile Lage können zu wechselnden Allianzen innerhalb und zwischen allen bereits bestehenden Blöcken oder zu neuen Blöcken führen, die sich entwickeln können. Die Weltlage wird also eher noch instabiler und die Spannungen und Zusammenstöße aller Art werden eher noch zunehmen als abnehmen.

Es besteht keine Aussicht auf eine Rückkehr zu einer Periode der „Hyperglobalisierung“, die rasch auf den Zusammenbruch der stalinistischen Regime folgte. Dies würde eine anhaltende Periode des Wirtschaftswachstums und des Aufschwungs erfordern. Der Kapitalismus befindet sich nicht in einer solchen zyklischen Phase. Vielmehr befindet er sich in einem langwierigen Todeskampf. Dieser ist gekennzeichnet durch Stagnation, Rezession oder bestenfalls kurzlebiges, schwaches, nicht nachhaltiges, begrenztes Wachstum. Er ist gekennzeichnet durch eine noch nie dagewesene und wachsende Ungleichheit und Polarisierung zwischen den Superreichen und dem Rest.  

Laut den jüngsten „Global Economic Prospects“ der Weltbank hat sich das erwartete globale Wachstum in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand seit 2008 verschlechtert. Tatsächlich ist das Wachstum des Welthandels in den letzten 25 Jahren stetig gesunken, was die Ära der kapitalistischen Krise verdeutlicht. In den 2000er Jahren wuchs er im Durchschnitt um fünf Prozent, in den 2010er Jahren um 4,5 Prozent und in den 2020er Jahren um drei Prozent. Das globale Wirtschaftswachstum in den ersten sieben Jahren der 2020er Jahre war bisher das langsamste seit den 1960er Jahren.

Die Weltwirtschaft weist derzeit unhaltbare Merkmale auf, die den Auftakt zu einer tieferen Krise bilden. Das Ausweichen auf Protektionismus unter Trump, zu dem auch Biden gegriffen hatte, spiegelt den Niedergang des US-Imperialismus wider. Die Tatsache, dass in der mächtigsten imperialistischen Macht das verarbeitende Gewerbe nur noch elf Prozent des US-BIP ausmacht, verdeutlicht den erfolgten Niedergang. Der Aufstieg des Finanzkapitals und des Dienstleistungssektors in den meisten westlichen imperialistischen Mächten ist ein wesentlicher Aspekt der gegenwärtigen Periode, in der sich der Kapitalismus befindet. In diesem Zusammenhang haben die neuen Sektoren der High-Tech und der Künstlichen Intelligenz ihre Position gestärkt, was eine gewisse Veränderung in der Zusammensetzung der herrschenden Klasse widerspiegelt.

Industrie konzentriert sich jetzt überwiegend in Asien, wo sich eine enorme industrielle Arbeiter*innenklasse entwickelt hat. Dies ist für die künftige Entwicklung des Klassenkampfes von entscheidender Bedeutung. In China sind schätzungsweise 200 Millionen Arbeiter*innen im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt, in Indonesien 18,8 Millionen und in Indien 60 Millionen. Die Krise in diesen Ländern wird mit Sicherheit zum Ausbruch von massiven Klassenkämpfen führen. Die politische und ideologische Ausprägung dieser Kämpfe müssen wir aufmerksam verfolgen und bereit sein, mutig in sie einzugreifen und offen dafür zu sein, von ihnen zu lernen. Das bedeutet nicht, dass die Arbeiter*innenklasse in den älteren imperialistischen Mächten Europas oder den USA keine zentrale Rolle im globalen revolutionären Prozess spielen wird.

Die Schrumpfung des verarbeitenden Gewerbes in den USA und anderen westlichen imperialistischen Mächten ist ein Faktor, der bei Trump und Teilen der herrschenden Klasse ein Ausweichen auf den Protektionismus ausgelöst hat. Eine der Befürchtungen der herrschenden Klasse in einigen Ländern ist, dass der Rückgang des verarbeitenden Gewerbes die Fähigkeit der herrschenden Klasse schwächt, bei Bedarf schnell auf Rüstungsproduktion umzustellen. Die Aussicht auf einen umfassenden globalen Handelskrieg oder sogar einen auf bestimmte Regionen oder Länder konzentrierten Krieg ist ein Element, das zur drohenden Aussicht auf einen ernsthaften Abschwung und eine Rezession in der Weltwirtschaft im Jahr 2025 oder 2026 beiträgt.

Wie bereits dargelegt, werden die Höhe der angewandten Zölle und die Intensität des Handelskriegs je nach den spezifischen wirtschaftlichen und politischen Faktoren schwanken. Obwohl es in diesem Konflikt keine eindeutigen Gewinner geben wird, hat China entscheidende Vorteile. Nicht zuletzt seine Konzentration bei der Förderung und Verarbeitung von Seltenen Erden. Xi hat in den jüngsten Verhandlungen mit Trump die Oberhand behalten. Handelskriege sind heute in gewissem Maße ein fester Bestandteil der Weltwirtschaft. In einigen Ländern der neokolonialen Welt haben sie verheerende Folgen und können zu Zahlungsausfällen und revolutionären Umwälzungen führen, wie wir in Sri Lanka gesehen haben.

Die schwindelerregende Höhe der weltweiten Verschuldung – ein Novum in der Geschichte des Kapitalismus – ist mittel- und langfristig nicht tragbar. Sie droht, Krisen auszulösen, vor allem angesichts der Zunahme von Finanzspekulationen und jetzt auch von Krypto-„Vermögenswerten“. Die Schuldenrückzahlungen haben katastrophale Folgen in weiten Teilen der neokolonialen Welt, die in dieser Frage keinen oder nur wenig Handlungsspielraum haben. Zwanzig der ärmsten Länder geben mehr als zwanzig Prozent der Staatseinnahmen für die Zahlung von Schuldzinsen aus.

Die größeren imperialistischen Volkswirtschaften sind ebenfalls von der Schuldenkrise betroffen, haben aber einen gewissen Handlungsspielraum. Die Frage der massiven Verschuldung ist nicht nur auf die neokoloniale Welt beschränkt. Sie ist für die beiden mächtigsten Volkswirtschaften der Welt – die USA und China – von entscheidender Bedeutung. Japan hat die Krise auf die lange Bank geschoben und jahrzehntelang eine massive Verschuldung im Verhältnis zum BIP aufrechterhalten (die im Jahr 2022 263,9 Prozent erreichte). Einige argumentierten, dies zeige, dass eine solche Entwicklung auf Dauer tragbar sei. Sie führte jedoch dazu, dass sich die Lebensbedingungen von Millionen Menschen verschlechterten und die Bevölkerung schrumpfte. Nun steht die Wirtschaft am Rande einer neuen Krise, die eine Warnung für die anderen großen Volkswirtschaften ist.

Das entscheidende Problem der globalen Verschuldung ist ein Faktor, der zusammen mit anderen eine neue, tiefere finanzielle und systemische Krise als 2008 auslösen kann. Die Möglichkeit eines finanziellen Zusammenbruchs kann nicht ausgeschlossen werden. Im Jahr 2008 griffen die kapitalistischen Klassen weltweit ein, um einen totalen globalen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Dabei spielten die USA und China eine zentrale Rolle. Die heutige Welt ist ganz anders als 2008. Der zunehmende Protektionismus und Nationalismus wird eine globale Reaktion erschweren und könnte bedeuten, dass staatliche Interventionen eher national oder regional als global erfolgen, wie es 2008 der Fall war.

Die Widersprüche und Systemkrisen des Kapitalismus haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass in regelmäßigen Abständen ein wirtschaftlicher Neustart erforderlich war. Dies hat in der Vergangenheit, wie Marx erklärt hat,  dazu geführt, dass der Kapitalismus begann, Werte zu zerstören. Dies geschah durch Rezessionen, Fabrikschließungen, Krieg und sogar Weltkriege. Dadurch konnte eine Wiederbelebung der Wirtschaft möglich werden, die die Bedingungen für einen erneuten Aufschwung oder Boom der Wirtschaft schaffen konnte. Dies geschah jedoch nicht automatisch. Die Wertvernichtung während des Ersten Weltkriegs zum Beispiel hat nicht die Voraussetzungen für einen Aufschwung oder Boom der Wirtschaft nach 1918 geschaffen. Heute findet in den Kriegen, die geführt werden, ein Element der Wertvernichtung statt, von dem einige Kapitalfraktionen zu profitieren versuchen.

Die Erholung von den Kriegszerstörungen könnte in einigen Ländern ein gewisses Wirtschaftswachstum in größerem Umfang anregen, wie es beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Dies war nicht der einzige Faktor, der den Weg für den Aufschwung nach dem Krieg ebnete.  Die Existenz der stalinistischen Regimes und andere Faktoren waren ebenfalls entscheidend. Die Angst davor, dass bankrotte Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Umlaufbahn des Kapitalismus in das stalinistische „Lager“geraten könnten, war ein wichtiger Faktor, der insbesondere den US-Imperialismus dazu veranlasste, massive Investitionen in die Produktivkräfte – den Marshall-Plan – zu tätigen, die den Nachkriegsboom untermauerten. Solche Maßnahmen sind heute weder für die USA noch für andere imperialistische Mächte verfügbar.

Heute wird die Zerstörung von Werten nicht durch einen umfassenden Weltkrieg erfolgen. Sie wird teilweise durch regionale Kriege wie die in der Ukraine, in Gaza und anderswo, durch Rezession, Fabrikschließungen und andere Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse erfolgen. Dieser Prozess steht erst am Anfang. Dies wird die herrschenden Klassen jedoch nicht daran hindern, brutale Angriffe auf die Bedingungen und den Lebensstandard der Arbeiter*innenklasse und der Massen weltweit zu unternehmen. Allerdings wird dies in der gegenwärtigen Situation nicht ausreichen, um einen Neustart der Weltwirtschaft und einen neuen globalen Aufschwung zu ermöglichen.

Das Element der Wertvernichtung vollzieht sich heute in einem langwierigen Prozess. Ein umfassender Weltkrieg würde heute eine nukleare Katastrophe bedeuten, die die Arbeiter*innenklasse, die Produktivkräfte und die Kapitalist*innenklasse auslöschen würde. Die kapitalistischen Klassen denken zum jetzigen Zeitpunkt nicht an ein nukleares Armageddon. Dazu wäre eine völlig neue Weltsituation notwendig, die die Niederlage der Arbeiter*innenklasse in den Schlüsselländern und die Machtübernahme extremer bonapartistischer autoritärer Regime beinhaltet. Dabei fürchten die herrschenden Klassen zwar Massenbewegungen und Aufstände, sind aber nicht unmittelbar von der Gefahr einer sozialistischen Revolution bedroht. Dies ist auf die Zurückdrängung des politischen Bewusstseins und das Fehlen von politischen Massenorganisationen der Arbeiter*innenklasse zurückzuführen. Die Zerstörung von Wert wird also schleichend vollzogen.

Die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und der neuen Technologien ist eine sehr bedeutende Entwicklung und wird in einigen Ländern große Auswirkungen auf einige Wirtschaftssektoren haben. Sie zeigt deren enormes Potenzial, aber die Klassenfrage – wer profitiert davon – bleibt. In diesem Sektor werden noch nie dagewesene Gewinne erzielt und massive Investitionen getätigt. Ihre volle Entwicklung und Anwendung, insbesondere in der Weltwirtschaft, wird jedoch durch die Grenzen des Kapitalismus eingeschränkt.  

Der Zusammenbruch Roms und der des Kapitalismus

 Es ist auffallend, dass viele der internen Faktoren, die zum Zusammenbruch des Weströmischen Reiches führten, auch im derzeitigen langwierigen Todeskampf des Kapitalismus zu finden sind. Ständige Kriege und überhöhte Militärausgaben, Machtkämpfe, Korruption und eine Abfolge schwacher Kaiser und Herrscher*innen, massive Ungleichheit und die Kluft zwischen der herrschenden Elite und den Armen, die zu sozialen Unruhen führten, sowie Klimaveränderungen und -katastrophenund Krankheiten trugen alle zum Untergang des westlichen Roms bei.  All dies sind Symptome eines sozialen Systems, das von innen her verrottet, verfault und zerfällt. Das gleiche Schicksal erlitt der Feudalismus in seinem blutigen Todeskampf. Soziale Systeme, die sich ihrem Abgang von der Bühne der Geschichte nähern, sind von solchen Merkmalen durchdrungen. Dennoch kann es sein, dass sie eine Zeit lang nicht durch ein neues Gesellschaftssystem konfrontiert, gestürzt und auf einer höheren Fortschrittsstufe ersetzt werden. 

Die sklav*innenbasierte Wirtschaft Roms führte dazu, dass es keine Klasse gab, die in der Lage war, das alte System zu stürzen und die Gesellschaft voranzubringen. So zerfiel es und brach zusammen. Der Feudalismus ermöglichte es der aufstrebenden Bourgeoisie, mit Unterstützung anderer gesellschaftlicher Kräfte, die verschiedenen bürgerlichen Revolutionen durchzusetzen und den Feudalismus zu ersetzen. Der Kapitalismus wird nicht einfach zur Seite treten und von der historischen Bühne abtreten, er muss gestürzt werden. 

Gerade die Zersetzung des Kapitalismus bereitet jedoch den Weg für eine solche Herausforderung unter Führung der Arbeiter*innenklasse. Die massive Polarisierung, die Kriege – sowohl wirtschaftliche als auch militärische – und die wachsende Entfremdung in der kapitalistischen Gesellschaft lassen eine neue Generation von Kämpfer*innen entstehen, die nach einer Alternative zu der dystopischen Zukunft suchen, die der Kapitalismus jetzt bietet. Der Verfall in einigen Gebieten der neokolonialen Welt, der auf die Verzögerung der sozialistischen Revolution zurückzuführen ist, führt jedoch bereits zu sozialer Desintegration und Zusammenbruch. 

 Rechtspopulistische Regime

Die Machtübernahme durch eine Reihe rechtspopulistischer Regime, auch in der größten imperialistischen Macht, hat die Weltlage enorm verschärft und destabilisiert. Diese Regime bedienen sich bonapartistischer, autoritärer Methoden. Die Machtergreifung solcher Regime ist ein Produkt der Krise der liberalen bürgerlichen Demokratie, die keine Lösung für die Krise bietet, in die der Kapitalismus den Planeten Erde in dieser Epoche gestürzt hat. Sie sind auch ein Produkt der ideologischen Implosion der sozialistischen Linken seit dem Zusammenbruch des Stalinismus und des Rückgangs des politischen Bewusstseins, die stattgefunden haben. Sie sind an die Macht gekommen, weil alles andere gescheitert ist – auch die linkspopulistischen Kräfte, die sich in einigen Ländern entwickelt haben. In den imperialistischen Ländern haben die bonapartistischen, autoritären Züge dieser Regime in dieser Phase die Form des parlamentarischen oder präsidentiellen Bonapartismus angenommen. Oft haben sie die Justiz als Waffe eingesetzt, um ihre Agenda durchzusetzen.

Es sind jedoch nicht nur die rechtspopulistischen Regime, die zu bonapartistischen Methoden und autoritäreren Maßnahmen gegriffen haben. Auch andere bürgerliche Regime wie Macron in Frankreich und Starmer in Großbritannien haben diese Methoden zunehmend übernommen. In einigen Gebieten der neokolonialen Welt kann und hat dies den Charakter von Militärputschen angenommen.

Versuche, bonapartistische Regime durchzusetzen, können massenhaften sozialen Aufruhr auslösen, wie wir in Südkorea mit der Entfaltung einer Massenbewegung und eines Generalstreiks gesehen haben. Gleichzeitig können diese bonapartistischen Regime keine Lösung oder einen Ausweg bieten. Sie werden früher oder später zu Krisen-Rregimes führen, wovon wir die Anfänge unter Trump 2 in den USA sehen. Die Herausforderung für die Arbeiter*innenklasse und Marxist*innen besteht darin, eine Alternative aufzubauen. Dazu bedarf es einer Reihe von Massenklassenkämpfen, um eine neue Generation von Aktivist*innen zu formen. Von entscheidender Bedeutung ist auch ein ideologischer Kampf, um die Idee des Sozialismus wieder als Beispiel eines alternativen Gesellschaftssystems und des dafür notwendigen Programms aufzunehmen.

Die Wurzeln der beiden großen Kriege, die derzeit in der Ukraine, Palästina und dem Nahen Osten geführt werden, sind wie andere Konflikte im Kapitalismus unlösbar. Sie spiegeln einen Aspekt des Charakters dieser Ära wider – den zunehmenden kapitalistischen Wettbewerb und die Veränderungen im weltweiten Kräfteverhältnis. Sie spiegeln auch den Charakter der Regime, die sowohl in Russland als auch in Israel existieren, wider. Putins nationalistisches, bonapartistisches, autoritäres Regime in Russland ist ein Regime des oligarchischen Gangster-Kapitalismus. Der kapitalistische Staat Israel, seit jeher regiert von verschiedene Varianten fundamental rechtsgerichteter bürgerlicher Regime des zionistischen Nationalismus, wird derzeit regiert von einer ultrarechten Koalition mit einem beispiellosen Gewicht rechtsextremer Elemente, darunter auch faschistischer. Beide Kriege werden von diesen Regimes aus eigenen strategischen, wirtschaftlichen und politischen Interessen geführt. Ein Faktor, wenn auch nicht der dominierende, ist, dass sie in unterschiedlichem Maße teilweise ideologisch motiviert sind. 

Das ist besonders der Fall in Israel. Netanjahu, Likud und ihre Regierungskoalition sind von dem Streben nach einem Groß-Israel getrieben, während sie militärisch den israelischen Kapitalismus als dominierende Macht in der Region durchsetzen und die Palästinenser*innen als Nation auslöschen wollen. Aus diesem Grund will ein Teil der israelischen herrschenden Klasse die Palästinenser*innen physisch aus Palästina entfernen. Nach dem 7. Oktober 2023 sahen sie eine Gelegenheit, dieses Ziel (das innerhalb der israelischen Bourgeoisie umstritten ist) teilweise zu erreichen – sie entfesselten den Krieg in Gaza, von dem wir bei seinem Ausbruch sagten, dass er keine bloße Wiederholung früherer Kriege im Nahen Osten sei.

Putin und sein autokratisches Regime werden zum Teil von dem Wunsch angetrieben, zumindest in Osteuropa wieder die Vorherrschaft zu erlangen, die mit dem Zusammenbruch der ehemaligen UdSSR verloren gegangen war, sowie von der Wahrnehmung einer Sicherheitsbedrohung für Russland durch die Expansion des westlichen Imperialismus und der Vorstellung, dass die Ukraine als Nation nicht existieren sollte. In seiner Propaganda stellte das Putin-Regime dies als einen Krieg gegen den Faschismus dar, fast wie eine Wiederholung des Zweiten Weltkriegs. Der Einmarsch Putins in die Ukraine hat zum Ausbruch eines imperialistischen Stellvertreterkrieges geführt.

Gaza und Iran – Pforten der Hölle geöffnet

Die Notwendigkeit einer unabhängigen Klassenposition ist angesichts des Flächenbrands im Gazastreifen und der Krise, die in der arabischen Welt und am Persischen Golf ausgebrochen ist, von wesentlicher Bedeutung. Der massive israelische Luftangriff auf den Iran Mitte Juni, bei dem mehr als einhundert Ziele angegriffen wurden, darunter auch Nuklearanlagen und ein ziviles Stadtzentrum, und die Ermordung hochrangiger Militärs (darunter der Generalstabschef der Streitkräfte) haben die Krise im gesamten Nahen Osten dramatisch eskalieren lassen und eine neue Etappe eingeleitet. Die Pforten der Hölle sind in Gaza und in Teilen der Region geöffnet worden. Der US-Imperialismus lieferte zwar zu Beginn nicht die Bomber, wusste aber, dass der Angriff unmittelbar bevorstand und tat nichts, um ihn zu verhindern. Wie das CWI gewarnt hat, hatten sowohl Netanjahu als auch Trump einen Regimewechsel im Iran auf die eine oder andere Weise im Visier.

Die Gefahr eines regionalen Krieges bleibt aufgrund der Krisendynamik bestehen. Dies gilt trotz der verzweifelten Versuche sowohl der arabischen Eliten, des westlichen Imperialismus als auch der Mehrheit des iranischen Regimes, ihn zu vermeiden. Die eigentlichen Ursachen der Krise bleiben bestehen. Die Angriffe können dem iranischen Regime dabei helfen, seine Position vorübergehend zu festigen, während die Bomben niederprasseln. Wie lange dies anhält, ist eine andere Frage. Es gab eine Massenopposition gegen das iranische Regime, die sich in einer bedeutenden sozialen Frauenbewegung, bedeutenden Streiks von Arbeiter*innen und anderen Protesten äußerte. Diese wurden angesichts der Bombenangriffe abgeschwächt, können aber auf höherem Niveau wieder aufflammen.

Diese Krise, zusammen mit der ethnischen Säuberung durch das israelische Regime im Gazastreifen, führt dazu, dass auf die saudische Dynastie und andere arabische und Golfstaaten von der arabischen Straße massiver Druck ausgeübt wird und gefordert wird, dass etwas getan werden muss. Die bürgerlich-demokratische Revolution ist im Nahen Osten nicht abgeschlossen, und die Gefahr eines Umsturzes der Regime kann mit der Verschärfung der Krise zunehmen. Dies mag nicht unmittelbar bevor stehen, aber diese Dynamik ist in der Situation vorhanden. Solche revolutionären Entwicklungen wären mit den Aufgaben der Permanenten Revolution konfrontiert, die bürgerlich-demokratische und sozialistische Forderungen verbindet.

Der Angriff auf den Iran folgt auf den genozidalen Krieg, den das israelische Regime gegen das palästinensische Volk führt. Das blutige Abschlachten der palästinensischen Massen, einschließlich brutaler Unterdrückung und des Einsatzes von Hungersnöten, zielt darauf ab, eine Politik der ethnischen Säuberung durchzusetzen, die Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland zu vertreiben und ein Groß-Israel zu schaffen. Dies wurde mit weiteren Bombardierungen und Vorstößen im Libanon und in Syrien kombiniert.

Die Verzweiflung der palästinensischen Bevölkerung kann dazu führen, dass sie aus dem Gazastreifen, der bereits weitgehend unbewohnbar ist, flieht, die Grenzen stürmt und den ägyptischen, jordanischen oder anderen Staat zwingt, sie aufzunehmen. Der Kapitalismus hat eine solche Massenvertreibung eines Volkes in der Vergangenheit erlebt – in Indien/Pakistan, Armenien, Griechenland/Türkei  und anderswo, insbesondere nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Es ist nicht auszuschließen, dass das israelische Regime dieses Ziel erreichen oder zumindest die Masse der palästinensischen Bevölkerung in etwas zusammenpferchen wird, das der ehemalige israelische Premierminister Ehud Olmert als „Konzentrationslager“ bezeichnet hat. Diese Politik kann insbesondere in einer bestimmten Phase zu Massenbewegungen im gesamten Nahen Osten, am Persischen Golf und in Nordafrika führen, wenn die Wut der Massen zu einer sozialen Explosion führt. Solange der Kapitalismus existiert, gibt es keine Lösung für dieses katastrophale Massaker und die Vertreibung. Selbst wenn Netanjahu abgesetzt würde und die israelische bürgerliche Opposition die Macht übernehmen würde, würde die brutale Unterdrückung weitergehen, wenn auch wahrscheinlich in einer anderen Form.

Ein unabhängiges Klassenprogramm, das sich gegen Kapitalismus und Imperialismus richtet, ist unerlässlich, um die Krise zu lösen. Ein zentraler Bestandteil des Programms des CWI in Bezug auf den genozidalen Krieg gegen die Palästinenser*innen ist der Rückzug aller israelischen Besatzungstruppen, ein Ende des Krieges und das Recht auf Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes, einschließlich des Rechts, in seinem Kampf um Befreiung einen eigenen Staat zu gründen. Eine Massenbewegung des palästinensischen Volkes mit einem revolutionären sozialistischen Programm ist notwendig, und dass diese sich mit den Bewegungen der Arbeiter*innenklasse und der Armen in der gesamten Region verbindet. Auf der Grundlage des Kapitalismus gibt es keine Lösung für die Krise, auch nicht mit zwei kapitalistischen Staaten. Gleichzeitig ist es wichtig, das Recht auf und die Unterstützung der israelischen Bevölkerung für  einen eigenen Staat anzuerkennen und die Forderung nach einem dringenden sozialistischen Wandel in Israel zu unterstützen. Die Ablösung des zionistischen kapitalistischen Staates ist der einzige Weg, um Unterdrückung und Armut zu beenden. Die Folgen der Krise des Kapitalismus in Israel und die internationalen Klassenkämpfe und Bewegungen mit Beteiligung sozialistischer Kräfte können dazu beitragen, dass Teile der israelischen Arbeiter*innenklasse und Jugend beginnen, sich gegen den israelischen kapitalistischen Staat zur Wehr zu setzen. Derzeit handelt es sich dabei um eine kleine Minderheit. Diese kann aufgrund der Erfahrungen und der sich verschärfenden Krise wachsen. Eine unabhängige sozialistische und Arbeiter*innenbewegung erfordert auch die Ablehnung des Nationalchauvinismus und ein unabhängiges Programm, das sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser*innen und gegen jede Form der Unterdrückung in der gesamten Region richtet. 

Die russische Invasion in der Ukraine: Ein imperialistischer Stellvertreterkrieg

Der westliche Imperialismus versuchte zunächst, sich bei Putin einzuschmeicheln, blockierte und provozierte dann aber sein Regime. Die Ausweitung der NATO nach Osten und die Blockade Russlands hatten den Effekt, den „russischen Bären“ zu provozieren. Etwas, wovor einige westliche kapitalistische Berater*innen in der Vergangenheit gewarnt haben. Selbst heute stellen einige die Feindseligkeit gegenüber Putin in Frage und stellen eine Zusammenarbeit und ein Abkommen mit Russland in Aussicht, das für ihre kapitalistischen Interessen vorteilhafter wäre.

Der westliche Imperialismus führt durch die NATO faktisch einen Stellvertreterkrieg gegen Putin, da dieser nun seine Interessen bedroht. Die NATO-Streitkräfte unter Biden lieferten nicht nur Waffen an die Ukraine, sondern arbeiteten auch Hand in Hand mit den ukrainischen Kommandeur*innen bei der Aufklärung und berieten sie bei der Planung von Operationen. Putins Abenteuer hat einen hohen Blutzoll gefordert und kostete Russland wahrscheinlich Hunderttausende von Opfern und Zehntausende auf ukrainischer Seite. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint Putin entschlossen zu sein, den Krieg fortzusetzen, um zu versuchen, mehr als die etwa zwanzig Prozent der Ukraine unter russischer Kontrolle zu sichern.

In jüngster Zeit hat die Ukraine mit Drohnenangriffen tief in Russland zurückgeschlagen und die wichtige Brücke zur Krim angegriffen. Russland rückt jedoch im Osten der Ukraine militärisch vor. Ein eingefrorener Krieg ist möglich. Keine der beiden Seiten wird wahrscheinlich einen formellen Kompromiss in Bezug auf den Anspruch auf die Krim eingehen. Putins Drohung, eine taktische Atomwaffe einzusetzen, ist angesichts des Vorrückens Russlands zurückgegangen, aber das könnte sich ändern. Die Gefahr einer solchen schrecklichen Entwicklung hat in letzter Zeit weltweit zugenommen. Dieser Schrecken kann in anderen Konfrontationen mit autoritären, bonapartistischen Regimen, die bereits existieren, oder anderen Schurkenstaaten, die wahrscheinlich die Macht in einigen anderen Ländern ergreifen werden, zum Vorschein kommen.

Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass Trump und die USA sich weiter aus dem Krieg zurückziehen werden. Dies würde die Ukraine schwächen und innerhalb der EU Uneinigkeit darüber hervorrufen, wie auf eine solche Situation zu reagieren ist. In jedem Fall wird der Konflikt selbst bei einem notfürftig zusammengeflickten Waffenstillstand in der einen oder anderen Form weitergehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Sozialist*innen in diesem und anderen Kriegsgebieten ein unabhängiges Klassenprogramm annehmen.

Polarisierung und Klassenkampf in den USA

Die massive Polarisierung und Krise, die sich in den USA entfaltet, ist entscheidend dafür, wie sich die Ereignisse in dieser Ära international entwickeln. Die mächtigste aller imperialen Mächte wird von einem sozialen, politischen und wirtschaftlichen Tsunami heimgesucht. Die Prozesse, die sich in den USA abspielen, veranschaulichen, was sich auf allen Kontinenten in der einen oder anderen Form entwickelt. Trump 2 hat eine neue Weltlage und eine völlig neue innenpolitische Situation in den USA herbeigeführt.

Trump hat an der Spitze einer rechtsnationalistischen, populistischen Bewegung eine Basis mobilisiert und ist in das bestehende Vakuum eingetreten. Seine Bewegung und sein Wahlsieg sind ein Produkt des Scheiterns all dessen, was ihnen vorausging, insbesondere der bürgerlichen Demokrat*innen. Zu diesem Scheitern gehört die wiederholte Weigerung von Sanders und der „Linken“, mit der Demokratischen Partei zu brechen und die notwendigen Schritte zum Aufbau einer Massenpartei der Arbeiter*innen zu unternehmen. Die Prozesse, um die es hier geht, sind auch das Ergebnis von fünfzig Jahren Stagnation und für Millionen von Menschen sogar einem Rückgang der Reallöhne und des Lebensstandards. Eine Folge des langsamen Niedergangs des US-Imperialismus, der sich nun beschleunigt.

Das Trump-Regime setzt zwar einige Aspekte der Politik früherer rechter Präsidentschaften wie Reagan fort, beschleunigt aber die bereits begonnenen Prozesse. Sein Regime hebt sie auf ein höheres, akuteres Niveau. Quantitative Maßnahmen, die von früheren Regierungen eingeführt wurden, haben nun unter Trump eine qualitative Veränderung der Situation erreicht. Dies geschieht vor dem Hintergrund einer völlig veränderten Weltlage, in der er den Handelskrieg trotz der Schwankungen bei den zu verhängenden Zöllen verschärft und den Nachkriegskonsens zwischen den USA und Europa aufgekündigt hat. Sein Regime hat sich in eine autoritärere Richtung bewegt und weist starke Züge des Bonapartismus auf, verstärkt durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, der Präsidenten Immunität für alle „offiziellen“ Handlungen gewährt. Ein weiteres Beispiel dafür ist Trumps Bombardierung des Irans ohne Zustimmung des Kongresses und unter Missachtung des War Powers Act von 1973. Dies ist allen Präsidialsystemen eigen, aber Trump hat den Prozess beschleunigt und auf eine höhere Ebene gebracht.

Dies spiegelt sich im Einsatz der Nationalgarde und der Marines in Los Angeles wider.  Ein Schritt von zweifelhafter Rechtmäßigkeit, wenn man bedenkt, dass Trump bisher gezögert hat, den Insurrection Act in Anspruch zu nehmen. Die Festnahme von Menschen auf den Straßen vieler Städte durch maskierte und nicht identifizierte ICE-Beamte und anderer Einsatzkräfte zeigt dies. Die Verhaftung eines ehemaligen Armee-Veteranen durch die Marines verdeutlicht dies. Trumps Missachtung des Gerichtsurteils kündigt die Wahrscheinlichkeit einer historischen Verfassungskrise an. Es ist wichtig zu wissen, dass die Demokraten in der Vergangenheit auch die Nationalgarde gegen andere Bewegungen eingesetzt haben. Die Aktionen des Trump-Regimes, darunter die Verhaftung eines Senators und eines New Yorker Bürgermeisterkandidaten, Angriffe auf und die Ermordung von demokratischen Politiker*innen und die Zunahme der Waffenverkäufe, verdeutlichen die massive Kluft, die sich auftut. Die Massenproteste und der Widerstand in Teilen von Los Angeles gegen den Einsatz der ICE und der Nationalgarde in dieser Stadt verdeutlichen die massive Polarisierung, die mittlerweile fest in der US-Gesellschaft verankert ist, und das Potenzial für Aktionen. Die Ermordung des CEO eines privaten Gesundheitsunternehmens, die in einigen Kreisen auf breite Sympathie stieß, verdeutlicht die Wut und das Potenzial für individuellen Terror, das sich in den USA und anderen Ländern entwickeln kann, insbesondere wenn es zu Verzögerungen bei großen Bewegungen der Arbeiter*innenklasse im Kampf kommt. 

Der Grad der Polarisierung ist ein Bestandteil der sich entwickelnden Tendenz zu Elementen eines Bürgerkriegs – in einer modernen Form -, die sich im Laufe der Ereignisse noch verstärken wird. Damit ist nicht eine Wiederholung des US-Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 gemeint, sondern eine verfestigte Polarisierung, Zusammenstöße, einschließlich bewaffneter Zusammenstöße, in den USA. Dies hat seine Wurzeln in der Geschichte der Klassenkämpfe in den USA, insbesondere in der „Schlacht um Blair Mountain“ von 1921, an der 10.000 bewaffnete Bergleute und 3000 Polizeikräfte und Streikbrechende beteiligt waren und die den größten militärischen Zusammenstoß auf US-amerikanischem Boden seit 1865 darstellte.
Dies ist etwas, das in fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern in der jüngeren Vergangenheit nicht völlig unbekannt ist, wie Irland von den späten 1960er Jahren bis 1998 und die jüngsten Auseinandersetzungen um die nationale Frage in Katalonien zeigen. Ein Aspekt davon ist die Aussicht auf eine Verschärfung der zentrifugalen Tendenzen in den USA zwischen einigen Bundesstaaten und der Bundesregierung. Die Ereignisse in Kalifornien haben dies veranschaulicht.

Wie bereits erwähnt, wird das Trump-Regime von Krisen und Spaltungen geprägt sein. In einer bestimmten Phase wird es auf massiven Widerstand stoßen, vor allem seitens der organisierten Arbeiter*innenschaft und wichtiger sozialer Bewegungen wie der migrantischen Bevölkerung, der Frauen, der LGBTQ+ Community, um Umweltfragen etc. Das wird durch die massive Umverteilung des Reichtums nach oben und Kürzungen bei sozialen Grundleistungen, wie sie in Trumps „Big Beautiful Bill“ vorgesehen sind, verschärft, was ab einem bestimmten Punkt zu massivem Widerstand führen wird.

Das Wachstum in einigen Teilen der Gewerkschaftsmitgliedschaft ist ein Vorbote großer Klassenkämpfe, die ausbrechen werden, und ist sehr bedeutsam. Alle Umfragen zeigen eine massive Unterstützung oder Sympathie für die Idee der Gewerkschaften und der organisierten Arbeiter*innenbewegung. Dieser Prozess befindet sich jedoch noch in einem frühen Stadium und ist uneinheitlich. Ein Kampf um die Umwandlung der Gewerkschaften in kämpferische Organisationen ist von entscheidender Bedeutung, um das Potenzial zu nutzen. Trotz der zunehmenden Unterstützung für die Idee der Gewerkschaften wird diese nicht in die Realität umgesetzt. So ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad der niedrigste seit hundert Jahren und liegt weiterhin bei 10,7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten. Die Gewerkschaftsbürokratie hat sich im Wesentlichen als unfähig erwiesen, das vorhandene Potential zu nutzen.

Ein wichtiger Faktor ist dabei die Zusammensetzung der Arbeiter*innenklasse. Teile der Mittelklasse befinden sich in einem Prozess der Proletarisierung in Bezug auf die Bedingungen am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft. Dies wird sich weiter entwickeln, zumal die KI mehr und mehr in diese Schichten eindringt. Die Streiks der Drehbuchautor*innen in Hollywood waren in dieser Hinsicht von Bedeutung. Gleichzeitig hat eine explosionsartige Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, Leiharbeit und Selbständigkeit stattgefunden. Das ist ein wichtiger Faktor und ein internationaler Trend. Neue Methoden und Organisationsformen sind unabdingbar, um einen Umgang damit in den zahlreichen Arbeitsplätzen zu finden, in denen Millionen von Menschen arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen.

Revolution und Konterrevolution

In den USA und weltweit wird ein Kampf zwischen Elementen der Revolution und der Konterrevolution ausgetragen. Dies nimmt weltweit viele Formen an. Die Weltlage ist jedoch jetzt durch diesen Prozess gekennzeichnet. In diesem Stadium ist es nicht die Bedrohung der sozialistischen Revolution, die aufgrund der subjektiven Faktoren des Fehlens revolutionärer Massenparteien, des Rückgangs des politischen Bewusstseins und des ideologischen Zusammenbruchs des größten Teils der sozialistischen Linken unmittelbar droht. Objektiv sind die Bedingungen für den Sozialismus überreif. Doch die subjektiven Schwächen verflechten sich mit der objektiven Situation und sind somit miteinander verknüpft.

Diese Prozesse haben zu einer Ära des Populismus sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite geführt. In diesem Stadium ist die jüngste Periode ideologisch eine Zeit des Populismus. Das Scheitern der linkspopulistischen Bewegungen in Europa, die Weigerung von Sanders und Co., sich von den Demokraten zu lösen, der Verrat der ersten pinken Welle in Lateinamerika und dann ihre blassere Version, haben es der populistischen Rechten ermöglicht, auf der Bildfläche zu erscheinen und bei den Wahlen weitgehend das Momentum zu gewinnen. Dies hat verheerende Folgen und provoziert weitere Polarisierung und Konflikte. Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse, nicht zuletzt unter dem Vorwand der Verschuldung und Militarisierung, gingen mit einer ideologischen Gegenoffensive der herrschenden Klassen einher, die sich insbesondere gegen Migrant*innen, aber auch gegen LGBTQ+-Personen und Frauenrechte richtete, begleitet von einer anti-„progressiven“ und antisozialistischen Rhetorik.

Die Reaktion hat zwar verheerende Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen und hat eine verkomplizierende Auswirkung auf das Bewusstsein von Teilen der Massen, indem sie Chauvinismus und Vorurteile schürt. Sie treibt jedoch auch die Polarisierung, die Legitimitätskrise von Regierungen und staatlichen Institutionen, die Entwicklung von Klassenantagonismen und die Radikalisierung von Teilen der Arbeiter*innenklasse und der Jugend weiter voran. Es wird zu einer Gegenreaktion gegen die rechtspopulistischen Bewegungen und Regime kommen.

Die massenhaften sozialen Aufstände, die wir bereits erlebt haben, und der deutliche Aufschwung des Klassenkampfes in einigen Ländern sind ein Vorbote für noch größere soziale Aufstände und Kämpfe in der gegenwärtigen Ära. In einer Reihe von Ländern, von Argentinien über Marokko bis Indien, von Belgien bis Serbien, gab es Generalstreiks – als Teil einer wiederauflebenden Militanz der Arbeiter*innenklasse. In vielen Ländern gibt es einen tief verwurzelten Hass auf das „Establishment“, die Reichen und die Herrschenden. Die extreme und populistische Rechte haben dies auf zynische Art und Weise aufgegriffen. 

Die verheerende Krise in der neokolonialen Welt führt zu brisanten Entwicklungen. Das Regime in Burkina Faso stellt eine wichtige Entwicklung dar. Ein Regime, das den Imperialismus anprangert, hat in dieser Phase erhebliche Unterstützung. Es hat Anklänge an Kuba in der Frühphase der Revolution. Dennoch stellt es in dieser Phase nicht die Frage des Sozialismus, auch nicht in der sehr vagen und lockeren Art und Weise, wie es einige nationalistische Bewegungen in der Vergangenheit getan haben.

Die Solidaritätsbewegung für Gaza, die von anhaltenden Massenmobilisierungen und einigen mutigen Aktionen der Arbeiter*innenklasse sowie militanten Studierendenprotesten geprägt ist, ist ein wichtiger Faktor für die Radikalisierung von Teilen der Arbeiter*innenklasse und der Jugend. Dies beinhaltet das Erkennen der reaktionären Rolle der USA und der westlichen imperialistischen Regierungen – die Proteste oft aggressiv unterdrückt haben – sowie der Konzerne. Die Gaza-Proteste waren in der letzten Zeit einer der wichtigsten Bereiche, in denen sozialistische Kräfte interveniert haben. 

Das politische Bewusstsein der Arbeiter*innenklasse und der Volksmassen entwickelt sich nicht in einem geradlienigen Aufwärtstrend. Es kann Schritte und Sprünge nach vorn geben. Das haben wir bei den Massenaufständen in Sri Lanka, im Sudan und in Chile trotz der bestehenden Beschränkungen gesehen. Doch wie wir gesehen haben, kann darauf auch wieder ein Rückschritt folgen. Dies ist jedoch nicht das Ende des Prozesses. Eine Serie von Krisen wird zu jenen Massenbewegungen und erbitterten Klassenkämpfen führen, die nötig sind, um eine neue Generation von Kämpfer*innen zu formen, die sozialistische und revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen.

Die Bildung von neuen Massenparteien der Arbeiter*innenklasse kann ein wichtiger Schritt in diesem Prozess sein. Eine solche Entwicklung würde bedeuten, dass die Arbeiter*innenklasse von einer Klasse an sich zu einer Klasse für sich wird. Bittere Klassenkämpfe sind für die Entwicklung dieses Prozesses von entscheidender Bedeutung, und er wird in dieser Epoche vorangetrieben werden. Zugleich ist die Rolle des subjektiven Faktors entscheidend. Der Prozess kann sich aufgrund der Schwäche und ideologischen Oberflächlichkeit der „Linken“, die den Prozess bremsen, noch länger hinziehen als bisher.

Es ist wichtig zu betonen, dass selbst bei einer solchen Verzögerung eine bedeutende Schicht von Arbeiter*innen und Jugendlichen direkt für die Unterstützung von und einem Beitritt zu einer revolutionären sozialistischen Partei und Internationale gewonnen werden kann. Neue breite sozialistische Massenparteien der Arbeiter*innenklasse würden einen großen Schritt im Klassenbewusstsein und als Teil des Kampfes zum Aufbau revolutionärer sozialistischer Parteien darstellen. Es ist jedoch wichtig, dass der Aufbau einer revolutionären sozialistischen Partei nicht von der Bildung neuer breiterer Parteien der Arbeiter*innenklasse abhängig ist.

Diese Ära führt bereits zu ethnischen Konflikten, Kriegen und in einigen Gebieten der neokolonialen Welt zu Zerfall und sozialem Zusammenbruch. Doch sie kann auch ohne Massenparteien oder revolutionäre sozialistische Parteien zu massenhaften revolutionären Explosionen führen. In einigen Ländern können neue Regime an die Macht kommen, die die kapitalistischen und imperialistischen Interessen ernsthaft verletzen. In der Vergangenheit hätten solche Regime in die Umlaufbahn der stalinistischen Staaten gezogen werden und die Herrschaft des Großgrundbesitzes und den Kapitalismus stürzen können. Heute, nach dem Zusammenbruch der ehemaligen UdSSR, ist es wahrscheinlicher, dass solche Regime nur von kurzer Dauer sein werden, es sei denn, die sozialistische Revolution entwickelt sich anderswo. Entwicklungen, die eher einer modernen Version der Pariser Kommune ähneln, sind daher nicht ausgeschlossen. Das CWI muss auf solche brisanten Entwicklungen vorbereitet sein. 

Die Rolle des CWI

Wir befinden uns jetzt in einer neuen Ära. Was früher als Möglichkeit in der Zukunft angesehen wurde, entfaltet sich heute. In diesem Sinne ist die Zukunft jetzt. Wir müssen sie ungeschminkt erfassen. Wir brauchen Kühnheit, um aktiv in den Klassenkampf und die Kämpfe der Massen einzugreifen. Ein Aspekt davon ist die Notwendigkeit von Kühnheit im Denken, um einen ideologischen Kampf zu führen. Das CWI steht in vielerlei Hinsicht ideologisch vor ähnlichen Herausforderungen, vor denen die Erste Internationale stand. Die Zweite Internationale propagierte die Idee des Sozialismus, was wir heute auch tun müssen. Allerdings bestand sie aus großen oder Massenorganisationen, und die Idee des Sozialismus als alternatives Gesellschaftssystem war in größerem Umfang Teil des politischen Bewusstseins der Arbeiter*innenklasse. Die Massenorganisationen der Zweiten Internationale und die später von der Dritten Internationale gegründeten Organisationen haben jedoch die Welt nicht verändert.

Es ist wichtig, dass wir unsere Kader in der Methode des Marxismus schulen und diese auf eine neue Welt anwenden. Mehr als je zuvor ist die routinemäßige Wiederholung von Formeln für diese Zeit nicht geeignet. Wir sollten bewusst jede konservative Wiederholung von Formeln hinterfragen, die nicht mehr ausreichend den Entwicklungen und Aufgaben entsprechen. Gleichzeitig sollten wir uns der Gefahren übermäßig abstrakter, vager Vorstellungen von der Notwendigkeit „etwas Neues“ bewusst sein, die aus falschen Vorstellungen von Konservatismus resultieren – nicht zuletzt unter dem Einfluss bürgerlicher und kleinbürgerlicher ideologischer Zwänge. Wenn wir all diese wichtigen Aufgaben vor denen wir stehen miteinander verbinden, können wir zuversichtlich sein, dass das CWI im Kampf um den Aufbau einer revolutionären sozialistischen Internationale, die ein unverzichtbares Instrument für den Weltsozialismus ist, Schritte und Sprünge nach vorn machen kann.