
Großer Schritt vorwärts für die Solidaritätsbewegung in Deutschland
Am 27. September waren circa 100.000 Menschen in Berlin in Solidarität mit den Menschen in Gaza auf der Straße. Das ist der bisher größte Protest gegen den genozidalen Krieg der israelischen Regierung und könnte einen positiven Wendepunkt in der Solidaritätsbewegung in Deutschland bedeuten. Als Sol haben wir zum Protest aufgerufen und uns bundesweit an der Demo beteiligt.
Von Chiara Stenger, Berlin
Nach größeren Demonstrationen im Sommer 2025 mit über 50.000 Menschen im Juni in Berlin und im August in Frankfurt hat die palästina-solidarische Bewegung am Wochenende ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Bei der “Zusammen für Gaza” Demonstration und der “All eyes on Gaza” Kundgebung im Anschluss waren Schätzungen der Veranstalter*innen zufolge bis zu 100.000 Menschen auf der Straße. Diese kamen nicht nur aus Berlin, sondern viele sind mit Bussen aus ganz Deutschland angereist. Als Sol waren wir mit fast 60 Genoss*innen aus neun Städten gemeinsam auf der Demonstration. Wir konnten über 320 Zeitungen verkaufen, viele Gespräche führen und Dutzende Menschen aus ganz Deutschland kennenlernen, die Interesse an unserer Organisation haben.


Großer Schritt nach vorn
Hintergrund dieser massenhaften Mobilisierung ist, dass bundesweit mobilisiert wurde, dieser Termin als zentraler Termin (statt vielen zerstreuten kleinen Protesten) galt, aber auch, dass immer mehr Menschen die Notwendigkeit sehen, gegen das Vorgehen der israelischen Regierung und das Leid der Palästinenser*innen zu demonstrieren. Hintergrund dessen ist auch, dass immer Weniger auf die falsche Behauptung reinfallen, dass Kritik am israelischen Staat antisemitisch sei. Gleichzeitig war es von großer Bedeutung, dass Die Linke zu dem Protest aufgerufen und bundesweit mobilisiert hat. Das wäre viel früher nötig gewesen und ist ein Ausdruck von externem wie internem Druck, Solidarität mit den Menschen in Gaza auf die Straße zu tragen.
Genauso bedeutsam war, dass die GEW Berlin und die Berliner Krankenhausbewegung, mit aufriefen. Das sollten Gerwerkschafter*innen zum Anlass nehmen, auch in ihren Betrieben und Gewerkschaftsgliederungen eine Positionierung in Solidarität mit den Palästinenser*innen einzufordern.
Damit war diese Demonstration ein großer Schritt vorwärts für die Bewegung. Auch die mediale Hetze und Polizeirepression der letzten zwei Jahre hat Menschen nicht abgehalten, massenhaft zu demonstrieren. Viele waren zum ersten Mal auf der Straße und die Aufgabe ist nun, sie wieder zu mobilisieren und eine Perspektive für kollektiven Widerstand aufzubauen. Gleichzeitig waren neben vielen Aktivist*innen der Linken und der Linksjugend auch viele Aktivist*innen aus der palästinensischen Community sowie internationale Gruppen, Diaspora Gruppen, Gewerkschafter*innen und Jugendliche auf der Straße. Damit ist es gelungen, eine breite Mobilisierung zu erreichen und durch den Massencharakter polizeiliche Repression zu erschweren. Es gab wohl einige dutzend Festnahmen, doch im Vergleich zu der Polizeigewalt bei den meisten Palästina-solidarischen Protesten der letzten zwei Jahre und in Relation zur Anzahl der Teilnehmenden waren diese gering. Das zeigt, dass durch massenhaften Protest Repression und Einschüchterung schwierig bis unmöglich werden können.
Spaltung hat kaum gewirkt
Positiv ist, dass die beiden parallel stattfindenden Proteste in Düsseldorf (12.000 Teilnehmende) und in Berlin am Moritzplatz (1500 Teilnehmende), der großen Mobilisierung, keinen Abbruch getan haben und auch die Boykottaufrufe offenbar kaum Wirkung hatten. Eine Spaltung der Bewegung wird die Befreiung der Palästinenser*innen nicht voranbringen, im Gegenteil. Einige der von den Initiator*innen der alternativen Demos zum Teil erhobenen Vorwürfe, wie bspw., dass die Massendemo eine “Normalisierung des Genozids” bedeuten würde, sind nicht nachvollziehbar. Andere Kritik war zwar in Teilen berechtigt, aber es ist falsch, die Bewegung daran zu spalten. Stattdessen wäre es sinnvoller, mit den Zehntausenden vor Ort zu diskutieren, anstatt eine eigene, isolierte Boykott-Veranstaltung zu organisieren. Die Polizei nutzte die Situation des vergleichsweise kleinen Protests am Moritzplatz aus und es kam zu schrecklicher Polizeigewalt, bis die Veranstaltung schließlich aufgelöst wurde. Wir sind solidarisch mit allen Betroffenen von polizeilicher Repression, unabhängig von unserer Kritik an dem alternativen Aufruf.
Künftig wird die Gefahr von Polizeirepression vor allem durch Massenmobilisierungen verhindert werden können. So können Menschen, die Sorge vor Gewalt und Repression haben, bspw. auch aufgrund eines unsicheren Aufenthaltstitels, sich sicherer fühlen, an Solidaritäts-Protesten teilzunehmen. Nur so kann die Bewegung groß werden und den Druck auf die Gewerkschaftsführungen weiter erhöhen, sich daran zu beteiligen. Eine solche breite, große Bewegung wiederum ist der notwendige Hebel, um die Bundesregierung weiter unter Druck zu setzen.

Bewegung weiter aufbauen
An den Erfolg von Samstag gilt es nun anzuknüpfen. Die Linke und Gewerkschaften stehen in der Verantwortung, dass es nicht bei diesem einmaligen großen Protest bleibt. Wie wir als Sol auf der Demo riefen: “If we strike like in Italy, Palestine will be free” [Wenn wir streiken wie in Italien, wird Palästina frei sein]. Natürlich reicht das alleine zwar noch nicht aus, zeigt aber die nötige Richtung an: nur durch massive Proteste und kollektiven Widerstand und vor allem Streiks kann die Unterstützung der deutschen Regierung des genozidalen Krieges durch Waffenlieferungen beendet werden.
Es ist klar, dass nur die palästinensischen Massen selbst ihre Befreiung erkämpfen können, dies können wir jedoch durch breite Arbeiter*innensolidarität international unterstützen und voranbringen. Wenn Streiks wie in Italien gleichzeitig europaweit stattfinden würden, könnte eine solche Bewegung entstehen, getragen von der Arbeiter*innenklasse international, um das Leid in Gaza zu beenden und wirkliche Befreiung und Selbstbestimmung der armen und arbeitenden Massen im Nahen Osten zu erreichen.
In den DGB Gewerkschaften müsste jetzt die Diskussion weitergeführt werden, welche Rolle sie für ein Ende des Krieges und der Waffenlieferungen spielen können. Der Blick nach Italien kann dabei eine entscheidende Inspiration sein.







