„Nur durch Organisierung kann man Mieterhöhungen verhindern“

Interview zum Widerstand von Mieter*innen in Frankfurt am Main mit Peter Feldmann

In Frankfurt am Main wird in Kürze ein neuer Mieter*innenrat gegründet. Was genau ist darunter zu verstehen?

Mieter*innenrat meint hier einen basisdemokratischen Zusammenschluss von direkt gewählten Personen, die sich nicht nur gegen die drohenden Mieterhöhungen – vor allem bei der Nassauischen Heimstätte – einsetzen. In Frankfurt ist es schon der zweite Mieter*innenrat. Daneben hat sich ein breites Bündnis und eine Koordinierungsgruppe für die Kampagne zur Verteidigung des Mietpreisstopps gebildet. Mittlerweile konnten wir auch Bereichsvorstände von ver.di, IG Metall, GEW, den AStA der Goethe-Uni, die Initiative „Stadt für alle“, Nachbarschaftsinitiativen und die Mietergewerkschaft für die Sache gewinnen.

Vor allem die Mieter*innen der Nassauischen Heimstätten/Wohnstadt (NHW) sind im Aufruhr. Was sind die NH für eine Wohnungsgesellschaft?

Die Nassauische Heimstätte/Wohnstadt (NHW) ist eigentlich in öffentlicher Hand. Sie gehört zu 61,4 Prozent dem Land Hessen und zu 34,7 Prozent der Stadt Frankfurt am Main. In Frankfurt besitzt sie mehr als 16.000 Wohnungen. Insgesamt gehören der NHW zusammen mit der nordhessischen Gesellschaft Wohnstadt mehr als 60.000 Wohnungen. Die NHW agiert dabei mehr und mehr wie ein privates Unternehmen – ohne das Gemeinwohl zu bedenken. Im vergangenen Jahr hat sie einen Bilanzgewinn von fast 34,7 Millionen Euro erwirtschaftet. Damit hat sie ihr Ergebnis im Vergleich zum Jahr 2023 um rund 15,4 Millionen Euro verbessert. Und trotz des satten Gewinns sollen die Mieterinnen und Mieter mehr zahlen.

Die Mieter*innen wehren sich gegen erhöhte Nebenkostenabrechnungen und die Aufhebung eines seit 2019 bestehenden so genannten „Mietpreisstopps“. Kannst Du das bitte erläutern?

Der 2018/19 durchgesetzte Mietpreisstopp hatte ursprünglich die Mieterhöhungen auf ein Prozent pro Jahr gedeckelt. Das sind fünf Prozent in fünf Jahren. Das war ein Kompromiss, dem Initiativen und Gewerkschaften damals zugestimmt haben. Jetzt kommt aber die Geschäftsführung der NHW um die Ecke und, verkündet trotz riesiger Bilanzgewinne unabgesprochene Modernisierungskosten und eine sogenannte „Neue Mietenstrategie“ mit Erhöhungsmöglichkeiten von bis zu zehn Prozent. Aber dies kann man hoffentlich verhindern: Die Mieterinnen und Mieter der NHW sind sauer – und kampferfahren. Sie haben den Verkauf der Siedlungen im Jahr 2012 fast flächendeckend verhindert. Sie haben 2018 den Mietpreisstopp durchgesetzt und sogar dafür gesorgt, dass ein „Hochhausjunge“ wie ich erneut Oberbürgermeister in Frankfurt werden konnte. Innerhalb weniger Wochen konnten jetzt fast eintausend Unterschriften gesammelt werden. Und es werden Siedlung für Siedlung Mehrheiten für den Erhalt des Mietpreisstopp organisiert und Menschen für Mieter*innenräte geworben. Nur durch Organisierung kann man immer weitere Erhöhungen verhindern.

Mietpreisstopp ist ja ein etwas in die Irre führender Begriff, wenn im Fall der öffentlich-rechtlichen Wohnungsgesellschaften eine Steigerung um ein Prozent pro Jahr möglich ist und bei den NHW-Mieter*innen mit einem Jahresgehalt über 84.000 Euro davon ausgenommen sind. Müssten die Mieten nicht eigentlich sinken?

Na klar! Trotzdem ist es ein mutmachender Teilerfolg, dass gerade in diesem Monat bei der Frankfurter Wohnungsgesellschaft ABG (mit 50.000 bis 60.000 Wohnungen in der Stadt) ein kompletter Mietpreisstopp (ohne Einkommensdifferenzierung) für alle Mieter verlängert wurde. Für diesen hat das Bündnis für den Mietenstopp parallel gekämpft…..Damit haben wir, ehrlich gesagt, gar nicht gerechnet, aber es gibt uns den nötigen Schub für die Fortsetzung des Kampfes bei der NHW.

Wie könnten denn Mietsenkungen erreicht werden?

Eine Möglichkeit ist die Ausweitung unserer Kampagne. Und zwar nicht nur zu fordern, den Frankfurter Koalitionsvertrag einzuhalten: Hier ist festgelegt, dass öffentlich-rechtliche Mieten auf die Höhe des ggf. den Mieterinnen und Mietern zustehenden Betrages für Sozial- bzw. Familienwohnungen abgesenkt werden.

Dies gilt allerdings nur, wenn man als Mieterinnen und Mieter ausdrücklich und schriftlich unter Nachweis des Einkommens die Berechtigung für die Sozial- oder Familienförderungsgrenzen nachweist. Nur dann kann man dabei partizipieren. Geworben wird dafür „natürlich“ nicht. Das müsste man aber jedem Haushalt schicken ! Es kann jedoch nur ein erster Schritt sein, da es nur eine Senkung für Teile der Bevölkerung ist.

Demgegenüber fordere ich einen Mietpreisstopp für ALLE und Senken der Mieten weit über den Kreis der Allerärmsten hinaus. Wohnen ist ein Grundrecht !

Im nächsten Jahr sind Kommunalwahlen in Frankfurt am Main. Du arbeitest mit der Linkspartei zusammen, bist aber parteilos. Was erwartest Du von einer linken Kommunalwahlpolitik?

Sie muss Grundbedürfnisse wie das Recht auf Wohnen aufgreifen .Dann muss sie Forderungen aus der Bevölkerung stellen : Umwandlung von Büroraum in Wohnraum, Leerstandsverbot und Baugebot auf den ausgewiesenen Flächen mit preiswerten Wohnraum, um nur einige Themen zu nennen. Das Arbeiten im Nachbarschaftlichen Feld und in der kommunalen Ebene bietet die Möglichkeit Klassensolidarität zu erfahren und zu üben.

Da für das Leben der Menschen wichtige Dinge ( z.B.Kinderbetreuung und Schulausstattung) in den Kommunen entschieden werden, sind sie ein wichtiges Feld des Klassenkampfes.Sie sind die zweite Säule der politischen Verankerung neben den Betrieben.

Die Situation in den Städten ist sehr unterschiedlich-je nach deren Finanzsituation z.B.bei den Gewerbesteuern. Die Forderungen nach bedarfsgerechten Haushalten ist zentral. Einheitliche Steuersätze, um Unterbietungswettbewerbe der Kommunen untereinander zu verhindern sind -neben einer Gemeindefinanzreform – dabei ein richtiger Weg. Der Anteil der Kommunen an den Gesamtsteuereinnahmen muss erhöht werden, um zum Bespiel mehr Mittel für den Wohnungsbau durchzusetzen .

Das wird nur konfrontativ – durch eine „ Kommunale Einheitsfront“ – gegen die nationalen Regierungen möglich sein. Kollektive Verweigerung der Annahme neuer „kommunaler Pflichten“ und massenhafte Beschlüsse über „ungedeckte Haushalte“ der Kommunen in enger Absprache mit den Gewerkschaften könnten diese richtige Diskussion auslösen. Letztendlich braucht es aber auch eine andere Gesellschaftsordnung, die die einfachen Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Mir ist es jedenfalls wichtig, dass man sich als Sozialist vor dem Hintergrund knapper kommunaler Kassen auf soziale Kernthemen/ Klassenfragen und die soziale Gerechtigkeit konzentriert. Gleichzeitig können erste Stufen direkter Demokratie und Selbstorganisation aufgebaut werden.

Die mittelfristige Forderung nach kommunaler Rätedemokratie und die Fokussierung der Eigentumsfrage sind dabei wesentlich. Die privaten Großkonzerne im Wohnungsbereich sind die aggressivste Axt am „Grundrecht auf Wohnen“und gehören als erste in kommunalisiertes Eigentum überführt.

Peter Feldmann ist ehemaliger Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main. Heute ist er parteilos, aktiv unter anderem in der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Mieter*innenbewegung in Frankfurt am Main.