Wie weiter für Die Linke?

Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Sozialistische Opposition statt Anpassung

Die Linke ist zurück. Seit dem Comeback bei der Bundestagswahl liegt sie in Meinungsumfragen zwischen neun und elf Prozent. Die Mitgliedschaft wächst, wenn auch in geringerem Tempo, weiter und hat 120.000 erreicht. Viele der neuen Mitglieder sind aktiv geworden, haben neue Ortsverbände und Arbeitsgruppen gebildet. Die Partei ist eine andere geworden. Welche Herausforderungen stellen sich und was sind die Vorschläge der Sol für den Aufbau der Partei?

Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher und Mitglied der Linken in Berlin-Neukölln

Linke-Bundestagsabgeordnete werden wegen Palästina-Solidarität aus dem Plenarsaal des Bundestags geworfen. Bodo Ramelow bezeichnet den Hinweis auf die toten Kinder in Gaza und das Engagement einer jungen Aktivistin als „Hamas-Scheiße“. Die Linke organisiert im ganzen Land Busse zur Anreise zur größten palästina-solidarischen Demonstration in der Geschichte Deutschlands am 27.9.. Teile der Linkspartei demonstrieren an diesem Tag gegen genau diese Demo. Die Linke stimmt im Bundestag gegen Aufrüstung und Senkung der Körperschaftssteuer. Die Landesregierungen mit Linke-Beteiligung in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern stimmen im Bundesrat dafür. 

Widersprüche

Die Linke steckt voller Widersprüche. Sie hat den Anspruch, eine sozialistische Partei zu sein und macht in ihrer täglichen Politik kaum Vorschläge, die den Rahmen des Kapitalismus in Frage stellen, geschweige denn sprengen würden. Sie will Partei des Klassenkampfs sein und setzt den Fokus weitgehend auf unmittelbare Hilfsangebote und Parlamentarismus. 

Eine breite linke und sozialistische Partei muss Widersprüche und unterschiedliche Ideen aushalten. Es ist gut, dass mit der Linken ein Angebot besteht, dass sowohl Aktive aus unterschiedlichen linken Traditionen zusammenbringen, vor allem aber auch ein Angebot für die Millionen Arbeitenden und Jugendlichen sein kann, sich politisch für ihre Klasseninteressen einzusetzen. Wenn die Widersprüche aber zu weit gehen und den sozialistischen und klassenpolitischen Anspruch ad absurdum führen, dann läuft Die Linke Gefahr, dass der Aufschwung des letzten Jahres von kurzer Dauer sein und die nächste Krise bevorstehen wird. Die vielen neuen Mitglieder sind oft unerfahren und bringen viele unterschiedliche Ideen mit, es ist aber eine positive Entwicklung, dass ein Teil von ihnen die Widersprüche in der Partei wahrnimmt und sich gegenüber der Parteirechten kritisch positioniert. 

Sozialistisches Programm

Die wichtigste Frage ist die der Regierungsbeteiligung mit pro-kapitalistischen Parteien wie SPD und Grünen. Alle Erfahrungen zeigen, dass Die Linke in solchen Koalitionen die kapitalistischen Missstände nur verwaltet und keinen sozialistischen Politikwechsel durchsetzen kann. „Rebellisches Regieren“ ist eine Illusion. Die Politik der Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zeigt das. Die Frage wird im kommenden Jahr besonders angesichts der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, bei denen Die Linke stärkste Kraft werden könnte, akut. Sol-Mitglieder treten dafür ein, dass Die Linke offensiv ein sozialistisches Regierungsprogramm propagiert, das nicht nur weitgehende Verbesserungen wie eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich im öffentlichen Dienst, die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen und Co. enteignen, die Rücknahme aller Privatisierungen und Kürzungen der letzten Jahre, Investitionen in Bildung und Gesundheit, ein Ende von Abschiebungen etc. beinhaltet, sondern auch zum massenhaften Widerstand gegen die Bundesregierung und den Kapitalismus aufruft, sowie eine Demokratisierung der Stadtgesellschaft durch die Einführung von Bezirks- und Gewerkschaftsversammlungen, welche dem Senat verbindliche Aufträge zur Regierungspolitik geben könnten, vorsieht. Das wäre ein Programm für einen sozialistischen Senat, der sich in den Dienst der Klassenkämpfe und an deren Spitze stellt, ein wirklicher Bruch mit dem kapitalistischen Establishment und eine Kampfansage an die AfD. Jede*r weiß, dass SPD und Grüne sich von einem solchen antikapitalistischen Kampfaufruf sofort distanzieren würden und eine Regierungsbeteiligung vom Tisch wäre – und trotzdem könnte Die Linke offensiv erklären, dass sie bereit ist, für ein solches Programm zu regieren.

Palästina-Solidarität 

Es muss Schluss sein mit der Relativierung der israelischen Kriegsverbrechen und der Entsolidarisierung mit der palästinensischen Bevölkerung von Teilen der Partei. Diejenigen, die immer noch zionistische Positionen vertreten und sich an der Gleichsetzung von Palästina-Solidarität mit Hamas-Unterstützung beteiligen müssen zurückgepfiffen und Maßnahmen gegen sie ergriffen werden. Die massenhafte Palästina-Solidarität ist eine linke und internationalistische Bewegung, wie das Meer von roten Fahnen am 27.9. zeigte. 

Klassenkampf statt Anpassung

Die AfD wird nur dadurch gestoppt werden, dass eine starke, massenhafte sozialistische Arbeiter*innenpartei aufgebaut wird, die Teile der AfD-Wähler*innen gewinnen kann, weil sie überzeugender das kapitalistische Establishment bekämpft und reale Kämpfe organisiert. Dazu kann Die Linke einen entscheidenden Beitrag leisten. Doch nicht, indem sie sich an die Parteien des bürgerlichen Establishments anbiedert, CDU-Ministerpräsidenten ins Amt verhilft und der arbeiter*innenfeindlichen Bundesregierung im Bundestag aus der Patsche hilft, wenn diese auf die Stimmen der Linke-Abgeordneten angewiesen ist, um eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu bekommen, in der Hoffnung dann von den Etablierten mehr anerkannt zu werden. 

Diese Debatten müssen nun in der Breite der Mitgliedschaft geführt werden. Sol-Mitglieder werden daran teilnehmen und sich für konsequent sozialistische Positionen einsetzen.