Steuern wir auf einen Crash zu?
„Derzeit gibt es genügend Blasen, die innerhalb eines Jahres platzen werden. Wenn sie platzen, werden sie erhebliche wirtschaftliche Störungen verursachen. Die Folgen werden nicht zu einer Krise wie 1929 führen und auch nicht dem Dotcom-Crash von 2001 ähneln. Vielmehr wird es eher wie die Immobilienkrise von 2008 sein.“
Dies war die jüngste Prognose von David Roche, ehemaliger Strategieleiter bei den US-Finanzriesen JP Morgan und Morgan Stanley, in einem Artikel mit dem Titel „Ein Crash steht bevor”.
Von Phil Stott, Socialist Party Scotland (CWI Scotland)
Roches Analyse ist typisch für eine wachsende Gruppe der weitsichtigeren Verfechter*innen des Kapitalismus, die auf die Schwachstellen der globalen kapitalistischen Wirtschaft hinweisen – insbesondere auf die riesigen Blasen, die sich auf dem privaten Kreditmarkt, bei den Staatsschulden und bei KI-Investitionen gebildet haben. Wenn eine oder alle dieser Blasen platzen, könnte dies die Weltwirtschaft in eine neue Rezession oder sogar in einen Absturz manövrieren.
Was ist also los – und warum? Der Zusammenbruch des US-amerikanischen Autoteilezulieferers First Brands und des Subprime-Autokreditgebers Tricolor im September war ein Anzeichen für zunehmende Probleme auf den privaten Kreditmärkten. Jamie Dimon, Vorstandsvorsitzender von JP Morgan, äußerte seine Besorgnis: „Wenn solche Dinge passieren, werde ich hellhörig. Ich sollte das wahrscheinlich nicht sagen, aber wenn man eine Kakerlake sieht, gibt es wahrscheinlich noch mehr. Daher sollten alle an dieser Stelle gewarnt sein.“
Auch der jüngste Global Financial Stability Review des Internationalen Währungsfonds hat dieses Problem hervorgehoben. Die geschäftsführende Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, sagte, dass sie dieses Thema nachts wach halte.
Auf der Jahrestagung des IWF in Washington, DC, erklärte sie, der Fonds sei besorgt über die „sehr deutliche Verlagerung der Finanzierung“ vom Bankensektor zu Nichtbanken-Finanzinstituten (NBFIs). Diese NBFIs unterliegen nicht denselben strengen Vorschriften wie Banken, betonte sie, was bedeute, dass die Welt in eine „schwierige Lage“ geraten könnte, wenn der private Kreditsektor weiter deutlich wächst, während die Weltwirtschaft schwächelt.
Der Gouverneur der Bank of England, Andrew Bailey, warnte: „Wir sehen beispielsweise bereits erste Anzeichen für das, was früher als ‚Slicing and Dicing‘ und ‚Tranching‘ von Kreditstrukturen bezeichnet wurde – und wenn man vor der Finanzkrise damit zu tun hatte, dann läuten an diesem Punkt die Alarmglocken.“
Mit anderen Worten: Wir beobachten ähnliche Praktiken wie diejenigen, die 2008 zum Zusammenbruch des Subprime-Hypothekenmarktes geführt haben. Damals wurden Hypothekenschulden gebündelt und neu verpackt und als AAA-Anlagen an Finanzinstitute und Investoren verkauft – erwiesen sich jedoch als wertlos, als der US-Immobilienmarkt zusammenbrach.
Die Folgen dieses Casino-Kapitalismus führten allein in den USA zum Verlust von acht Millionen Arbeitsplätzen und zu einer fast zweijährigen wirtschaftlichen Rezession. Kapitalistische Regierungen, darunter die der USA und Großbritanniens, waren gezwungen, große Finanzinstitute zu verstaatlichen, um deren Liquidation zu verhindern. Es folgten staatliche Interventionen und quantitative Lockerungen in Höhe von Hunderten von Milliarden, um „das System zu retten“. Es folgte ein Jahrzehnt oder mehr der Sparpolitik, in dem dieselben Regierungen die Arbeiter*innenklasse für die Krise bezahlen ließen.
Seit der Krise von 2008 haben sich private Kreditmärkte zu einer wichtigen Finanzierungsquelle für Unternehmen entwickelt, da sich traditionelle Banken zurückgezogen haben. Im Fall von Tricolor und First Brands nutzten beide Unternehmen forderungsbesicherte Schuldtitel und gebündelte Kredite an Kreditnehmer mit geringer oder keiner Bonität, teilten diese in Tranchen auf und verkauften sie an Investoren.
Die Geschichte wiederholt sich also – nur auf noch gefährlichere Weise. Tatsächlich sind auch „traditionelle“ Banken tief in Nichtbanken-Kreditmärkte verstrickt. Laut Roche haben Banken etwa 10 Prozent ihrer Kreditportfolios an Intermediäre verliehen, die private Nichtbankenkredite vergeben. Der Schattenbankensektor ist mittlerweile „in Europa (3,8-faches BIP) größer als in den USA (3,1-faches BIP)“.
Roche fährt fort: „Selbst ein Verlust von 20 Prozent bei europäischen Nichtbankenkrediten … würde zu einem Nettoverlust von 5 Billionen US-Dollar führen. Das entspricht der Größe der deutschen Wirtschaft. Die Zahl für die USA würde sich auf 7 Billionen US-Dollar belaufen, was 24 Prozent des US-BIP entspricht – das entspricht dem kombinierten BIP Frankreichs und Italiens.“
Schlimm genug? Diejenigen, die den Kapitalismus als das bestmögliche System zur Organisation der Welt preisen, sagen noch schlimmeres voraus.
KI Blase
Als nächstes kommt die KI-Blase, die gigantische Ausmaße annimmt. Das in KI investierte Kapital – vor allem von US-amerikanischen Tech-Giganten wie Google, Meta, Amazon und Microsoft – ist so hoch, dass es niemals eine rentable Rendite erzielen kann.
„KI-Investitionen machten im vergangenen Jahr 40 Prozent aller US-Investitionen in Sachanlagen (ohne Bauwesen) aus, trugen jedoch nur 0,5 Prozent zum BIP-Wachstum bei. Für dieses Jahr wird ein Rückgang auf 0,2 Prozent prognostiziert. Schlimmer noch: Für 2025 wird ein Rückgang der US-Investitionen in Sachanlagen (ohne KI und andere IT) um 3 bis 5 Prozent erwartet.“
Allein in den USA werden die jährlichen Investitionen in KI bis 2025 voraussichtlich 1,5 Billionen US-Dollar erreichen. Ein aktueller Bericht des Massachusetts Institute of Technology hat ergeben, dass 95 Prozent der Unternehmen, die in generative KI investieren, bislang noch keine finanziellen Erträge erzielt haben. Sam Altman, CEO von Chat GPT OpenAI, warnte, dass einige Unternehmensbewertungen „wahnsinnig” seien.
Der unvermeidliche Crash wird verheerende Auswirkungen haben, da die Kapitalanlagemärkte, der Aktienmarkt, die großen Technologieunternehmen und die Arbeitsplätze von Millionen von Beschäftigten miteinander verflochten sind. Mit den Worten von Stephen Roche: „Die heute involvierten Summen stellen die meisten früheren Kreditblasen in den Schatten und durchdringen die Realwirtschaft tief und allgegenwärtig wie Arterien.“ Und wie Arterien können sie – wenn sie beschädigt oder erkrankt sind – zu Herzinfarkten, Schlaganfällen oder anderen katastrophalen Ereignissen führen.
Amazon beschäftigt in den USA 1,2 Millionen Mitarbeiter*innen. Durch den Einsatz von KI und Robotik will das Unternehmen bis 2033 600.000 Stellen abbauen und die derzeitige Beschäftigtenzahl reduzieren, indem es ausscheidende oder in den Ruhestand tretende Mitarbeiter*innen nicht ersetzt. Mit anderen Worten: Kapitalist*innen nutzen KI, um mit weniger Beschäftigten ihre Gewinnmargen zu steigern. Marx hätte zu der Realisierbarkeit dieses Vorhabens sicherlich einiges zu sagen, da die menschliche Arbeitskraft die wichtigste Quelle für Mehrwert ist.
Volatilität an den Aktienmärkten
Eine „Marktkorrektur“ – oder ein Crash – wird, wenn sie kommt, brutal sein. Sowohl in Europa als auch in den USA nehmen die Unternehmensinsolvenzen bereits zu. In Britannien haben die Insolvenzen in den letzten zwei Jahren den höchsten Stand seit 30 Jahren erreicht.
„Fragilitätsereignisse“ – also starke Schwankungen der Aktienkurse von Unternehmen – nehmen in den USA dramatisch zu.
Einzelne Aktien haben in diesem Jahr bisher 119 Mal an einem einzigen Tag mehr als 100 Milliarden Dollar an Marktwert gewonnen oder verloren – das ist der höchste jemals verzeichnete Jahreswert. Diese Volatilität wird laut Goldman Sachs durch Derivate angetrieben, da Privatanleger*innen und Hedgefonds sich auf kurzfristige Wetten auf einzelne Aktien stürzen.
Die Volatilität der Technologiegiganten Meta, Alphabet, Microsoft, Apple und Amazon, deren Gesamtwert sich auf 15 Billionen US-Dollar beläuft und die mit der KI-Blase verflochten sind, könnte ein Vorbote einer enormen Finanzkrise sein, wenn Investmentfonds beginnen, sich von diesen Aktien abzuwenden.
Auch die Staatsverschuldung ist eine weitere Belastung für die Weltwirtschaft. Die Schuldenquote der Industrieländer wird in diesem Jahr 95 Prozent erreichen und könnte bis zum Ende des Jahrzehnts auf 123 Prozent steigen. Nach Angaben des IWF wird die Schuldenquote der USA bis zum Ende des Jahrzehnts um 20 Prozent auf 143 Prozent steigen – und damit die bisherigen Rekordwerte nach der Pandemie übertreffen und die Schuldenlast Italiens und Griechenlands übersteigen.
Dies spiegelt auch den gravierenden Niedergang des US-Kapitalismus wider, der sich seit der großen Rezession von 2008 beschleunigt hat. Die Wahl Trumps im November 2024 und der Aufstieg des wirtschaftlichen Nationalismus und Protektionismus sind Ausdruck dieser Krise, die zu einer Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der amerikanischen Arbeiter*innenklasse und Mittelschicht geführt hat.
Die zunehmende Verwendung von Schulden zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der kapitalistischen Wirtschaft – und die Umschichtung von Schulden durch komplexe Finanzinstrumente – ist ein sicheres Zeichen für eine Wirtschaft, die sich in einer Krise befindet.
Angesichts des allgemeinen Niedergangs wenden sich kapitalistische Regierungen zunehmend an den Staat, um Hilfe zu erhalten. Dies war 2008 mit Rettungsaktionen und QE-Programmen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, eindeutig der Fall. Aber das hat sich nicht geändert. Selbst Trump setzt auf eine Form der staatlichen Intervention, darunter Zölle und Direktinvestitionen durch staatliche Beteiligungen an privaten Unternehmen wie Intel oder dem Seltenerdmetallproduzenten MP Materials.
Trumps Einsatz von Zöllen hat ebenfalls zur Destabilisierung und Krisentendenzen der Weltwirtschaft beigetragen. Mit einem durchschnittlichen Zollsatz für den Handel mit den USA von derzeit rund 18,6 Prozent – dem höchsten seit den 1930er Jahren – werden die Kosten zunehmend von den Beschäftigten in den USA und international durch Arbeitsplatzverluste und höhere Inflation getragen.
Konflikt zwischen USA und China
Aber es ist der Konflikt mit China, der das strategische Denken der USA zumindest in den letzten vier Präsidentschaften dominiert hat. „Amerika muss sehr, sehr stark sein, um die globale Sicherheit zu gewährleisten“, erklärte der Vorstandsvorsitzende von JPMorgan Chase und stellte die neue „Security and Resiliency Initiative“ der Bank vor – einen 1,5 Billionen Dollar schweren Zehnjahresplan zur Unterstützung kritischer US-Industrien in den Bereichen fortschrittliche Fertigung, Verteidigung, Quantencomputing und Batteriespeicherung.
Da China in Technologien wie Elektrofahrzeugen, erneuerbaren Energien, Halbleitern, KI, Robotik und militärischen Anwendungen rasante Fortschritte in der Wertschöpfungskette der Produktion macht, war Trump gezwungen, Kompromisse mit dem Regime der Kommunistischen Partei Chinas einzugehen.
Das jüngste Abkommen mit China – eine vorübergehende Vereinbarung zur Beilegung des Streits um Seltene Erden und Mineralien, bei denen China eine dominierende Rolle spielt – war für globale Hersteller von hochentwickelten Halbleitern und Militärtechnologie von entscheidender Bedeutung. Der Konflikt zwischen den beiden Mächten wird zu einer neuen kapitalistischen Krise beitragen und durch diese noch verschärft werden.
Es gibt kein Zurück mehr zu der Ära, in der der US-Imperialismus nach dem Zusammenbruch des Stalinismus 1990–91 die einzige dominierende Weltmacht war. Das CWI weist seit langem auf die Entstehung einer multipolaren Welt hin, mit den dominierenden Mächten USA als rückläufiger, aber immer noch mächtiger Macht, und China als aufstrebender Macht.
Das Ende der kapitalistischen Globalisierung hat – in dieser Ära der Stagnation und des Niedergangs des Weltkapitalismus – einer zunehmend zersplitterten Weltordnung Platz gemacht, in der eine Politik des „Ruiniere deinen Nachbarn“ sowie interregionale und nationale Konflikte mit aller Macht vorangetrieben werden.
Es sind die Arbeiter*innenklasse und die Armen weltweit, die die Hauptopfer dieses kapitalistischen Chaos sind. Und es ist dieselbe Arbeiter*innenklasse, von der erwartet wird, dass sie den Preis für diese neuen Krisen zahlt, die jederzeit ausbrechen können.
Die Arbeiter*innenklasse lernt jedoch aus Erfahrung. So wie die Krise von 2008 Massenkämpfe der Arbeiter*innenklasse und das Aufkommen linker Parteien und Figuren – von Corbyn bis Sanders, von Podemos bis Syriza – nach sich zog, so wird auch diese neue Krise den Boden für neue politische Entwicklungen bereiten.
Dieses Mal können sozialistische Ideen als Massenphänomen entstehen. Die Vision, den verrotteten Kapitalismus durch demokratische sozialistische Planung zu ersetzen, wird Massenanziehungskraft haben. Kollektive Eigentumsverhältnisse und demokratische Kontrolle und Verwaltung der weltweiten Ressourcen durch die Arbeiter*innen – um Armut, Ungleichheit und Unterdrückung zu beenden – werden Millionen Menschen hinter sich versammeln. Die Herrschaft der Milliardäre und Superreichen zu beenden und durch die Herrschaft der Mehrheit – der Arbeiter*innenklasse – zu ersetzen, ist die Zukunft, für die wir kämpfen müssen.