Gegen rechts hilft nur links!

Welche Strategie gegen die AfD?

Die Umfrageergebnisse der AfD sind besorgniserregend. In Sachsen-Anhalt, wo im September 2026 Landtagswahl sein soll, kam sie im August 2025 auf vierzig Prozent. Je nachdem, wie viele Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, kann ein Ergebnis in dieser Größenordnung für die absolute Mehrheit der Landtagssitze ausreichen. Was ist zu tun?

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

In der Partei Die Linke hört man immer wieder: „Gegen rechts hilft nur links!“ Aber es scheint, dass manche, die das sagen, gar nicht verstehen, wie sehr das stimmt.

Offensichtlich sind die etablierten bürgerlichen Parteien unfähig, der AfD das Wasser abzugraben. Zwar erklärt Merz die AfD zur Hauptgegnerin, aber ihn stört vor allem die außenpolitische Orientierung der AfD und ihre Anti-Establishment-Rhetorik. Da Merz und das gesamte kapitalistische Establishment vorhaben, weiterhin gegen die Masse der Bevölkerung Politik zu machen, werden sie damit der AfD helfen. Gleichzeitig betreiben sie teilweise ähnliche Hetze wie die AfD. Die “Stadtbild“-Äußerung von Merz ist nur eins von vielen Beispielen

Droht ein neues 1933?

Vor diesem Hintergrund sind wachsende Ängste in der Bevölkerung und besonders unter linken Aktivist*innen verständlich. Aber wir sollten uns von der Angst nicht blind machen lassen. Der Faschismus der 1920er/30er Jahre war eine militante und terroristische Massenbewegung, vor allem von Kleinbürger*innen, die durch die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Weltwirtschaftskrise in Verzweiflung und Raserei getrieben wurden. Sie wurde von der kapitalistischen herrschenden Klasse an die Macht gebracht, um die Arbeiter*innenbewegung zu zerstören, alle (auch gemäßigte, unpolitische) Arbeiter*innenorganisationen zu zerschlagen und die Arbeiter*innenklasse zu atomisieren. Der herrschenden Klasse steckte die Russische Revolution von 1917 und die revolutionäre Welle in verschiedenen europäischen Ländern der Jahre 1918 bis 1923 in den Knochen und sie wollten die revolutionäre Bedrohung ein für alle Mal loswerden. Doch die Machtübertragung an die Faschisten hatte zwei, für die Kapitalist*innen ungünstige Folgen: erstens übertrugen sie die politische Macht unkontrollierbaren Kräften, die im Zweifelsfall auch gegen Kapitalinteressen handelten und zweitens verstanden große Teile der Arbeiter*innenklasse, dass der Faschismus eine direkte Folge des Kapitalismus war und zogen antikapitalistische Schlussfolgerungen.

Bonapartismus und autoritärer Staatsumbau

Aus diesem Grund haben die Kapitalist*innen nach 1945 in den Fällen, in denen bürgerliche Demokratien ihren Interessen nicht dienten, eher auf das gesetzt, was Marxist*innen Bonapartismus nennen, auf einen autoritären Umbau des bürgerlichen Staatsapparats, auf Militär- und Polizeidiktaturen, die die Arbeiter*innenbewegung zwar unterdrückten, aber nicht völlig zerschlagen konnten. Gleichzeitig waren faschistische Kräfte nicht mehr stark genug, die Macht selbst zu übernehmen. Stattdessen destabilisierten Patria y Libertad in Chile vor Pinochets Putsch 1973 oder die Grauen Wölfe in der Türkei vor Evrens Putsch 1980 das Land, um dem Militär einen Vorwand zum Putschen zu liefern. In den USA schickt Trump heute ICE und Nationalgarde auf die Jagd auf Migrant*innen hetzt gegen Linke, aber appelliert nicht an die zahlreichen reaktionären Milizen, gegen Migrant*innen und Linke loszuschlagen. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zeigte, dass sie dafür auch viel zu schwach wären. Sie sind wesentlich kleiner und viel weniger schlagkräftig, als es die hierarchische, zentralisierte SA in Deutschland vor 1933 war. 

Weder sind Trumps Präsidentschaft oder die Regierung Meloni faschistische Regime noch stellen die AfD oder andere rechtspopulistische Parteien faschistische Bewegungen dar. Das macht sie aber nicht ungefährlich – gleichzeitig sind sie nicht die einzige Gefahr für die Rechte der Arbeiter*innenklasse. Denn auch die etablierten bürgerlichen Parteien betreiben den Abbau von demokratischen Rechten. Die undemokratische Grundgesetzänderung durch den bereits abgewählten Bundestag im Frühjahr, der Ausbau von Überwachungsmaßnahmen, Polizeigewalt und Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung sind nur einige Beispiele für Deutschland. Maßnahmen, die heute mit dem Kampf gegen die AfD begründet werden, können morgen gegen Linke eingesetzt werden, so wie in Rheinland-Pfalz aus der Nichteinstellung von AfDler*innen in den Staatsdienst eine Liste wurde, auf der auch 18 linke Organisation aufgeführt werden, deren Mitglieder ebenfalls nur nach Einzelfallprüfung in den Staatsdienst aufgenommen werden.

Wenn Linke an den kapitalistischen Staatsapparat appellieren, die AfD zu verbieten und zu beseitigen, leisten sie unbeabsichtigt der Bedrohung für unsere demokratischen Rechte Vorschub. Zugleich helfen sie damit der AfD, die behaupten kann, sie sei DIE Anti-Establishment-Kraft und Die Linke ein Teil des Establishments. Stattdessen sollte Die Linke endlich aufhören, die anderen Parteien anzubetteln, sie doch als demokratische Partei anzuerkennen, und erklären, dass sie die einzige zuverlässige demokratische Partei ist. Wenn die Linke sich den anderen Parteien anbietet, ihnen Mehrheiten zu beschaffen, damit diese keine Mehrheiten bei der AfD holen (auf Landesebene oder wenn im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist), dann macht sie sich erpressbar, auch den größten Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung zuzustimmen. Als noch verheerender haben sich Regierungsbeteiligungen der Linken erwiesen, die immer die Folge hatten, dass die AfD gestärkt wurde, weil dadurch eine linke Alternative zum kapitalistischen Establishment unglaubwürdig wird. Die Linke sollte zwar immer bereit sein, gemeinsam mit anderen für Verbesserungen zu stimmen, aber alle Mitwirkung an Verschlechterungen verweigern. Wenn SPD, CDU/CSU & Co. eine für die AfD akzeptable Politik betreiben, dann sollen sie sich ihre Mehrheit auch bei der AfD holen.

Mit wem gegen die AfD?

Die AfD konnte so stark werden, weil sich immer mehr Menschen aufgrund von asozialen Maßnahmen und arroganter Abgehobenheit von den etablierten pro-kapitalistischen Parteien abgewendet haben. Gleichzeitig ist das Bewusstsein vieler Menschen trotzdem von der herrschenden Propaganda geprägt. Schon Marx und Engels wussten, dass die vorherrschenden Ideen die Ideen der herrschenden Klasse sind, die ungeheure Mittel hat, diese zu verbreiten. Das gilt nicht zuletzt für rassistische Anti-Migrations-Propaganda. Hinzu kommt, dass es keine überzeugende und starke linke Alternative gibt und die Gewerkschaftsführungen nicht die nötigen Kämpfe organisieren, um Verbesserungen durchzusetzen. Trotzdem wird die AfD nur von einer Minderheit unterstützt.

Wir haben nach den Korrektiv-Enthüllungen über die Remigrationsziele der AfD Anfang 2024 Massendemonstrationen gesehen, zu denen meist breite Bündnisse bis hin zur CDU aufriefen und die daher meist die sozialen Ursachen der AfD-Erfolge ausklammerten. Sie konnten die AfD nicht wirksam stoppen, weil man diejenigen Menschen, die sich aus Ablehnung der etablierten Parteien der AfD zuwenden, nicht gemeinsam mit diesen etablierten Parteien von der AfD wegbrechen kann. Bündnisse mit CDU/CSU, SPD und Grünen können die AfD nicht schwächen, sondern höchstens diejenigen mobilisieren, die ohnehin gegen die AfD sind. Um aber zumindest einen Teil der AfD-Wähler*innen von dieser wegzubrechen, müssen sie durch gemeinsame Kämpfe für Verbesserungen und Überzeugungsarbeit, dass die AfD ihre Interessen gar nicht vertritt, erreicht werden.

Die wichtigste Kraft, um Massen gegen die AfD zu mobilisieren, sind deshalb die Gewerkschaften. Dafür sollten sich in den Gewerkschaften aktive Linke für einen klassenkämpferischen Kurs einsetzen. Denn um nicht nur Symptome zu bekämpfen, müssen wir auch die Politik bekämpfen, die die AfD stark macht, konkret die Kürzungspolitik, die gerade auf allen Ebenen betrieben wird.

Wenn Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung etc. gemeinsam gegen Kürzungen kämpfen, ist das auch ein hervorragendes Gegengift gegen die Hetze von AfD & Co. Aber durchgezogen werden diese Kürzungen gerade in Bund, Ländern und Kommunen meist nicht von der AfD, sondern von CDU/CSU, Freien Wähler*innen, SPD, Grünen … Wenn Mitglieder oder Gliederungen von SPD oder Grünen gegen die Kürzungen ihrer eigenen Parteien ernsthaft kämpfen, sollen sie uns willkommen sein. Aber wir dürfen für sie nicht den Kampf gegen Kürzungen spalten, sondern müssen darauf bestehen, alle Kürzungen zulasten der arbeitenden Bevölkerung abzulehnen.

Antifaschistische Wirtschaftspolitik?

In den letzten Monaten kursiert in der Linken das Schlagwort „antifaschistische Wirtschaftspolitik“. Teils wird dabei Inflationsbekämpfung betont. Es ist völlig richtig, dass ein wichtiger Bestandteil eines erfolgreichen Kampfes gegen die AfD ein Kampf gegen die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sein muss, die der AfD die Anhänger*innen zutreiben. Es ist auch richtig, dass steigende Preise oft eine große Rolle bei solchen Wahlerfolgen spielen. Und in jedem Fall trifft Inflation die arbeitende Bevölkerung, und der Kampf gegen sie ist eine wichtige Aufgabe für Linke.

Aber wie ist das zu erreichen? Angesichts einer instabilen Weltwirtschaft (siehe Trumps Handelskriegsdrohungen) würden nur drastischere Maßnahmen einen wirklichen Schutz vor Inflation bieten. Notwendig wäre insbesondere staatliche Preisobergrenzen und die Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse zur Schaffung von Preiskontrollausschüssen, die prüfen, ob sinkende Kosten an die Verbraucher*innen weitergegeben oder staatliche Preisbeschränkungen eingehalten werden.

Zurecht werden oft auch weitere Maßnahmen gefordert. Die Krise des Kapitalismus führt nicht nur zu Inflation, sondern gerade auch zu Arbeitsplatzvernichtung, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Rechte versuchen, auch daran anzudocken, zum Beispiel über die Pseudogewerkschaft Zentrum Automobil. Andere werden versuchen, sich für die Betriebsratswahlen im kommenden Frühjahr auf Betriebsratslisten der IG Metall zu schmuggeln.

Angesichts der drohenden Tiefe der Krise werden Maßnahmen von Industriepolitik im Rahmen des Kapitalismus nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Deshalb ist es gut, dass Die Linke Baden-Württemberg auf ihrem Landesparteitag am 18. Oktober einen maßgeblich von Sol-Mitgliedern geschriebenen Antrag der Antikapitalistischen Linken (AKL) gegen die Krise der Autoindustrie angenommen hat, der unter anderem „die Überführung der Autokonzerne in Gemeineigentum unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle durch demokratisch gewählte Vertreter*innen aus Belegschaften und Gewerkschaften“ fordert. Dagegen ist es weniger gut, dass sie die darin enthaltenen Gedanken nur teilweise in ihr Landtagswahlprogramm übernommen hat, und es wäre schlecht, wenn sich die Partei im Wahlkampf nur auf Forderungen zur Industriepolitik im Rahmen des Kapitalismus beschränken würde.

Aber egal, welche wirtschafts- und sozialpolitische Stellschraube die Linke drehen will – angesichts der sich tendenziell zuspitzenden Krise des Kapitalismus werden kleine Drehungen nicht genügen. Wir brauchen eine sozialistische Wirtschaftspolitik, die beiträgt, den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern, die einzig wirksame antifaschistische Wirtschaftspolitik. Der Satz „Gegen rechts hilft nur links!“ ist ausgezeichnet. Aber es reicht nicht, ihn zu sagen. Die Linke muss konsequent danach handeln.