„Better to break the law than to break the poor“

Liverpooler Ex-Stadtrat Harry Smith auf Veranstaltung in Frankfurt(Main)

Über vierzig Personen besuchten am Samstag, den 29. November im Frankfurter Club Voltaire eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen sozialistischer Kommunalpolitik“. Hauptredner war Harry Smith aus Liverpool, der in den 1980er Jahren dort Stadtrat für die Labour Party war, als diese unter der marxistischen Führung der Militant-Tendenz (heute Socialist Party, Schwesterorganisation der Sol) die Mehrheit im Stadtrat stellte und exemplarische sozialistische Kommunalpolitik im Kampf gegen die damalige konservative Thatcher-Regierung durchsetzte und dabei die Arbeiter*innenklasse der Stadt in Streiks und Massendemonstrationen für ihre Politik mobilisierte.

Von Max Klinkner, Mainz

Bevor Harry Smith von der damaligen Auseinandersetzung berichtete, ordnete der Sol-Bundessprecher Sascha Staničić den Liverpooler Kampf und seine Lehren in die Herausforderungen heutiger linker Kommunalpolitik ein. Moderiert wurde der Nachmittag vom ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der heute in der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Mieter*innenbewegung der Stadt aktiv ist.

Die Teilnehmer*innen kamen aus Frankfurt(Main), Mainz, Marburg, Mannheim, Erlangen, Nürnberg, Fürth, darunter waren aktive und ehemalige Kommunalparlamentarier*innen, Mitglieder der Sol, der Linken, von Gewerkschaften und anderen linken Organisationen.

Harry Smith begeisterte und inspirierte die Besucher*innen mit einer lebendigen und humorvollen Darstellung der sozialen Verhältnisse in Liverpool der 1970er und 1980er Jahre und des Kampfes und der Errungenschaften des sozialistischen Stadtrats, dessen Motto „Better to break the law than the poor“ (sinngemäß: Besser das Gesetz zu brechen, als den Armen das Rückgrat) war. Wie Sascha Staničić in seinen Ausführungen betonte, zeigt das Vorgehen des damaligen Liverpooler Stadtrats, dass eine andere, eine sozialistische, Kommunalpolitik möglich ist und dass es eine Alternative zu der oftmals behaupteten Alternativlosigkeit zu Kürzungen aufgrund knapper Kommunalfinanzen gibt. Er betonte auch, dass linke Kommunalpolitik in den größeren Zusammenhang des Kampfes für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft gestellt werden muss und sich daran messen lassen muss, ob sie einen Beitrag zur Mobilisierung und Organisierung der Arbeiter*innenklasse und zur Verbreitung von sozialistischem Bewusstsein leistet. Harry Smith betonte, wie es der damals von Militant geführten Labour Party gelungen war, die tiefe Spaltung zwischen katholischen und protestantischen Arbeiter*innen zu überwinden und auf der Basis von Massenmobilisierungen große Verbesserungen für die Liverpooler Arbeiter*innenklasse umzusetzen. Dazu gehörten tausende neu gebaute Wohnungen, Parks und Sportzentren, neue Arbeitsplätze bei der Stadtverwaltung und in der Bauwirtschaft, die Abschaffung klassendiskriminierender Praktiken in Schulen und der Stadt gegenüber den ärmsten Teilen der Bevölkerung und vieles mehr.

Auch die Bedeutung von Militant als einer marxistischen Organisation, die das Rückgrat dieses Kampfes bildete wurde diskutiert, wie auch die taktische Flexibilität, die die marxistischen Stadträte an den Tag legen mussten. Diese wurden von der pro-kapitalistisch ausgerichteten Führung der Labour Party dann nicht nur im Stich gelassen, sondern aktiv bekämpft, was der Regierung die Möglichkeit bot, die Stadträte abzusetzen, die dann mit hohen Geldstrafen belegt wurden und deren Namen auf schwarzen Listen landeten, so dass viele von ihnen über Jahre Schwierigkeiten hatten, einen Job zu finden. Die Solidarität der Liverpooler Arbeiter*innenklasse war ihnen aber sicher und die Geldstrafen wurden durch Spenden aus der Arbeiter*innenklasse beglichen. Während in den Jahren 1983 bis 1987 die Politik der Labour-Fraktion im Stadtrat auf Versammlungen von hunderten Delegierten aus Gewerkschaften und Ortsvereinen der District Labour Party bestimmt wurde, wurde diese von der nationalen Labour-Führung dann aufgelöst und die neuen Stadträte kämpften nicht mehr, sondern beteiligten sich an kapitalistischer Sachzwangpolitik. Ein Ergebnis ist, dass die Zahl der städtischen Beschäftigten von über 20.000 auf wenige tausend gesunken ist. Die Wohnungen und Parks stehen aber noch und sind Zeugnis davon, dass sich die Arbeiter*innenklasse der Stadt unter marxistischer Führung erhoben hat und reale Verbesserungen erkämpfen konnte.