China 1927: Aufstand und Massaker in Shanghai

Am 12. April 2007 jährt sich die Niederschlagung des Aufstandes in Shanghai durch Chiang Kai-Shek zum achtzigsten Mal. Bis dahin von Stalin als Bündnispartner gesehen, wandte sich Chiang Kai-shek zusammen mit Bankiers, Unternehmern und ihrer Mafia gegen die Kommunisten und Gewerkschafter, welche die Stadt kontrollierten und richtete ein Blutbad an.

von Michael Koschitzki, Berlin

Dieser Jahrestag fällt in eine Zeit, in der China sich in einer Übergangsphase zum Kapitalismus befindet. Er fällt in eine Zeit, in der etwa 200 Proteste und Demonstrationen pro Tag in China stattfinden, die teilweise brutal unterdrückt werden – so geschehen bei Protesten gegen Fahrpreiserhöhungen in Zhushan. Bei allen Unterschieden des heutigen China gegenüber dem China von 1927, kann die Arbeiterklasse, sowohl weltweit als auch in China, aus ihrer Tradition, ihrer Geschichte und den gemachten Fehlern wichtige Schlussfolgerungen und Hoffnung für die Zukunft ziehen. Die Intention dieser Arbeit ist es, dazu einen bescheidenen Beitrag zu leisten.

Die Kommunistische Partei Chinas

Inspiriert von der Russischen Revolution wandten sich in China Anfang der zwanziger Jahre einige Intellektuelle und Jugendliche dem Bolschwewismus zu. Sie gründeten die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), deren erster Parteitag im Juli 1921 mit 57 Mitgliedern stattfand. Im Jahre 1922 traten auf Initiative des Kominterndelegierten Maring Mitglieder der KPCh der Kuomintang(KMT) bei.

Diese Partei vereinigte chinesische Unternehmer, zunehmend Großgrundbesitzer, Kleinunternehmer sowie Bauern und Arbeiter. Ihr Ziel war im wesentlichen ein unabhängiger Nationalstaat. Der Eintritt der KPCh wurde unter der Forderung angenommen, dass die Arbeit in der KMT niemals die Eigenständigkeit der KPCh gefährden dürfe.

Die Partei richtete ab 1923 die Aktivität ihrer 342 Mitglieder, aufgrund eines Rückschlags der Arbeiterbewegung, verstärkt auf die Kuomintang aus. Das änderte sich 1925 mit einem Aufschwung der Bewegung, hervorgerufen durch die Gründung des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes mit 540.000 Mitgliedern, Studentenprotesten in Shanghai sowie einem Generalstreik in Hongkong.

Die KPCh wuchs von 995 Mitgliedern, wozu 2.635 Mitglieder der kommunistischen Jugend zu rechnen sind, im Januar 1925 auf eine Größe von 10.000 Mitgliedern der KPCh und 9.000 Mitglieder der Jugend im November 1925 an. Dieser Prozess setzte sich fort bis April 1927, als die KPCh eine Größe von 57.963 Mitglieder und 35.000 Mitglieder der kommunistischen Jugend erreichte.

Shanghai

Sowohl die Arbeiterklasse als auch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) konnte sich in Shanghai auf eine Reihe von Erfahrungen in ökonomischen und bewaffneten Kämpfen stützen. Im „langen heißen Sommer“ von 1926 kam es zu einer langen Kette von Streikmaßnahmen – allein im Juni mit 69.556 Streikenden in 107 Betrieben. Auslöser der Streiks war der Anstieg des Preises für Reis.

Im Oktober 1926 kam es zum so genannten „ersten bewaffneten Aufstan“”, gefolgt von einem Generalstreik im Februar 1927, der sich in einen zweiten bewaffneten Aufstand verwandelte.

In dieser Zeit sammelten die Arbeiter enorme Erfahrungen und, um sich zu schützen, bildeten sie ständige Streikposten, die aus Mangel an Waffen nicht in eine Miliz umgewandelt werden konnten.

Der Gewerkschaftsbund vereinigte in Shanghai 187 Gewerkschaften mit 76.000 Mitglieder, obwohl er illegal war. Durch den Aufstand konnte er bis zum 27. März auf 821.280 Mitglieder in 502 Gewerkschaften allein in Shanghai anwachsen. Die KPCh konnte ihre Mitgliedschaft in Shanghai von 3.856 am 4. März 1927 auf 8.374 am 4. April mehr als verdoppeln. Die Kuomintang (KMT) vergrößerte sich sogar von 2.700 im Januar auf 16.000 im April 1927. Das zeigt den großen Einfluss, den diese Organisationen entfalten konnten und wie weit ihre Politik wahrgenommen wurde.

China war seit 1911 in Gebiete mehrerer Warlords und Kolonien imperialistischer Mächte zerfallen. Im Süden des Landes konnte die KMT Gebiete für sich beanspruchen, von denen aus eine Republik gegründet werden sollte. Im Sommer 1926 begann der so genannte Nordfeldzug durch den die anderen Warlords bezwungen werden sollten. In ihm konnte die National Republikanische Armee (NRA) enorme Erfolge erringen. Sie eroberten bis zum Oktober ganz Wuhan, anschließend Jianxi und Fujian und begann Anfang des Jahres 1927 die Provinzen Anhui, Zhejiang und Jiangsu zu erobern, zu der Shanghai und Nanking gehörten.

Obwohl Chiang Kai-shek als Oberbefehlshaber der Armee seine Position stärken konnte, gab es eine enorme Polarisierung innerhalb der KMT. Die Komintern versuchte diesen Kampf des linken und rechten Flügels auszugleichen, indem sie Wang Jingwei, einen wichtigen Vertreter des linken Flügels, aus Paris über Moskau nach China brachte. Durch die Eroberungen konnte die KMT ihre Regierung, welche mehrheitlich der Linken angehörte und in der zwei Kommunisten Mitglied waren, nach Wuhan verlegen. Allerdings wollte Stalin Chiang Kai-shek nicht zu sehr provozieren, in der Angst der Block mit der KMT könnte brechen.

Mit dem erwarteten Eintreffen der NRA in Shanghai begannen die Vorbereitungen für den so genannten „dritten bewaffneten Aufstand“ mit dem Ziel den lokalen Warlord Sun Chuan-fang zu stürzen. Für die Vorbereitungen wurde ein spezielles Komitee in der KPCh eingerichtet, doch mussten sie innerhalb der Grenzen der KMT arbeiten, wobei sie einen hohen Einfluss in Shanghai besaßen.

Die Struktur der Streikposten wurde überholt. Die Regierung in Wuhan konnte überzeugt werden, Waffen zu bezahlen, wobei sich auch Aktivisten in die Milizen der ausländischen Konzessionen einschleusten und Waffen stahlen. Die Kommunisten drängten darauf, dem Aufstand einen Streik vorangehen zu lassen, was für Chiang Kai-shek inakzeptabel war.

Gleichzeitig entzündeten sich Debatten, welche Art der Regierung nach einem erfolgreichen Aufstand installiert werden sollte. Die KPCh in Shanghai forderte mehrheitlich die Gründung von Räten, wogegen die Vertreter der Komintern auftraten, da diese Forderung nicht mit dem Bündnis mit der KMT vereinbar sei und die Arbeiter isolieren würde. Die KPCh baute durch diesen Druck keine Rätestrukturen auf und verzichtete darauf, öffentlich ihre Bildung zu fordern.

(Als sich im November 1927 erste Rätestrukturen in Haliufeng bildeten, waren Kommunisten daran beteiligt. Sie legten den Ursprung für eine Ausbreitung der Räte in ganz China in den folgenden Jahren.)

Der Arbeiteraufstand in Shanghai

Der Aufstand begann mit dem Generalstreik am 21. März 1927. Innerhalb von Stunden kam Shanghai zum Stillstand. Die Nachricht vom Streik wurde von 359 Sprecher-Teams, die unter anderem 1.270 Studenten umfassten, in die ganze Stadt getragen. Am ersten Tag des Streiks waren nach Zahlen des Gewerkschaftsbundes 200.000 Arbeiter beteiligt. Der Streik wuchs am folgenden Tag an, wobei die Angaben zwischen 300.000 und 800.000 Streikenden schwanken. Ungefähr 4.000 Betriebe waren in den Streik mit einbezogen.

Während dieser zwei Tage besetzten Streikposten alle wichtigen Positionen innerhalb der Stadt, was auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit der Polizei führte. (Aufgrund des Mangels an Waffen immitierten in einigen Fällen jugendliche Gewerkschaftsaktivisten Maschinengewehre durch Feuerwerkskörper in leeren Kerosinkanistern, um die Polizisten zu verjagen – ein Trick der von Frauen in einer Fabrik erfunden wurde.)

Die Streikposten spielten die wichtigste Rolle in der Auseinandersetzung, die Stadtteil für Stadtteil erkämpfte, obwohl vereinzelt auch Privatmilizen und Mitglieder der Mafia auf Seiten der Arbeiter kämpften. Am 23. März rief der Gewerkschaftsbund dazu auf, die Arbeit wieder aufzunehmen, wobei die Streikposten und Sprecher-Teams aufrecht erhalten werden sollten.

Die Gewerkschaften überlegten, einen Streik gegen alle ausländischen Konzessionen zu beginnen, nachdem am 24. März Nachrichten eintrafen, dass britische und amerikanische Kriegsschiffe Nanjing beschossen. Die Stimmung gegenüber den ausländischen Mächten hatte sich enorm zugespitzt, auch wenn der Beschuss Nanjings ein Einzelfall war.

Am 3. April kam es im Anschluss an einen Rikscha-Unfall zur Ermordung mehrerer Japaner. Die KMT-Führung in Wuhan befürchtete das Eingreifen ausländischer Truppen und wollte sie durch die Nichteroberung der Konzessionen beschwichtigen.

Die lokalen Führer der Kommunisten wie Peng Shuzhi wollten den Streik unterstützen und mobilisierten ihre Anhänger für den 28. März. Eine Besetzung der britischen Konzession führte schon im Januar 1927 in Hankou zur Rückgabe dieser an China. Das geschah als ein spontaner Akt der Arbeiter ohne Beteiligung der KPCh.

Doch statt die Initiative zu übernehmen, riet auch diesmal das Politbüro in Moskau von der Besetzung der Konzessionen in zwei Telegrammen ab, „da er die Shanghaier Arbeiter isolieren und neue Gewaltakte gegen die Arbeiter erleichtern kann“. Daraufhin wurde der Streik abgesagt und die Regierung in Wuhan sollte Verhandlungen mit den Briten über die Rückgabe aufnehmen.

In den von der Kontrolle des Warlords befreiten Gebieten kam es während des Aufstandes zu den ersten Regierungsbildungen. Die Listen für sie wurden von der KMT ratifiziert, wobei in vielen Fällen Kommunisten beteiligt wurden. Doch hatten insgesamt Kaufleute, Händler usw. die Mehrheit innerhalb des Stadtrates, obwohl es Petitionen von Arbeitern an die KPCh und den Gewerkschaftsbund gab, Schritte gegen die so genannte “Gentry” zu ergreifen.

Trotzdem der Aufstand in der Mehrheit von der Arbeiterklasse im weiteren Sinne getragen wurde, ergriff die KPCh keine Schritte, ihr die politische Macht zu sichern. Das war die Konsequenz aus der Absage Räte zu bilden und das Bündnis mit der KMT nicht zu gefährden. Am 22. März trat die Regierung das erste Mal zusammen.

Es ist anzunehmen, dass es weit verbreitete Hoffnungen in die Regierung gab, die zusagte, das Programm des Gewerkschaftsbundes vom 16. März sofort umzusetzen. (Das Programm war eine Mischung aus ökonomischen und politischen Forderungen. Die Regierung von Wuhan sollte unterstützt werden sowie Presse und Redefreiheit eingeführt werden. Außerdem sollten die Arbeitsbedingungen verbessert werden, wobei der Gewerkschaftsbund vierzehn Forderungen direkt aus den Betrieben übernahm. Das Programm sah zusätzlich vor, eine bewaffnete Arbeiterselbstverteidigung aufzubauen.)

Die KPCh schwankte in ihrer Haltung zu Chiang Kai-shek und gab widersprüchliche Signale nach außen, bezüglich der Schritte die ergriffen werden sollten. In kleinerem Maße betraf das auch die Komintern. Am 22. März versammelten sich eine halbe Millionen Menschen, um die NRA zu begrüßen in Shanghai. Auch die KPCh schloss sich dem unkritisch an. Nach dem Eintreffen von Chiang Kai-shek soll er an einer Kundgebung von 50.000 Menschen am 26. März teilgenommen haben, was allerdings nur durch eine Zeitung bestätigt wird. Diese Kundgebung wurde vom Kommunisten Lin Jun geleitet.

Bei der Kundgebung beteuerten Kommunisten, dass sie nicht die Absicht hätten den Kommunismus einzuführen. Einzelne Kommunisten warnten davor, dass Chiang Kai-shek die Streikposten zerschlagen werde und arbeiteten deshalb einen Verteidigungsplan aus. Nach außen warnten sie allerdings nur durch mündliche Propaganda vor Chiang Kai-shek – die herausgegeben Zeitungen schrieben, dass das Bündnis mit der KMT aufrechterhalten werde. Aus Moskau kam die Anweisung, dass keine bewaffneten Konflikte mit der NRA eingegangen werden sollten und wenn nötig die Waffen versteckt werden müssten. Allerdings gab Woitinski aus Wuhan die Anweisung, sich einer Entwaffnung zu widersetzen. Es ist kein Wunder, dass die Arbeiter und Kommunisten verwirrt waren. Die kommunistische Jugend forderte zur Selbstbewaffnung Stäbe herauszugeben, was aus Furcht vor Vandalismus abgelehnt wurde.

Die Niederschlagung des Aufstandes

Chiang Kai-shek bereitete die Niederschlagung der Streikposten von seinem Eintreffen an vor. Die erste Person die er traf, war Huang Jin-Rong, einer der drei Anführer der “Grünen Gang”. Die Kommunisten gefährdeten allmählich die Opiumproduktion und den Opiumhandel, weshalb die Unterwelt ein Interesse an der Niederschlagung des Aufstandes hatte. Drei Tage später traf Chiang Kai-shek eine Delegation des Verbandes für Handel und Banken von Shanghai. Sie beklagten sich über die Streikposten und Gewerkschaftsorganisationen, die ihrem Geschäft nicht zuträglich seien. Sie stellten ihm, der versprach ihre Geschäfte zu beschützen, einige Tage später eine Summe von 10 Millionen Dollar zur Verfügung. Währenddessen begann die Unterwelt mit der Rekrutierung von Freiwilligen für die Niederschlagung des Aufstandes. Es ist dabei nicht klar, ob Chiang Kai-shek oder die Unterwelt selbst die 600.000 Dollar für ihre Waffen stellte. Auf der anderen Seite stattete der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes dem Handelsverband einen Besuch ab, auf dem er versicherte, dass die ausländischen Konzessionen nicht von den Arbeiter übernommen werden würden. Durch diese Vorbereitung und die Stationierung von mehreren tausend rechten Soldaten der NRA, in der die KPCh kaum politische Arbeit gemacht hatte, begann sich das Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Arbeiter zu verschieben.

Der Coup Chiang Kai-sheks begann am Abend des 11. April mit der Ermordung des Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes Wang Shouhua. Am Morgen des 12. April begannen Gangster Gefechte mit den Streikposten, um der Armee einen Vorwand zu geben einzugreifen. Sie konnten dabei die ausländischen Konzessionen ungehindert passieren. Die Armee fing darauf hin an, Streikposten zu entwaffnen beziehungsweise zu bekriegen. Der Gewerkschaftsbund rief zu einem Generalstreik für den folgenden Tag auf – der erst nach einer Woche vollständig gebrochen werden konnte und zwischen 100.000 und 200.000 Arbeiter umfasste. Im Laufe der Gefechte wurden Streikposten vollständig entwaffnet, führende Kommunisten gezielt getötet und mehrere hundert Aktivisten gefangen genommen. Am 18. April hielten die Unterstützer Chiang Kai-sheks ein Treffen mit 3.000 Teilnehmern ab, um ihren Sieg zu feiern. Am 24. April hielt die KMT ein Dinner ab, um Chiang Kai-shek zu ehren. Anschließend gab die “Grüne Gang” ein Telegramm heraus, in dem sie schrieb:

„Wir können und dürfen nicht ruhig dasitzen, während die Kommunisten unser Land mit seiner über tausend jährigen Zivilisation verderben.“ Kurz darauf gründeten sie eine Anti-Kommunistische Liga.

Terror gegen Kommunisten und Aktivisten

In den folgenden Monaten herrschte ein Terrorregime in Shanghai und die Bewegung in ganz China wurde niedergeworfen. Die Kommunistische Partei wurde verboten – die Unterstützer Chiang Kai-sheks begannen damit Gewerkschaften aufzubauen, welche der Regierung unterstanden. Am 13. April wurde ein von Gangstern geleitetes Komitee gegründet, das Linke und Kommunisten aufspüren und umbringen sollte. Bis Ende des Jahres 1927 wurden 5.600 Menschen inhaftiert und 2.000 umgebracht. Die KPCh umfasste im Juli in Shanghai nur noch 1.220 Mitglieder. Einige Kommunisten retteten sich nach Wuhan, wo sie Unterstützung durch den linken Flügel der KMT erwarteten. Dessen Führer Wang Jingwei kapitulierte am 15. Juli, brach mit der KPCh und unterstützte Chiang Kai-shek.

Eine Welle von Repressionen gegen Kommunisten ging durch ganz China, wie uns die Autobiographie des chinesischen Revolutionärs Wang Fanxi zeigt. Er lebte zu der Zeit in Peking, wo ebenfalls Kommunisten verfolgt und erschossen wurden. Im Jahre 1927 war er Mitglied der KPCh und wandte sich später dem Trotzkismus zu. Als er 1927 Shanghai passiert, schreibt er: „Shanghai war in eine Atmosphäre von Terror und Krieg gehüllt. Mit Sandsäcken und Stacheldraht verstärkte Kontrollpunkte waren überall zwischen der französischen Konzession und dem chinesischem Gebiet errichtet worden. Insbesondere im Alten-Westpforten-Gebiet war kaum eine Seele weit und breit zu sehen, und es war so, als könne man noch die Angst spüren und das Blut riechen, das hier vor kurzem vergossen wurde. Man hatte versucht, die Parolen an den Mauern zu übermalen, aber es war immer noch möglich, die Botschaft, die sie verkündeten, zu erkennen: „Nieder mit Chiang Kai-shek“, „Gegen den Weißen Terror“.“

Die Taktik und Rolle der Komintern

„Eine richtige Politik muss keineswegs stets und unter allen Umständen unmittelbar zum Sieg über den Gegner führen“, rechtfertigte Stalin seine politische Linie in China. Er hatte allen Grund so über China zu urteilen, denn seine Politik hatte zum Rückschlag in China geführt. Die Politik der KPCh wurde von Woitinski im Auftrag der Komintern überwacht und mitgeleitet. Er war von der Gründung der KPCh an ihrer Politik beteiligt. Von 1926 bis 1927 war er Vorsitzender des Fern-Östlichen Büro des EKKI (Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale) und nach der Niederlage der chinesischen Revolution wurde Woitinski stellvertretender Vorsitzender der Abteilung Früchte und Gemüse des sowjetischen Landwirtschaftsministeriums. Ab dem Jahre 1926 leitete Nikolai Bucharin die Komintern. Er war vorher schon federführend in der theoretischen Untermauerung des Eintritts in die KMT. Politisch waren beide mit Stalin gegen die Opposition von Trotzki und Sinowjew verbündet.

Die politische Linie der KPCh, in der zu betrachtenden Zeit, wurde vom EKKI am 19. Januar 1927 mit Instruktionen zur Durchführung des 5. Parteitages der KPCh festgelegt und in der folgenden Zeit durch kurze Anweisungen und Briefe ergänzt. Darin heißt es, die KMT sei das Bündnis der Kräfte der chinesischen Revolution, das bei richtiger Linie der KPCh in der Lage sei, über den bürgerlichen Umsturz hinaus zu gehen. Doch dürften Kommunisten ihre Vorschläge nicht aufzwingen und müssten vorsichtig bei der Übernahme von Führungsposten der KMT sein. Sie müssten beim Eintritt in die KMT darauf achten, dass sie den „Guomintang-Charakter, das heißt einen wirklich breiten, demokratischen, national-revolutionären Charakter, bewahren“. Sie müsste außerdem gegen alle Versuche ankämpfen, innerhalb der KMT eine Fraktion zu bilden und sowohl gegen den Austritt von Kommunisten als auch gegen eine Spaltung der KMT kämpfen. Außerdem wurde die Aufgabe erteilt, dass die KPCh möglichst viele Arbeiter und Bauern für die KMT rekrutieren solle, denn: „Die Guomintang kann ihre historische Rolle als revolutionäres Bündnis der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und der städtisch revolutionären Bourgeoisie und Intelligenz nur dann erfüllen, wenn die Arbeiterklasse und die Bauernschaft die Hauptkräfte der Guomintang stellen.“ Der Delegation wurde aufgetragen diese Frage „besonders feinfühlig zu behandeln“.

Das politische Bündnis der Bourgeoisie und der Intelligenz mit der Arbeiterklasse und Bauernschaft wurde als revolutionäres Bündnis gesehen, das auch nicht gefährdet werden dürfe. Dadurch wurde die KPCh weder auf eine Wendung der Shanghaier Kaufleute und Bankiers, noch ihres politischen Vertreters Chiang Kai-shek gegen die Arbeiter und die KPCh vorbereitet. Im entscheidenden Augenblick führte diese Auffassung dazu, dass dem Zentralkomitee der KPCh in Shanghai zwei Telegramme am 28. März und 1. April zugestellt wurden, in denen sie aufgefordert wurden, keinen offenen Kampf gegen Chiang Kai-shek zu unternehmen, ihre Waffen zu verstecken und das Bündnis nicht durch die Organisierung eines Generalstreiks zu gefährden. Selbst am 12. April 1927 schrieb der Kominternvertreter Roy einen Brief an Chiang Kai-shek in dem es heißt: „Die Delegation der Komintern in China war immer brennend daran interessiert, sie aufzusuchen“ und angesichts der Spaltung appelliert: „Im gegenwärtigen Moment, da der internationale Imperialismus sich zu einem unverschämten Angriff gegen die chinesische Nationalrevolution zusammenschließt, ist die Einheit der revolutionären Kräfte von höchstem Gebot.“

Woher kam diese völlige Fehleinschätzung der Situation?

Stalinismus

Mit der Entwicklung des Stalinismus änderte sich sowohl die Außen- als auch internationale Politik der Sowjetunion beziehungsweise der KPdSU. Die Oktoberrevolution wurde von den Bolschewiki als der Auftakt der Weltrevolution gesehen. Mit dem Ausbleiben der sozialistischen Revolution in Deutschland, konnte sich immer mehr die von Stalin entwickelte und von Bucharin aufgegriffene “Theorie vom Sozialismus in einem Land” durchsetzen, welche 1924 vom V. Weltkongress der Komintern angenommen wurde. Sie besagte unter anderem, dass sozialistische Revolutionen in dieser Zeit nicht auf der Tagesordnung stünden. Ableitend davon, wurde angenommen, dass in kolonialen Ländern bürgerlich-demokratische Revolutionen aber keine sozialistischen bevorstünden. Das führte schon 1923 dazu, dass der Kominternbeauftrage Joffe mit Sun Yat-sen dahingehend übereinstimmte, dass der Sozialismus in China nicht anzustreben sei, womit der Eintritt der Kommunisten in die KMT besiegelt wurde. Die dringendste Aufgabe sei die Herstellung der nationalen Einheit. Damit verbunden war die Einschätzung der Bourgeoisie unterdrückter Kolonialländer in Zeiten des Imperialismus:

„Seit 1905 führt die bolschewistische Partei den Kampf gegen das Selbstherrschertum unter der Losung: “Demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft”. Die Losung wie ihre theoretische Begründung gingen von Lenin aus. Im Gegensatz zu den Menschewiki, deren Theoretiker Plechanow einen unversöhnlichen Kampf führte gegen den “irrigen Gedanken von der Möglichkeit, die bürgerliche Revolution ohne Bürgertum zu vollbringen”, meinte Lenin, die russische Bourgeoisie sei bereits unfähig, ihre eigene Revolution zu leiten. Die demokratische Revolution gegen Monarchie und Gutsbesitzer zu Ende führen, könnten nur Proletariat und Bauernschaft in engem Bündnis.“ (Trotzki, Geschichte der Russischen Revolution, Band 1, Kapitel 16)

Diese Konzeption erfasste noch nicht den vollen Umfang der Aufgaben (siehe unten). Sie drückt jedoch den grundlegenden Gedanken der Unabhänigkeit der Arbeiterklasse und der Warnung vor dem Zurückweichen der Bourgeoisie in „ihrer“ Revolution aus.

Diese Auffassung wurde von Stalin ins Gegenteil verkehrt, indem sich die KPCh der KMT immer noch unterwarf, als Chiang Kai-shek schon seinen Staatsstreich in Kanton durchführte, bei dem Kommunisten verhaftet und ein sowjetischer Berater unter Hausarrest gestellt wurde.

Die theoretische Untermauerung finden wir schriftlich erst nach dem Aufstand in Shanghai. Selbst hier wurde die KMT noch als ein Bündnis mehrerer unterdrückter Klassen angesehen, woraus er rechtfertigte, Chiang Kai-shek als revolutionär zu beurteilen und dass „die Kuomintang in Wuhan, die Kuomintang ohne rechte Kuomintangleute, das Zentrum des Kampfes der chinesischen werktätigen Massen gegen den Imperialismus ist.“

Außerdem wurde die chinesische Revolution in Etappen geteilt, wobei „in der ersten Periode der chinesischen Revolution, in der Periode des ersten Feldzugs nach dem Norden, […] ging die nationale Bourgeoisie […] mit der Revolution. Das war eine Revolution der vereinigten gesamtnationalen Front.“ Erst in einer späteren Etappe, nach der erfolgreichen bürgerlich-demokratischen Revolution, sei außerdem der Augenblick gekommen Räte zu bilden.

Da also die Arbeiter, Bauern, das Kleinbürgertum und Bürgertum in kolonialen Ländern in der ersten Etappe revolutionär und ihr politischer Ausdruck die Kuomintang sei, müsse die KPCh in ihr arbeiten und sich ihr unterwerfen. Er beschränkt sich in dieser Ausführung auf den linken Kuomintangflügel, da der Aufstand in Shanghai schon niedergeschlagen wurde. Hätte er seine Thesen früher verfasst, wären die Aussagen auf die gesamte Kuomintang bezogen gewesen. Diese Thesen von Stalin wurden zu einer Zeit geschrieben, als der Aufstand der Shanghaier Arbeiter schon niedergeschlagen war, jedoch bevor die KPCh aus der KMT ausgeschlossen und verboten wurde. Seine Thesen stellen den ersten Versuch der Bürokratie dar, ihre später in Spanien voll zum Ausdruck gebrachte, Etappentheorie mit viel linker Rhetorik umzusetzen. Stalins Text „Fragen der chinesischen Revolution“ wurde am 21. April 1927 veröffentlicht. Die Ergänzung „Zu Fragen der chinesischen Revolution“ erschien am 15. Mai 1927 – kurz nachdem Trotzki verboten wurde, sich in der Parteipresse zu äußern.

Trotzkis Kritik

Was war seine Kritik an den Thesen von Stalin? Trotzki war 1927 Mitglied des Zentralkomitees der Bolschewiki und bis Oktober 1926 Mitglied des Politbüros. Ab dem Jahre 1926 war er führend in der Linken Opposition. Trotzkis Kritik an der Taktik in China begann im Anschluss an den “März-Coup” 1926 von Chiang Kai-shek, bei dem er gegen Kommunisten in Kanton geputscht hatte. Vertretern der Komintern in Kanton hatte er einfach Hausarrest erteilt. Ab diesem Zeitpunkt verlangte Trotzki den Austritt der KPCh aus der KMT. Trotzki hat in den Jahren 1926 und 1927 seine Ansichten zu China in mehreren Briefen und Schriften dargelegt und in seiner Schrift „Ergebnisse und Perspektiven der chinesischen Revolution“ vom 28. Juni 1928 resümiert.

Trotzki fordert in seiner Antwort auf Stalin „Die chinesische Revolution und die Thesen des Genossen Stalin“ eine vollständige Revision der Politik der Komintern. Der koloniale Charakter Chinas und der Imperialismus würde eine Unterwerfung der KPCh unter die KMT sein und ihr Verbleiben in der KMT nicht rechtfertigen. Die Bourgeoisie wäre in Zeiten des Imperialismus mit diesem verbunden und hätte andere Interessen als die Arbeiter und Bauern. „Der bolschewistische Weg besteht hingegen darin, sich politisch wie organisatorisch von der Bourgeoisie bedingungslos abzugrenzen, sie von den ersten Schritten der Revolution erbarmungslos zu entlarven, jegliche kleinbürgerlichen Illusionen in Bezug auf die Einheitsfront mit der Bourgeoisie zu zerstören, unermüdlich mit Bourgeoisie um die Führung der Massen zu kämpfen und unerbittlich all diejenigen aus der KP zu vertreiben, die Hoffnungen in Bezug auf die Bourgeoisie verbreiten oder idealisieren.“

Da die KMT eine bürgerliche Führung hätte, welche die Forderungen der Arbeiter und Bauern zwar versprechen aber nicht umsetzen würde, sei es notwendig Räte zu bilden. Diese würden die Arbeiter und Bauern organisieren und ihnen die Möglichkeit geben, sich ihre Rechte zu erkämpfen. Sie seien außerdem ein Schutz gegen die Reaktion – nur so wäre, die von Stalin geforderte, Bewaffnung der Arbeiter sinnvoll. Das Verhältnis der Räte zur Regierung in Wuhan hänge von der Regierung ab und inwieweit sie die Forderung Arbeiter und Bauern umsetzen würden. Daraus schlussfolgert er: „Die Räte-Losung wird von nun an den weiteren Verlauf der chinesischen Revolution begleiten und ihr Schicksal widerspiegeln.“ Abschließend sieht Trotzki in der Politik eine Verbindung mit der Etappentheorie Stalins, die er schon 1906 in seinem Werk „Ergebnisse und Perspektiven. Die treibenden Kräfte der Revolution“ angriff.

Als er ein Jahr später auf die chinesische Frage zurückkommt, beschreibt er einen alternativen Verlauf der Ereignisse: „Hätte man zu Beginn des Nordfeldzuges in den »befreiten« Gebieten Räte gebildet (die Massen haben instinktiv und mit aller Kraft danach gestrebt), dann hätten wir eine notwendige Basis bekommen und einen revolutionären Anlauf genommen, wir hätten die Agraraufstände zusammengefaßt, eine eigene Armee aufgebaut, die Armee der Feinde zersetzt – und die chinesische kommunistische Partei hätte, trotz ihrer Jugend, unter einer richtigen Führung der Komintern in diesen außergewöhnlichen Jahren reifen und an die Macht kommen können, wenn nicht gleich in ganz China, so doch in einem bedeutenden Teil. Vor allem aber hätten wir eine Partei gehabt.“

Die Politik der Komintern in China 1927 war eine entscheidende Zäsur in ihrer Entwicklung einer konterrevolutionären Haltung. Es war eine Zäsur, die Linke Opposition zu bekämpfen und sich ihrer Kritik zu entledigen. Kurz nach der Veröffentlichung seiner Kritik bekam Trotzki Presseverbot in Russland. In dieser Politik der Komintern sah er schließlich nicht nur eine Niederlage für die Revolution in China, sondern: „ Wir sehen, wie sich Fehler an Fehler reiht und sich daraus eine Linie bildet, die immer stärker von der des Bolschewismus abzuweichen droht. Kritische oder warnende Stimmen werden als Störung empfunden. Die Rechtswende in der offiziellen Linie werden durch Schläge gegen links komplettiert. Wenn wir auf diesem Wege fortschreiten, bringt das sowohl den Sowjetstaat, wie die Komintern in größte Gefahr. Diese Gefahren der internationalen proletarischen Avantgarde zu verschweigen, hieße das Banner des Kommunismus verraten.“

Fazit

Alle politischen Fehler, die zur Niederschlagung des Aufstandes in Shanghai 1927 führten, waren durch die Komintern bestätigt oder durchgesetzt worden. Die KPCh arbeitete 1927 innerhalb der politischen Grenzen der KMT, deren Führung nicht ausreichend kritisiert wurde. Vielmehr noch hatte die Komintern Chiang Kai-shek immer wieder als einen Verbündeten – selbst bis zum 12. April 1927 – betrachtet.

Die Mitgliedschaft der KPCh war politisch nicht darauf vorbereitet, dass sich die Führung der KMT, also der Bourgeoisie, offen gegen sie richten würde. Im entscheidenden Augenblick riet die Komintern sogar dazu die Waffen zu verstecken – statt sie zu erheben. Als die Macht in Shanghai faktisch auf der Straße lag, riet die Komintern weiterhin davon ab, Räte zu bilden. Vielmehr noch sollten keine Maßnahmen, wie zum Beispiel ein Generalstreik, ergriffen werden, welche die KMT oder Chiang Kai-shek provozieren würden. Das alles führte dazu, dass die Unterwelt und Chiang Kai-shek erfolgreich ein Blutbad in Shanghai anrichten konnten.

Doch die Studenten, Arbeitslosen und Arbeiter hatten trotz allem in Shanghai beachtliches geleistet. Sie hatten in mehreren Anläufen aus eigener Kraft den Warlord gestürzt. Trotz der Illegalität hatten sie eine mächtige Gewerkschaft und eine große kommunistische Partei in Shanghai aufgebaut. Mehr als zwei Wochen lang hatten sie es geschafft in Shanghai die Kontrolle zu übernehmen. Diese Stadt hatte die KPCh hervorgebracht und war das Zentrum der Arbeiterbewegung in ganz China. Nur hatte die kurze Zeit nicht gereicht, sich genügend mit der Geschichte auseinanderzusetzen, genug eigene Erfahrungen zu sammeln und eine ausreichend schlagkräftige Organisation aufzubauen, die sich dem Kurs aus Moskau widersetzt.

Die Bürokratie, deren Ausdruck Stalin war, fürchtete eine sozialistische Revolution in anderen Ländern, da ihre eigenen Privilegien damit in Frage gestellt würden und die Räteherrschaft in Russland wieder auf die Tagesordnung setzen würde. Trotzki folgerte in seiner Schrift die verratene Revolution: „Während sie daheim die Selbstständigkeit und Initiative der unteren Volksschichten erstickt, kann sie in der Welt natürlich nicht kritisches Denken und revolutionären Wagemut wecken.“ Stalins “Theorie vom Sozialismus in einem Land” untermauerte die Preisgabe der Weltrevolution theoretisch. Auf China übertragen bedeutete das, sich auf eine bürgerlich-demokratische Revolution zu beschränken und die KPCh der KMT – über die Niederschlagung hinaus – unterzuordnen. Das stellte einen Bruch mit der bisherigen Linie der Komintern als auch des Leninismus dar. Stalin nahm von nun an immer wieder Einfluss auf die Politik der Komintern, die durch seine Sozialfaschismustheorie und die Volksfronttheorie, die in China schon angedeutet wurde, noch schlimmere Folgen haben sollte.

Die Kritik der Opposition hatte, obwohl sie eine Alternative präsentieren konnte, keinen Erfolg gehabt. Als Reaktion auf das offensichtliche Scheitern Stalins Politik wurde Trotzki das Publizieren in der Parteipresse am 12. Mai 1927 verboten. Am 27. September wurde er aus dem EKKI ausgeschlossen und musste kurze Zeit später auswandern. Doch kann aus seiner Kritik für zukünftige Erhebungen der Arbeiterklasse gelernt werden, insbesondere in einer Zeit, in der in China sich wieder neue Erhebungen ankündigen, welche die Welt verändern werden.

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