Mit SPD und Grünen gegen Nazis?
Ob Dresden, Magdeburg, Berlin oder Dortmund – Naziaufmärschen wird immer häufiger und oftmals erfolgreich mit massenhaften Blockadeaktionen begegnet.
Vielerorts stellte sich dabei die Frage, ob es hilfreich ist, mit Parteien wie der SPD oder den Grünen zusammenzuarbeiten. Hierfür lohnt es sich, den Widerstand gegen die Nazis im historischen Kontext zu betrachten und aktuelle Erfahrungen aus den Blockadebündnissen in Dresden und Dortmund mit einzubeziehen.
Von Sebastian Förster
„Kampf und die Straße, Kampf um die Köpfe und Kampf um die Parlamente“, so stellt die NPD 1997 ihre „Drei-Säulen-Strategie“ vor, die auch heute noch für breitere Teile der Nazi-Szene Bedeutung hat.
Zu den Schwerpunkten ihrer bundesweiten Kampagnen zählen vor allem Großaufmärsche. Die oft militärisch anmutenden Aufzüge dienen dazu, Neuankömmlinge in die Szene einzuführen und ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Auch die Örtlichkeiten sind dabei nicht zufällig gewählt: Schon die nationalsozialistische SA zog in der Weimarer Republik provokativ durch Arbeiterviertel. Heute suchen sich Nazis linke Szeneviertel oder Wohngegenden mit hohem Migrantenanteil aus. Sie wollen dadurch Entschlossenheit, Stärke, Furchtlosigkeit und letztlich auch ihren aggressiven Kampfwillen zur Schau zu stellen. Frustrierend wird es für sie allerdings, wenn sich ihnen eine Überzahl AntifaschistInnen gegenüber stellt, sie blockiert werden und ihre Märsche nicht wie geplant durchführen können.
Immer noch argumentieren Menschen, dass die rechte Szene doch erst Aufmerksamkeit gewinnt, wenn Nazi-Gegner sich ihnen entgegenstellen. Es sei deswegen besser, sie einfach zu ignorieren und marschieren zu lassen. Das ist falsch.
Für Faschisten sind solche Aufmärsche ein wichtiges Mittel, ihre Organisationsstrukturen aufzubauen. Sie sollen aber auch einschüchternd auf MigrantInnen und AntifaschistInnen wirken. Akzeptanz, egal wo, wird von den Nazis nur genutzt, um rassistische Propaganda und braunen Terror zu verstärken. Deshalb tritt die Sozialistische Organisation Solidarität dafür ein, Nazis demokratische Rechte, wie das der Versammlungsfreiheit zu verwehren. Denn sie nutzen dieses nur um demokratische Rechte insgesamt anzugreifen und abzuschaffen. Deshalb sollten die Faschisten an der Verbreitung ihrer Propaganda, an Aufmärschen und an der Einschüchterung von MigrantInnen, AktivistInnen der sozialen Bewegungen, Linken und GewerkschafterInnen gehindert werden und darf es keine Vermietung oder Bereitstellung von Räumen, Plätzen oder anderen Plattformen für Faschisten geben.
Symbolische Kundgebungen und Lichterketten sind nicht besonders effektiv, da sie den Nazis aus dem Weg gehen. Nicht viel besser sind auch Kleinaktionen antifaschistischer EinzelkämpferInnen. Alleine eine massenhafte Mobilisierung von Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen, die sich den Nazis in den Weg stellen, kann faschistische Aufmärsche wirklich stoppen und so eine demoralisierende Wirkung auf die Faschisten haben.
„Dresden Nazifrei“
Eine solche Niederlage für die Nazi-Szene war die Verhinderung des Naziaufmarschs in Dresden, der lange als „größter Naziaufmarsch Europas“ galt. Für die antifaschistische Bewegung in der Bundesrepublik entstand mit der Gegenmobilisierung ein Aktionskonzept für friedliche, aber entschlossene Massenblockaden und zivilen Ungehorsam, das Schule gemacht hat.
Zwölf Jahre lang nahmen die Nazis das Gedenken an die Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg zum Anlass für ihre Versammlungen. Noch vor wenigen Jahren nahm diese beängstigende Dimensionen an. So standen 2009 etwa 7.000 Nazis nur 4.000 AntifaschistInnen gegenüber. Ganz anders im folgenden Jahr, wo es 12.000 AntifaschistInnen gelang, den Aufmarsch zu verhindern. 2011 kamen bereits 20.000 Nazi-GegnerInnen nach Dresden, die erfolgreich blockierten. Zwar gibt es immer noch Nazidemonstrationen in Dresden, ihr alljährlicher Großaufmarsch im Februar ist allerdings Geschichte. Zentral waren hierbei die Aktionen des Blockade-Bündnisses Dresden Nazifrei, an denen sich auch unsere Organisation beteiligte.
Trotz des großen Erfolgs, stellt sich die Frage, wie nachhaltig diese Bündniskonzeption den Aufbau einer antifaschistischen Bewegung fördert. Ganz bewusst wurde im Bündnis darauf verzichtet, die Ursachen von Faschismus und Rassismus zu thematisieren und entsprechende Forderungen aufzustellen. Ziel dieses Verzichts war es bürgerliche, also pro-kapitalistische und staatstragende Parteien wie SPD und Grüne mit ins Boot zu holen. Auf den ersten Blick erscheint eine solche Haltung sinnvoll, weil sie eine möglichst breite Mobilisierung gegen den Nazi-Aufmarsch zu ermöglichen scheint. Es ist aber zu bezweifeln, ob gemeinsame Aufrufe mit Parteien, die für Sozialabbau und für Diskriminierung von MigrantInnen mitverantwortlich sind, tatsächlich eine Wirkung in die Teile der Bevölkerung erzielen können, die von diesem Sozialabbau betroffen sind und deshalb für die soziale Demagogie der Faschisten möglicherweise ansprechbar sind oder die selber von der migrantenfeindlichen Diskriminierung betroffen sind. Noch fragwürdiger ist es, ob daraus eine Bewegung entstehen kann, die den Nazis den Nährboden entzieht.
Ursachen bekämpfen
Offensichtlich ist, dass die rassistische Propaganda der etablierten Parteien (zuletzt mit der sogenannten „Sozialtourismus“-Debatte gegen Menschen aus Rumänien und Bulgarien) und ihre Politik des Sozialkahlschlags Wasser auf die Mühlen der Rechten sind. Einzelne Gruppen von Menschen, die vom sozialen Abstieg bedroht oder bereits betroffen sind und das Gefühl von Solidarität verloren haben, können den Nazis dabei auf den Leim gehen. Natürlich führt die soziale Misere nicht automatisch zu Rassismus oder Unterstützung für faschistische Organisationen. Die Nazis wissen aber sehr wohl, diese mit ihrer sozialen Demagogie zu nutzen. Mit Parolen wie „Arbeit zuerst für Deutsche“ versuchen sie erstens den Eindruck zu vermitteln, sie würden die Interessen der „kleinen Leute“ vertreten und zweitens daran anknüpfend MigrantInnen zu Sündenböcken für Armut und Arbeitslosigkeit im Land zu machen.
Dies wird aber nur möglich, weil die etablierten Parteien wie CDU/CSU und SPD, sowie die Medien ihrerseits in unterschiedlicher Art und Weise Einwanderung und MigrantInnen zur Ursache für soziale Probleme abgestempelt haben und sich rassistische Vorurteile deshalb in Teilen der Bevölkerung ausbreiten konnten. Die Nazis können sich hier als die Kraft profilieren, die bereit ist, das angebliche „Einwanderungsproblem“ radikal anzugehen. Dabei spalten sie mit ihren menschenverachtenden Ideen die von Sozialabbau, Lohndumping, Wohnungsnot und miesen Arbeitsbedingungen Betroffenen unterschiedlicher Herkunft, lenken ab von den wahren Verantwortlichen in der Politik und den Chefetagen deutscher Banken und Konzerne und verhindern somit gemeinsamen Widerstand.
Antifaschistische Arbeit muss den Nazis also auch inhaltlich etwas entgegenstellen. Eine dauerhafte Bewegung gegen die Nazis sollte das Problem des Faschismus nicht nur auf der Erscheinungsebene bekämpfen, sondern auch Antworten geben, warum wir immer wieder mit den Faschisten konfrontiert werden. Das heißt, Argumente gegen die Lügen der Nazis zu liefern und einen Weg im Kampf gegen Arbeitslosigkeit, Armut und Krieg aufzuzeigen.
Dabei müssen AntifaschistInnen die sozialen Nöte der Arbeitslosen und Beschäftigten ernst nehmen und Lösungen anbieten. Sie sollten erklären, dass nicht MigrantInnen für diese sozialen Probleme verantwortlich sind und den gemeinsamen Kampf für soziale Verbesserungen forcieren. Forderungen gegen Arbeitslosigkeit, schlechte Arbeitsbedingungen und Sozialabbau können zudem eine Brücke zum Bewusstsein der breiten Masse schlagen, die noch keine konsequenten antifaschistischen und antirassistischen Schlussfolgerungen gezogen hat. Diesen Teilen der Arbeiterklasse muss erklärt werden, dass Rassismus und Faschismus sich auch gegen ihre eigenen sozialen Interessen richtet.
Wichtig ist dabei, die Verantwortlichen für soziale Probleme zu nennen. Kampagnen und Demonstrationen im Bündnis mit SPD und Grünen können das in der Regel nicht leisten. Im Gegenteil – da diese Parteien eine direkte Verantwortung für die sozialen Probleme tragen, wird der Antifaschismus im Bündnis mit ihnen auf eine rein moralische Ebene beschränkt. Im schlimmsten Fall werden Menschen sogar den Nazis gegenüber offener, die ja behaupten, die Etablierten entschlossen zu bekämpfen.
Wir sind deshalb nicht dafür, SPD und Grüne in antifaschistische Bündnisse aktiv einzuladen, sondern steht für die größtmögliche Aktionseinheit gegen Nazis von Gewerkschaften, der LINKEN, antifaschistischen Gruppen, Migrantenverbänden, von solchen Organisationen, die Jugendliche, Erwerbslose und Beschäftigte mobilisieren können und deren soziale Interessen auch zum Ausdruck bringen können.
Manche mögen argumentieren, wir würden mit dieser Haltung historische Erfahrungen ignorieren und keine Politik der antifaschistischen Einheitsfront anwenden. Um Fragen der Einheitsfront-Taktik zu bewerten, hilft ein Blick in die Vergangenheit – auch wenn die historischen Erfahrungen nicht eins zu eins auf heute übertragen werden können.
Einheitsfront und Hitlerfaschismus
Wir beziehen uns auf die Schriften des russischen Revolutionärs und Marxisten Leo Trotzki. Er verstand die Methode der Einheitsfront als Mittel, das die Arbeiterklasse in eine bessere Position für eine revolutionären Machteroberung bringen sollte. Seine Analyse war, dass der Faschismus eine besondere Form bürgerlicher, also kapitalistischer Reaktion ist. Durch die Wirtschaftskrise und die um sich greifende Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahren entwickelte sich eine scharfe Polarisierung und Radikalisierung in der Arbeiterklasse und dem Kleinbürgertum, also Bauern, kleine Selbstständige, Beamte und Militärs. Die Mehrheit der lohnabhängigen Bevölkerung orientierte sich an der Sozialdemokratie, ein größer werdender Teil jedoch auch an der Kommunistischen Partei. Nicht zuletzt auch wegen den gescheiterten revolutionären Anläufen bis 1923 fehlte bei vielen radikalisierten Menschen das Vertrauen in die KPD. Kleinbürgerliche Schichten hatten weniger Hoffnung auf die Arbeiterbewegung und eine sozialistische Veränderung.
Hitler und die NSDAP stützten sich genau auf diese Gruppen und füllten mit der Wut der vom Abstieg Betroffenen ihre Reihen. Finanziert und unterstützt wurden die Nazis später von Großindustriellen wie Fritz Thyssen und Emil Kirdorf. Ihre Hoffnung war, von dem „mörderischen Klassenkampf […] befreit“ zu werden und die Arbeiterklasse vom „Marxismus abzubringen“, wie Kirdorf festhielt.
Unter dem Eindruck der konkreten Bedrohung durch den Aufstieg der NSDAP in der Weimarer Republik forderte Trotzki eine Einheitsfront der Sozialdemokratischen Partei und KPD. Beide Parteien waren Organisationen der Arbeiterbewegung mit Massenunterstützung. Die Führung der SPD hatte ihr wahres Gesicht bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 gezeigt, sei es mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten oder der Burgfriedenspolitik zwischen Kaiser und Sozialdemokratie für die Dauer des Krieges. Auch nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Rolle der SPD-Spitze nicht – sie blieb in letzter Konsequenz pro-kapitalistisch und konterrevolutionär. Trotzdem behielt die Sozialdemokratie vorerst ihre Hegemonie unter Beschäftigten und den Gewerkschaften als Arbeiterpartei mit bürgerlicher Führung.
Leo Trotzki forderte die Führung der revolutionär ausgerichteten Kommunistischen Partei auf, mit der SPD eine Aktionsfront gegen den braunen Terror zu bilden. Dabei ging es ihm darum, die Kraft der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Nazis zu bündeln, aber auch darum durch die Einheitsfronttaktik die massenhafte Basis der SPD unter ArbeiterInnen zu erreichen. Würde die SPD-Führung eine Einheitsfront ablehnen, läge die Verantwortung eindeutig bei ihr und es wäre einfacher für die KPD gewesen, die SPD-Basis zu erreichen. Stimmte die SPD zu, wäre es Aufgabe der KPD gewesen, in der gemeinsamen Aktion ihre Überlegenheit zu beweisen und den Kampf gegen die Nazis mit dem Kampf gegen den Kapitalismus zu verbinden.
Die einzige Bedingung an eine Einheitsfront mit der SPD musste sein, dass weiterhin völlige Unabhängigkeit in der politischen Agitation bestehen bleiben sollte. Nach dem Motto „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“ sollten KommunistInnen sollten keine Kompromisse eingehen, was Inhalte angeht, sondern sich die volle Unabhängigkeit bewahren. In Flugblättern, Zeitungen, Redebeiträgen und Bannern sollte herausgearbeitet werden, warum die SPD-Führung letztlich nicht die Interessen der ArbeiterInnen, sondern des Kapitals vertritt.
Ein Beispiel hierfür war die kleine Gemeinde Bruchsal. Dort gelang es den deutschen TrotzkistInnen vor 1933 eine Einheitsfront aller Arbeiterorganisation zu erreichen. Die Zeitung der trotzkistischen Organisation „Permanente Revolution“ berichtet wie der Einheitsfrontausschuss vorging. Unter dem Slogan „Gegen Abbau der Löhne und der Sozialfürsorge sowie gegen die unmittelbare drohende Gefahr eines faschistischen Regierungsterrors“ wurde zu einer Kundgebung mobilisiert. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Einheitsfrontmobilisierungen sich nicht ausschließlich gegen die Nazis richteten, sondern die sozialen Interessen der Arbeiterklasse aufgriffen.
Trotzki war überzeugt, dass SPD, Gewerkschaftsbund und KPD sowie ihre Kampfformationen mit vereinten Kräften die Nazis hätten schlagen können. Stattdessen bekämpften sich SPD und die stalinistisch geprägte KPD gegenseitig und ließen ihre Kampfformationen im entschiedenen Punkt nicht gemeinsam aufmarschieren. 1933 wurden ihre Organisationen schließlich von der NSDAP unter schrecklichsten Opfern zerschlagen.
„Einheitsfront“ mit der SPD – auch heute noch?
Außer Namen und Herkunft hat die SPD der Gegenwart nur noch wenig mit der Sozialdemokratie der Weimarer Republik gemeinsam. Weder versteht sich die SPD heute als „Arbeiterpartei“, noch wird sie von Beschäftigten als solche wahrgenommen.
Zwar hat die SPD auch heute noch einen dominanten Einfluss auf den Gewerkschaftsapparat. Sie nutzt diesen aber vor allem, um gewerkschaftliche Kämpfe zu bremsen. Die Ortsvereine der Partei haben sich geleert. Klassenkämpfe führen heute nicht mehr dazu, dass ArbeiterInnen in die Partei eintreten. Politisch hat sich die SPD mit der Einführung beispielloser Kürzungspolitik wie der Agenda 2010 bei AktivistInnen und wichtigen Teilen der Arbeiterklasse diskreditiert und gezeigt, dass sie Unternehmerinteressen vertritt.
Da es sich bei der SPD also nicht mehr um eine linke Partei handelt, hat eine gemeinsame Arbeit in Anti-Nazi-Bündnissen heute wenig mit dem Konzept der Einheitsfront zu tun, wie Trotzki es verstand. Selbiges gilt für die Grünen, die Mitverantwortung für Sozialabbau, Abschiebungen und Auslandseinsätze der Bundeswehr tragen.
Auch wenn die politische Lage heute nicht mit den 1920er und 1930er Jahren verglichen werden kann, so lehrt die Geschichte doch, das Übel an der Wurzel zu packen und den Widerstand gegen Faschismus mit dem Widerstand gegen die soziale Krise zu verbinden.
Dabei muss es auch darum gehen, solche Teile der Arbeiterklasse zu erreichen, die für die soziale Demagogie der Nazis anfällig sind. Aber auch wollen wir MigrantInnen nicht dazu zu nötigen, mit denjenigen Parteien unter einem Banner laufen zu müssen, die für rassistische Ausländergesetze und Abschiebungen mitverantwortlich sind.
Nun haben aber SPD und Grüne in den letzten Jahren in vielen Orten ihre Politik geändert und sind bereit, sich an antifaschistischen Blockaden zu beteiligen. Das ist vor allem Ergebnis des Drucks der LINKEN und von antifaschistischen Bewegungen. SPD und Grüne wollen sich nicht vorwerfen lassen, nur an moralischen Alibi-Aktionen und nicht am entschlossenen Kampf gegen Rechts teilzunehmen. Wie ist nun damit umzugehen?
Praktische Schlussfolgerungen
Wie schon gesagt, treten wir nicht dafür ein, SPD und Grüne in antifaschistische Bündnisse einzuladen bzw. inhaltliche Zugeständnisse zu machen, um diese in ein Bündnis zu integrieren. Das bedeutet jedoch nicht, antifaschistische Bündnisse aus Prinzip für SPD- und Grüne-Mitglieder zu verschließen.
Was aber tun, wenn SPD und Grüne ebenfalls zu Blockadeaktionen aufrufen und gemeinsame Aktionsbündnisse vorschlagen oder in solche eintreten wollen? Als Leitlinie hierfür ist grundsätzlich festzuhalten, dass keine Abstriche bei der Aktionsform gemacht werden sollten. Das könnte bedeuten, nicht dem Anpassungsdruck der bürgerlichen Parteien nachzugeben, wenn das die Effektivität von Mobilisierungen und Blockaden untergräbt. Wir wollen keine symbolischen Pseudoblockaden, wo AntifaschistInnen nach der ersten Aufforderung der Polizei aufstehen und den Nazis den Weg frei machen.
Ein solches Vorgehen kann keine nachhaltige antifaschistische Bewegung aufbauen, weil es letztlich dem bürgerlichen Staat überlassen wird, gegen die Nazis vorzugehen. Das tut dieser aber nicht. Staatliches Vorgehen gegen die Nazis geschieht entweder auf Druck von AntifaschistInnen und der Arbeiterbewegung oder wenn die Herrschenden fürchten, die Nazis könnten außer Kontrolle geraten und die innenpolitische Lage destabilisieren. Zu einer wirklich effektiven Bekämpfung oder gar Zerschlagung der Nazi-Strukturen kommt es aber durch den bürgerlichen Staat nicht, weil die Faschisten aus Sicht der Herrschenden eine Hilfsfunktion bei der Spaltung der Arbeiterklasse und der Einschüchterung von MigrantInnen und Linken einnehmen.
Die Verbindungen zwischen Teilen des Staatsapparats und den Nazis, wie sie zuletzt beim Skandal um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) deutlich wurden, können deshalb auch nicht überraschen. Auch die Tatsache, dass das erste NPD-Verbotsverfahren scheiterte und das aktuelle nun schon zwei Jahr diskutiert wird, drückt aus, dass die politisch Verantwortlichen kein Interesse haben wirklich durchzugreifen. Beim Kampf gegen die Nazis ist letztlich kein Verlass auf Staat, Justiz und Polizei.
Bei Naziaufmärschen sind es in zahllosen Fällen Einsatzleiter und Polizeipräsidenten (oft genug mit SPD-Parteibuch in der Tasche), die den Befehl geben, Blockaden gewaltsam räumen und den Rechten den Weg frei prügeln zu lassen. Antifaschistische AktivistInnen werden als „LinksextremistInnen“ abgestempelt, und mit den Nazis auf eine Stufe gestellt. Das drückt sich auch in Zahlen aus: so meldete das Bundesinnenministerium, Linke hätten 2013 8.673 politisch motivierte Straftaten verübt – 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Für den satten Anstieg sind vor allem „Verstöße gegen das Versammlungsgesetz“ verantwortlich. Dahinter verbergen sich auch hunderte Fälle von Sitzblockaden, viele davon gegen Demonstrationen der Nazis. BlockiererInnen werden kriminalisiert und strafrechtlich belangt, nur weil sie sich entschlossen gegen die Rechten engagieren.
Anstatt Illusionen in den bürgerlichen Staat zu schüren, sollte eine vorrangige Aufgabe deswegen auch sein, Beschäftigte, Jugendliche und Erwerbslose jeglicher Herkunft aufzurufen, selbst aktiv zu werden und sich zu organisieren.
„Dortmund stellt sich quer“…
Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ (DSSQ) ist ein Beispiel, wie mit der Methode der Einheitsfront die Mobilisierung zu Anti-Nazi-Blockaden mit linken politischen Themen verbunden werden kann. Die Situation hier zeigt aber auch, dass sich die Fragestellung nach einer korrekten Bündnispolitik mitunter kompliziert gestaltet und taktische Flexibilität gefragt ist.
In Dortmund organisieren Kader der Partei „Die Rechte“, der Nachfolgeorganisation des verbotenen „Nationalen Widerstands“, jährlich Aufmärsche unter dem Motto des „Nationalen Antikriegstags“ mit teilweise über 1.000 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet. Hier okkupierte die Gruppe einen Gedenktag der Friedensbewegung, der an den faschistischen Überfall auf Polen und damit den Beginn des 2. Weltkriegs erinnern soll. Gezielt wurde versucht, die Stimmung gegen militärische Interventionen wie in Afghanistan aufzugreifen, nicht jedoch um eine grundsätzliche Anti-Kriegsposition einzunehmen, sondern um dies für ihre menschenverachtende Ideologie zu wenden. Ihr „Nie wieder Krieg!“ meinte tatsächlich „Nie wieder Krieg nach unserem Sieg“ (Zitat von Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, „Die Rechte“ Dortmund).
Bei der Gründung von „Dortmund stellt sich quer“ 2009 ging es hauptsächlich darum, Blockaden gegen den alljährlichen Naziaufmarsch am Antikriegstag zu organisieren. Hier bildete sich ein Bündnis aus linken, antifaschistischen und migrantischen Organisationen. Weniger beteiligt war die lokale autonome Antifa, die zu einem wesentlichen Teil „antideutsch“ geprägt war und in der Vergangenheit gegen Linke und Gewerkschaften agitiert und diese beispielsweise in einem Demonstrationsaufruf auf eine Stufe mit den Nazis gestellt hatte.
Im Gegensatz dazu machte DSSQ mit einem nicht sektiererischen, offenen Anspruch und antimilitaristischen Aktionen im Zusammenhang mit dem Antikriegstag auf sich aufmerksam. Ziel war es, nicht nur den braunen Aufmarsch zu blockieren, sondern auch den Gedenktag der Friedensbewegung zurückzuerobern. So gab es am Vorabend des Naziaufmarschs viele Jahre lang eine eigene Antikriegsdemo. Nicht nur in der linken Szene hatte es stets geholfen, ein Angebot zu haben, sowohl gegen Krieg, als auch Nazis demonstrieren zu können. Auch bei der Mobilisierung auf der Straße gab es sehr positive Rückmeldungen über diese Verknüpfung.
Unsere Mitglieder haben zusätzlich vorgeschlagen, soziale Themen mehr in den Vordergrund zu rücken. Dies wurde auch dringend nötig, versuchte doch „Die Rechte“ in Dortmund mit braunen pseudo-sozialen Parolen auch noch den 1. Mai, den traditionellen Kampftag der Arbeiterklasse, zu einem zweiten Tag für ihre jährlichen Aufmärsche zu machen. So verbreitete DSSQ einen linken Aufruf für Arbeit und Soziales statt kapitalistischer Krise und Sozialkürzungen auf. Zusätzlich wurde in der politischen Außendarstellung des Blockadebündnisses auch die Brücke zu Mobilisierungen wie bei Blockupy und den sozialen Kämpfen in Griechenland und der Türkei geschlagen, sowie betriebliche Auseinandersetzung für Arbeitnehmerrechte angesprochen. Es wurde erklärt, warum Nazis von der sozialen Misere profitieren und statt eine Alternative dazu anzubieten, eine Gefahr für die arbeitende Bevölkerung darstellen, mit ihrer Hetze zur Spaltung beitragen und damit die Situation nur massiv verschlechtern.
Anstatt vorrangig mit Verbotsforderungen an den zu Staat appellieren, skandalisierte „Dortmund stellt sich quer“ die Verhältnisse in der Stadt. Deutlich ausgesprochen wurde immer wieder, wie die Verantwortlichen in Politik und Polizei das Naziproblem verharmlosten bzw. ignorierten und den Aufmarsch Jahr für Jahr mit großer Brutalität gegen die Gegenproteste durchprügeln ließen. DSSQ klüngelte nicht mit den etablierten Parteien in der Stadt, sondern setzte einen Schwerpunkt darauf, die Selbstaktivität gerade in den migrantisch geprägten Nachbarschaften des Aufmarschgebiets zu stärken, mit öffentliche Veranstaltungen und Blockadetrainings, Infotouren mit Lautsprecherwagen und so weiter.
In Abgrenzung zur linkspolitischen und antimilitaristischen Ausrichtung haben sowohl die antideutsch geprägten Antifas als auch Jusos, Grüne und mit ihnen verbundene bürgerliche Gruppen jeweils eigene Bündnisse zur Verhinderung der Naziaufmärsche gegründet. Dort ging es ebenfalls darum, zu blockieren.
Auch im Vergleich zu diesen Bündnissen kann DSSQ auf sehr gute Mobilisierungskampagnen und zahlreiche gelungen Blockadeaktionen zurückblicken, bei denen die sozialen und politischen Ursachen und Hintergründe von Rassismus und Faschismus thematisiert wurden. Trotz alledem gelang es bisher nicht, den jährlichen braunen Aufmarsch wie in Dresden endgültig zur Geschichte zu machen.
So wurde die Frage immer wieder von Menschen von außerhalb der Bündnisstrukturen gestellt, ob es nicht effektiver sei, sich auch hier mit den anderen Kräften zusammenzutun. Für viele war nicht nachvollziehbar, warum so viele unterschiedliche Bündnisse existierten, vor allem weil die gemeinsame Koordination zwischen den Bündnissen für effektive Blockaden nicht ausreichend funktionierte.
…und „BlockaDO“?
Auch unter den autonomen Antifas in der Stadt wurde diese Diskussion geführt. Antideutsche Ideen, die sonst für erhebliche Konflikte gesorgt hatten, spielen heute keine solche Rolle mehr und es gibt eine Offenheit für gemeinsame Aktionen. Letztlich ergriffen die Autonomen Anfang 2014 die Initiative, anlässlich des Nazi-Aufmarsches am 1.Mai ein neues Aktionsbündnis zu gründen – BlockaDO.
An BlockaDO sind letztlich neben verschiedenen autonomen, antirassistischen und linken Gruppen und „Dortmund stellt sich quer“ auch Die Falken, Grüne und Piraten beteiligt. SPD und Jusos wurden ebenfalls von den Autonomen eingeladen, unterstützen BlockaDO bisher aber nicht, auch wenn einige Mitglieder als Einzelpersonen dabei sind.
Vorschläge von unseren Mitgliedern, wie bei DSSQ weitergehende politische Positionen gegen Krieg und Sozialabbau zu vertreten, wurden wie in Dresden aus Rücksichtnahme gegenüber den (gewünschten) Bündnispartnern abgelehnt. Es blieb bei dem einzigen gemeinsamen Nenner: Nazis blockieren. Hierzu wurde ein entsprechender Aktionskonsens für zivilen Ungehorsam und Blockadeaktionen verabschiedet. Das neue Blockadebündnis wurde somit als Aktions- und Koordinierungsplattform konzipiert, nicht als politisches Bündnis. Es gilt das Prinzip, dass BlockaDO darauf verzichtet, politische Aussagen zu treffen, die Gruppen im Bündnis nicht teilen. Jede beteiligte Gruppe kann weiterhin politisch unabhängig auftreten. „Dortmund stellt sich quer“ brachte zum Beispiel eigenes Material heraus, mit dem linke Inhalte verbreitet wurden.
Praktisch hat die Zusammenarbeit im Rahmen von BlockaDO bei der Organisierung der Blockaden am 1. Mai 2014 die Koordination und Mobilisierung verbessert. Durch die dort getroffenen Absprachen konnten über Stunden Straßen, S-Bahnen und Gleise blockiert werden, was den Aufmarsch der Nazis deutlich behindert hat. Eine praktische Koordination mit allen blockadewilligen Kräften ist aber etwas anderes, als die Bildung dauerhafter politischer Bündnisse, die entsprechend politische Aussagen treffen und gemeinsam auftreten.
Ob linke Kräfte die Teilnahme von Parteien wie SPD und Grünen in Aktionsbündnissen akzeptieren sollen, hängt von den konkreten Bedingungen vor Ort ab, vor allem davon, ob dafür Zugeständnisse bei der Durchführung konsequenter Blockaden gemacht werden müssen oder nicht. Feststehen sollte, dass Linke ihre Kritik an SPD und Grünen in solchen Aktionsbündnissen nicht zurückstecken dürfen und weiterhin dazu aufrufen, Widerstand gegen die rassistische und unsoziale Politik der Bürgerlichen zu leisten. In solchen Aktionsbündnissen sind unsere Mitglieder kompromissbereit. Bei der Gründung von BlockaDO haben wir die ausgeführten Grundpositionen nicht zur Bedingung für unsere Beteiligung an den Aktivitäten gemacht, aber ein solches Programm in dem Bündnis vorgeschlagen.
Die Bildung dauerhafter antifaschistischer Bündnisse mit SPD und Grünen hilft nicht, eine starke Bewegung gegen Rassismus und Faschismus aufzubauen, die den Rechten den Nährboden entziehen kann. Eine Antwort auf den Faschismus und seine Ursachen lässt sich zusammen mit prokapitalistischen Kräften nicht finden. Denn letztlich können antifaschistische Bewegungen nur Erfolg haben, wenn sich linke Kräfte in Opposition zu den Etablierten organisieren und den Kampf gegen den Faschismus mit dem Kampf gegen seine sozialen Ursachen, die im Kapitalismus selbst liegen, verbinden.