20 Jahre seit dem Durchbruch der Sozialistischen Schottischen Partei

Die Lehren für heute ziehen

Die Schottische Sozialistische Partei (SSP) begann mit einer starken Basis in den Bezirken der Arbeiter*innenklasse und den Gewerkschaften. Aber mit der Zeit sahen sie ihre Unterstützung davongleiten – als sie ihr Programm und ihre Orientierung auf die Arbeiter*innenklasse verwässerten sowie durch Zugeständnisse an den Linksnationalismus. Phillip Stott erklärt die zahlreichen Lehren für heute:

Philip Stott ist Mitglied der Socialist Party Scotland, Schwesterpartei der Sozialistischen Alternative in Schottland und die schottische Sektion des Komitees für eine Arbeiterinternationale. Der Artikel erschien ursprünglich in der Mai-Ausgabe des englischsprachigen Theorie-Magazin “Socialism Today” der Socialist Party England & Wales.

Montag, der 6. Mai, markiert 20 Jahre seit der ersten Wahl zum heutigen schottischen Parlament. Unter den 129 gewählten Mitgliedern (MSPs, Mitglieder des Schottischen Parlaments), befand sich auch Tommy Sheridan, Vertreter der Schottischen Sozialistischen Partei (SSP). Tommy war ein Führer der Massenbewegung gegen die Poll-Tax (Kopfsteuer, Anm. d. Ü.) in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren und war damals noch Mitglied des Komitees für eine Arbeiterinternationale (engl. CWI – Die internationale Organisation, welcher die SAV angehört).

Vier Jahre später erhöhte die SSP ihre parlamentarische Vertretung auf sechs Abgeordnete und gewann beeindruckende 128.000 Stimmen in ganz Schottland. Bis 2007 wurden diese Gewinne jedoch nach einem Gerichtsverfahren und einer größeren Spaltung zunichte gemacht. Seitdem wurde kein/e eindeutig sozialistische Kandidat*in in das Parlament gewählt.

Der Aufstieg und Fall der SSP ist reich an wertvollen Lehren. Vor allem darüber, wie sozialistische und marxistische Organisationen durch das derzeit komplexe politische Terrain navigieren und dabei dem Druck widerstehen, ihr prinzipientreues und sozialistisches Programm zu verwässern. Es gibt also viel zu lernen für eine neue Generation von Arbeiter*innen und Jugendlichen, die eine sozialistische Alternative zu dem Chaos suchen, das derzeit das kapitalistische Establishment international heimsucht.

Auf seinem Höhepunkt hatte die SSP neben sechs Abgeordnete im schottischen Parlament, 3.000 Mitglieder, eine Vielzahl von Ortsgruppen und die Unterstützung wichtiger Gewerkschaftsorganisationen. Im Jahr 2003 stimmte, die der Labour Party angehörige Gewerkschaft Rail Maritime and Transport (RMT, Gewerkschaft der Bahn, Schiff und Transportarbeiter*innen), auf ihrer jährlichen Delegiertenkonferenz dafür, dass ihre Ortsgruppen sich der SSP anschließen können.

Der damalige RMT-Generalsekretär, Bob Crow, sagte: „Die Gewerkschaftsbewegung würde “die Hölle heiß machen”, wenn die Tories einige der aktuellen politischen Maßnahmen der Labour Party eingeführt hätten. Unsere Position im Moment ist, dass wir der Labour Party angeschlossen bleiben, bis jemand anderes kommt. Das könnte durchaus die SSP sein. Wenn sie sich dafür einsetzt, dass der Ausverkauf der kaledonischen MacBrayne [Fährdienste] gestoppt wird, wenn sie für die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn kämpft, dann werden meiner Meinung nach unsere Mitglieder in Schottland versuchen, die SSP zu unterstützen“

Als Vergeltung schloss die von den Blairites dominierte Labour Party die Gewerkschaft aus der Partei aus. Teilweise als Antwort darauf schloss sich die Communications Workers Union (CWU, Gewerkschaft der Kommunikationsarbeiter*innen) schottische Niederlassung Nummer 2, mit 4000 Post-Arbeiter*innen, der SSP an. Diese Beispiele illustrierten das Potenzial der SSP sich zu einer Partei mit bedeutender gewerkschaftlicher Unterstützung zu entwickeln. Aber die Fehler ihrer Führer*innen, die 2001 mit dem CWI und ihrer politischen Vergangenheit gebrochen hatten, führt zur Vergeudung dieses Potenzials.

Nach 2006 und der Spaltung der SSP, trennten sich die RMT, sowie die Niederlassung der CWU wieder von der SSP. Erst mit dem Auftreten der Trade Unionist and Socialist Coalition (TUSC, Gewerkschafter*innen und Sozialist*innen Koalition) im Jahr 2010 – eine Initiative der Socialist Party zusammen mit Bob Crow und anderen führenden Gewerkschafter*innen – begann die RMT wieder sich im Kampf für den Aufbau einer sozialistischen politischen Alternative für die Arbeiter*innenklasse zu beteiligen.

Militante Wurzeln

Für die neuere Generation von klassenbewussten Arbeiter*innen und sozialistisch eingestellten jungen Menschen in Schottland ist die SSP eine vage Erinnerung. Dennoch sind die zentralen politischen Lehren des Zusammenbruch der SSP und die Gründe dafür wichtig für diejenigen, die heute nach sozialistischen Ideen suchen. Vor allem, für alle Marxist*innen, die mit den gegenwärtigen Komplikationen des vorübergehenden Fehlens von massenhaften Kämpfen der Arbeiter*innenklasse und eines relativ niedrigen Levels von sozialistischem Bewusstsein kämpfen.

Die überwältigende Mehrheit der Führung der SSP waren Unterstützer*innen von Militant – heute bekannt als Socialist Party. Militant entwickelte sich zur größten marxistischen und trotzkistischen Organisation in Großbritannien in den 1980er Jahren. Wir führten Massenkämpfe, unter anderem standen wir an der Spitze der Anti-Poll-Tax-Bewegung, welche zu ihren Höhepunkt 18 Millionen Menschen vereinigte, die sich weigerten die Steuer zu zahlen.

Militant in Großbritannien hatte bedeutenden Einfluss in den Gewerkschaften und der Labour Party. Drei unserer Unterstützer, Pat Wall, Dave Nellist und Terry Fields, wurden als Labour-Abgeordnete gewählt, die von einem durchschnittlichen Facharbeiter*innenlohn lebten. Militant erntete den Hass der herrschenden Klasse für ihre kompromisslosen Einsatz bei der Verteidigung der Arbeiter*innenklasse. Vor allem aufgrund unserer führenden Rolle im Liverpooler Stadtrat von 1983 bis 87, als wir Margaret Thatchers Tory-Regierung eine brutale Niederlage zufügten. Was für ein Kontrast zu heute, wo man kaum eine/n einzelne Labour-Stadträt*in findet, geschweige denn einen ganzen Rat, der sich weigert Kürzungen vorzunehmen.

In Schottland baute Militant ebenfalls eine starke Position in Betrieben, einer Reihe von Gewerkschaften und der Labour Party auf, insbesondere bei den Young Socialists (engl. Jungssozialisten Anm. d. Ü.), der Jugendorganisation der Labour Party. Scottish Militant Labour (SML) wurde 1991 nach einer langen Debatte in Militant und dem CWI auf Vorschlag der Führung gegründet, um eine offene Organisation in Schottland zur etablieren. Dies markierte eine Abkehr von unserer jahrelangen Arbeit in der Labour Party.

Die offene Wende

In den frühen Neunzigern wurde die Labour Party weitgehend von einer bürgerlichen Arbeiter*innenpartei – mit einer prokapitalistischen Führung, die unter Druck ihrer Arbeiter*innenklasse- und Gewerkschaftsbasis Reformen durchführte – durch und durch zu einer Partei des Kapitalismus transformiert. Sie verlor ihrer Mitglieder aus Arbeiter*innenklasse und die demokratischen Strukturen der Partei wurden größtenteils ausgelöscht. Die Linke, besonders Militant-Unterstützer*innen, wurden aus der Labour Party von der rechten Führung ausgeschlossen, angeheizt durch die kapitalistische Presse. Die Labour Party Young Socialists wurden aufgelöst und als Nachwuchsschule für angehende Karrierist*innen neu gestartet.

Unter diesen Umständen erkannte das CWI und die Militant-Führung in Großbritannien, dass die Arbeit außerhalb der Labour Party die beste Möglichkeit bot, die Kräfte des Marxismus aufzubauen. Genoss*innen in Schottland produzierten zusammen mit der Militant-Führung für ganz Großbritannien ein Dokument, dass für eine “Offene Wende” in Schottland argumentierte. Eine große Debatte fand statt, die die Formierung einer Minderheits-Fraktion um Ted Grant und Alan Woods, die in der Labour Party bleiben wollten, beinhaltete. Nach der Debatte und überwältigenden Zustimmung für eine offene Wende, trennten sie sich vom CWI. Die Dokumente zu dieser Debatte können auf (englisch-sprachigen) Website www.marxists.net/openturn nachgelesen werden.

SML erzielte Anfang der 1990er Jahre eine Reihe wichtiger Gewinne, die sich aus unserer führenden Rolle in der Anti-Poll-Tax-Kampagne ergaben. Es war Militant, welche die massenhafte Boykott-Strategie anführte und die treibende Kraft bei der Unterstützung zur Gründung von Anti-Poll-Tax-Vereinigungen und Föderationen, die den Kampf anführten und organisierten.

Tommy Sheridan wurde in die Führung der Massenbewegung katapultiert und das half dabei der SML einen gewaltigen Impuls zu geben. Tommys Verhaftung 1992, weil er einer gerichtlichen Anordnung nicht an einer Massendemonstration teilzunehmen, die die Vollstreckung von Haftbefehlen durch Polizeioffiziere verhinderte, nicht nachkam, ging für die herrschende Klasse spektakulär nach hinten los. Aus dem Gefängnis gewann er 6.200 Stimmen für den Pollok-Sitz in Glasgow – er wurde Zweiter und besiegte die Schottische Nationalpartei (SNP) bei den Parlamentswahlen. Einen Monat später wurde er aus seiner Gefängniszelle in den Bezirksrat von Glasgow gewählt – Ein Ergebnis das Schockwellen durch das politische Establishment Schottlands schickte.

Die SML erzielte einige atemberaubende Wahlsiege, und Ende 1992 hatten wir vier Bezirksräte in Glasgow und zwei im Regionalrat von Strathclyde. Zwischen Mai 1992 und Februar 1994 erhielt die SML durchschnittlich 33,3% der Stimmen bei den 17 Wahlen zu denen wir antraten. Im Juni 1994 erhielt Tommy Sheridan, der in Glasgow für die SML kandidierte, bei den Europawahlen über 12.000 Stimmen, 7,5% der stadtweiten Stimmen. Dies lässt sehr gut mit 18.500 Stimmen (7,6%) vergleichen, die er 1999 erhielt, als er das erste Mal in das schottische Parlament als SSP-Kandidat gewählt wurde.

Das Klassenbewusstsein wird zurückgeworfen

Diese Erfolge konnten jedoch nicht vollständig aufrechterhalten werden, insbesondere angesichts der komplexen und schwierigen politischen Situation nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten in Russland und Osteuropa 1989/90. Es war eine herausfordernde Zeit für Sozialist*innen und Marxist*innen international. Peter Taaffe, ein führendes Mitglied des CWI, fasste es in seinem Buch “Marxismus heute” (seit Mai in deutscher Übersetzung beim Manifest Verlag erhältlich) zusammen:

“Die Situation in den 90er Jahren erwies sich als schwieriges Terrain für das CWI und andere die auf der Linken standen, insbesondere für sozialistische und marxistisch-trotzkistische Linke. Der Zusammenbruch des Stalinismus eröffnete eine ganz andere Periode verglichen mit dem womit vorherige Generationen im 20. Jahrhundert konfrontiert waren; es war in gewisser Weise die schwierigste seit 50 Jahren. Keine andere trotzkistische „Internationale“ verstand so schnell und deutlich die Hauptmerkmale der Situation, die sich aus dem Fall der Berliner Mauer ergab, wie das CWI. Mit dem Fall der Berliner Mauer fielen nicht nur der Stalinismus, sondern auch die Planwirtschaften Osteuropas und der Sowjetunion. Der Zusammenbruch des Stalinismus gab dem Weltkapitalismus die Möglichkeit, den „Sozialismus“ als „historisches Versagen“ zu bezeichnen – er setzte den Sozialismus fälschlicherweise mit den stalinistischen Regimen gleich.

Dies wiederum gab ihnen die Möglichkeit, eine heftige ideologische Kampagne gegen die Ideen des Sozialismus zu führen. Gleichzeitig argumentierten sie auf tausend Plattformen, dass nur der „Markt“ ein dauerhaftes Modell für die Menschheit darstellen könne. Dies wurde durch Francis Fukiyamas “ ausgeklügelte “ Behauptung, dass die “ Geschichte zu Ende ist „, zusammengefasst. Damit meinte er, dass die liberale, kapitalistische Demokratie nicht verbessert werden könne. Es war also die einzige Form der Organisation der Gesellschaft, die jetzt möglich oder wünschenswert war“.

Das Zurückwerfen des sozialistischen Bewusstseins unter weiten Teilen der Arbeiter*innen und Jugendlichen wurde von einem Schwung nach rechts und zu einer neoliberalen kapitalistischen Position der Führer*innen der Labour Party in Großbritannien – und ihrer Gegenstücke in den ex-sozialdemokratischen Parteien international – begleitet.

Dem CWI war klar, dass der Prozess, durch den diese Parteien in kapitalistische Formationen umgewandelt wurden, den Aufbau neuer Massenarbeiter*innenparteien nötig machte. Wir haben jedoch auch die Notwendigkeit verteidigt, weiterhin eigenständige und geschlossene revolutionäre marxistische Organisationen aufzubauen. Der Druck, die eigenständige revolutionäre Organisation und ihr Programme aufzulösen, war groß. Zunehmend erlagen die Führer der SML diesem Druck und kamen zu dem Schluss, dass es nicht mehr möglich oder sogar wünschenswert sei, eine marxistische Organisation aufzubauen.

Die Spaltung in Schottland

Anfang 1998 schrieb Alan McCombes ein vom SML-Exekutivkomitee verabschiedetes Dokument mit dem Titel “Erste Vorschläge für eine neue Schottische Sozialistische Partei”. Darin wurde vorgeschlagen “Scottish Militant Labour zugunsten einer breiteren sozialistischen Partei aufzugeben”, um sich für die schottischen Parlamentswahlen 1999 vorzubereiten. Genauer gesagt, war es ein Aufruf zur Auflösung von SML durch die Übertragung aller Vollzeitkräfte, Büros und Ausrüstungen auf eine neue schottische Sozialistische Partei und zur Auflösung der zusammenhängenden revolutionären Organisation, die über Jahrzehnte in Schottland aufgebaut worden war.

Die überwältigende Mehrheit der Führung und der nationalen Sektionen des CWI lehnten dies ab. Die CWI-Führung schlug stattdessen zwei Alternativen vor. Option eins war der Neustart von SML als marxistische SSP, das dem CWI angeschlossen ist. Option zwei bestand darin, die Schaffung der SSP als breite sozialistische Partei zu unterstützen, aber eine organisierte und gut ausgestattete marxistische Kraft in ihr aufrechtzuerhalten. Nach sechsmonatiger Debatte und Diskussion stimmte die Mehrheit der SML jedoch dafür, mit der Gründung der SSP voranzugehen und gleichzeitig eine locker organisierte Plattform für CWI-Mitglieder in der breiteren Partei beizubehalten. (Viele der wichtigsten Dokumente aus der „schottischen Debatte“ können auf marxist.net/scotland gelesen werden.)

In Wirklichkeit ging es bei der Debatte in den Reihen des CWI über die Gründung der SSP um die Notwendigkeit, eine revolutionäre Partei, Politik und ein revolutionäres Programm zu bewahren. Die schottische Führung hatte die Schlussfolgerung gezogen, dass dies veraltet, überholt und historisch überflüssig sei. Ihr Aufgeben der revolutionären Partei war eine direkte Folge der Erfahrung der 90er Jahre, des Rückschlags des politischen Bewusstseins und der gewissen Isolation der Marxist*innen zu dieser Zeit.

Die Führer*innen der SSP, in der Art wie sie die Partei gründeten, begannen schon von konsistenten sozialistischen Positionen zu brechen und versuchten die marxistischen Kräfte, die unter dem Banner von Militant aufgebaut worden waren, zu liquidieren. Ironischerweise basierte der Erfolg des SSP in der Anfangsphase größtenteils auf der politischen Autorität und der Unterstützung, die Militant und SML aufgebaut hatten. Alan McCombes und die anderen Führer der SSP, darunter Tommy Sheridan – zu diesem Zeitpunkt ein MSP – verließen das CWI im Januar 2001. Sie behaupteten, dass „das [trotzkistische] Modell, das sie [das CWI] anzuwenden versuchten, obsolet sei, wenn es überhaupt jemals ein realistisches Projekt war“.

Schon vor ihrem Austritt schlugen die Führer der SSP neue „Leitlinien“ für die SSP vor, die darauf bestanden, dass organisierte Gruppen in der Partei ihre eigenen Zeitschriften oder Zeitungen nicht öffentlich verkaufen sollten. In den Leitlinien heißt es auch, dass es keine „Partei innerhalb einer Partei“ geben sollte, und dass „Plattformen nicht mit einer vordefinierten Linie in die Diskussionen der Partei eintreten sollten“. Diese Methoden, wie wir damals betonten, zeigten mehr Ähnlichkeit mit denen, die vom rechten Flügel der Labour Party in der Vergangenheit gegen Militant angewandt wurden, als mit den Methoden des Marxismus.

Politischer Niedergang

Anfang 2000 bildete eine Minderheit von CWI-Mitgliedern in Schottland eine Fraktion, die für den Wiederaufbau einer marxistischen Organisation kämpfte. Nach der Spaltung wurde die Minderheitsfraktion zur schottischen Sektion des CWI – heute Socialist Party Scotland. Von Anfang an fanden wir uns in der Opposition zum politischen Niedergang der SSP-Führung wieder, die sich schnell von den politischen Ideen, für die sie einst standen, abwandte. Dies spiegelte sich in einer Reihe von wichtigen Debatten über das politische Programm und die Richtung wider, die die SSP einschlagen sollte.

Vor und auch nach der Wahl von Tommy Sheridan zum MSP im Jahr 1999 wurde von der Führung des SSP verstärkt Wert auf die Wahlpolitik gelegt. Dies wurde durch eine politische Anpassung an reformistische Ideen untermauert. So hat Alan McCombes in seinem Entwurf des europäischen Manifests der SSP für die Wahlen 2004 jeden Hinweis auf die Notwendigkeit des öffentlichen Eigentums von großen Unternehmen und multinationalen Konzernen, die die schottische und europäische Wirtschaft kontrollieren, unterlassen.

Es gab auch keine Forderungen nach einer Wiederverstaatlichung der in den 1980er und 1990er Jahren privatisierten Industrien. Im Manifest heißt es, dass das Ziel der SSP darin besteht, ein „soziales Europa“ und nicht ein sozialistisches Europa aufzubauen. McCombes und die Führer der SSP lehnten Änderungsanträge von SSP-Ortsgruppen ab, in denen CWI-Mitglieder großen Einfluss hatten, und die Partei aufforderten, sich für ein sozialistisches Europa einzusetzen. Stattdessen hob die Führung der SSP, ähnlich wie die reformistische Linke der schottischen Unabhängigkeitsbewegung heute, die Beispiele Dänemarks und Norwegens als Vorbilder dafür hervor, wie ein unabhängiges Schottland, das die Reichen besteuert, funktionieren könnte. Das Manifest behauptete, dass Dänemark „einige der beeindruckendsten öffentlichen Dienstleistungen der Welt“ habe.

Dies war nicht mehr als die Unterstützung für eine 1960er-Jahre-Art des skandinavischen sozialdemokratischen Modells des Kapitalismus, bei der der Sozialismus in ferne Zukunft verbannt wurde. Dies geschah insbesondere, um an das, was sie als „aktuelles Bewusstsein“ betrachteten, anzuknüpfen und weitere gewählte Positionen zu gewinnen. Die CWI-Plattform in der SSP hingegen plädierte für folgende Position „für eine höhere Besteuerung der Reichen verbunden mit einem umfassenden Programm für die Überführung von großen Konzernen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und für ein sozialistisches Europa als einzige langfristige Lösung zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit“.

Heute hält der Druck auf Sozialist*innen und Marxist*innen an, unser Programm zu senken und klassenbezogene und sozialistischen Forderungen auszulassen. Insbesondere soll die Rolle der Arbeiter*innenklasse als Schlüsselkraft für den Wandel der Gesellschaft und den Aufbau einer sozialistischen Zukunft weniger betont werden. Im Falle des SSP vor 20 Jahren spiegelte sich dies in einer Hinwendung zum Linksnationalismus wider, der die kapitalistische Unabhängigkeit als Lösung für die Arbeiter*innenklasse darstellte.

Schottische Unabhängigkeit

Alan McCombes behauptete in seinem 2011 erschienenen Buch “Downfall”, dass er und andere daran gearbeitet hätten, SML von 1995 an schrittweise in Richtung „einer klareren Pro-Unabhängigkeitshaltung“ voranzutreiben, die die CWI-Führung nur „zähneknirschend“ unterstützte. Dabei haben Militant und das CWI immer eine sensible und prinzipientreue Position zum demokratischen Selbstbestimmungsrecht der Nationen eingenommen, indem wir unseren Ansatz auf die Analyse der Marxist*innen, einschließlich Lenin und Trotzki, stützen.

Beide kämpften für eine Politik, die sich für das Recht von Nationen und Minderheiten auf Selbstbestimmung bis hin zur Unabhängigkeit einsetzt. Sie argumentierten gegen herausragende Revolutionär*innen wie Rosa Luxemburg, die der Meinung waren, dass dies ein Zugeständnis an den Nationalismus sei. Gleichzeitig stand die von ihnen geführte bolschewistische Partei unerbittlich für die Einheit der Arbeiter*innenklasse, unabhängig von Nationalität oder Religion. Dies wurde in ihrer Vorstellung von einer freiwilligen und demokratischen sozialistischen Staatenföderation zusammengefasst.

Die auf der SML-Konferenz 1998 getroffene Entscheidung – unser Programm in der nationalen Frage zu aktualisieren und ein unabhängiges sozialistisches Schottland zu unterstützen – wurde von der CWI-Leitung unterstützt. Die Veränderung war ein Versuch, die wachsenden Gruppen von Arbeiter*innen und jungen Menschen zu erreichen, die nach Unabhängigkeit strebten. Wir taten dies, indem wir die Idee der Unabhängigkeit in den Kontext des Sozialismus stellten und gleichzeitig die Notwendigkeit der Vereinigung der Arbeiter*innenklasse erklärten, durch die Verbindung der Kämpfe von schottischen Arbeiter*innen mit denen in England, Wales und Irland. Obwohl wir extrem verständnisvoll gegenüber Menschen waren, die Illusionen in den Nationalismus hatten und die Unabhängigkeit unterstützen, versuchten wir dies immer mit dem Kampf für Sozialismus als die einzige dauerhafte Lösung gegenüber den Schrecken des Kapitalismus zu verbinden.

Allerdings nahmen die SSP-Führer die Partei nach dem Bruch mit dem CWI eine links-nationalistische Richtung ein. Zunehmend wurden dadurch das „sozialistische“ fallen gelassen und die angeblichen „Vorteile“ der kapitalistischen Unabhängigkeit beworben. So haben die MSPs der SSP dem Parlament einen Antrag vorgelegt, in dem sie argumentierten, dass „das Problem der Armut niemals gelöst werden kann, bis es eine grundlegende Umverteilung von Einkommen und Reichtum gibt, die ein unabhängiges Schottland erfordert“ (September 2003). Wir haben entgegengehalten, dass dies, ohne jeden Hinweis auf den Sozialismus, nur Illusionen hervorrufen könnte, dass die Unabhängigkeit auf kapitalistischer Basis eine Lösung für die Probleme der Arbeiter*innenklasse in Schottland wäre.

„Der klarste Weg zur Unabhängigkeit ist die schnelle, breite Straße des Unabhängigkeitsabkommens, an dem sich eine gemeinsame Front der SNP, der SSP, der Grünen und anderer unabhängiger Kräfte beteiligt“, schrieb Alan McCombes 2004. Tatsächlich schlug er einen politischen Block zwischen der SSP und der SNP vor. Dies wurde auch im Vorfeld des Unabhängigkeitsreferendums 2014 umgesetzt, als sich die SSP neben der SNP und den Grünen der Yes Scotland-Kampagne anschloss.

Vor den Parlamentswahlen 2015 forderten SSP-Führungskräfte wie Colin Fox und andere einen Wahlpakt mit der SNP, um zu vermeiden, dass sich die Pro-Unabhängigkeit Parteien gegeneinander stellen. Heute fordert Tommy Sheridan offen eine Stimmabgabe für die SNP. Dies geschieht trotz der Rolle der SNP bei der Umsetzung drastischer Kürzungen im Parlament von Holyrood und in den Gemeinderäten.

Diese und viele andere Beispiele zeigen den grundlegenden Bruch der Führer der SSP von den Grundideen und dem Ansatz des Marxismus. Das CWI in Schottland konterte dies, indem es für die Unterstützung eines unabhängigen sozialistischen Schottlands plädierte, das mit einer sozialistischen Föderation mit England, Wales und Irland verbunden ist. Wir haben versucht, die politische Unabhängigkeit von prokapitalistischen Kräften, einschließlich der SNP, zu gewährleisten.

Der Kollaps der SSP

Als im November 2004 eine Krise durch Artikel über Tommy Sheridans Privatleben ausbrach, waren die Führer der SSP auf dem Rückzug von den Ideen und Prinzipien, die sie einst verteidigten. Politisch entwaffnet durch ihren Rechtsruck, kapitulierten sie auf die erbärmlichste Weise, als die Murdoch-Presse nach der führenden Figur der SSP verlangte. Sie beschlossen, dass Tommy Sheridan geopfert werden sollte, um „die Partei zu schützen“ und baten ihn, als Vorsitzender der Partei zurückzutreten. Damit sorgten sie für die Zerstörung der SSP.

Nach seinem Sieg im Diffamierungsverfahren gegen die inzwischen nicht mehr existierende News of the World spaltete sich die SSP. Tommy ging um Solidarity zu gründen, was vom CWI unterstützt wurde, um etwas Positives aus dem Wrack der SSP-Krise zu retten.

Wir haben Tommy im Kampf gegen das Murdoch-Imperium unterstützt, wie es die überwältigende Mehrheit der klassenbewussten Arbeiter*innen tat. Wir haben uns gegen die Aktionen der SSP-Führer gewandt, die zweimal vor Gericht gegen ihn aussagten, was schließlich zu Tommys Verurteilung wegen Meineids im Jahr 2010 führte. Wie wir damals kommentierten: „Es ist historisch belegt, dass die Verfolgung von Tommy Sheridan nur durch die aktive und bewusste Zusammenarbeit der SSP-Führung mit der Polizei, der Justiz und der Murdoch-Presse möglich war“.

Heute ist die SSP eine Hülle ihrer früheren Selbst, wie ihr nationaler Sekretär bei seinem Rücktritt aus der Partei im Jahr 2018 ausdrückte: „Die SSP fühlt sich mehr denn je wie eine Organisation an, die sowohl politisch als auch praktisch im Niedergang begriffen ist. Es ist ein Schatten der Organisation, der ich 2013 beigetreten bin, ganz zu schweigen von dem, was sie vor 15 Jahren auf ihrem Höhepunkt war“.

Die meisten der ehemaligen Führer von Scottish Militant Labour haben sich aus dem aktiven politischen Kampf gegen den Kapitalismus zurückgezogen. Eine Zeit lang schufen die Trümmer, die aus ihrer politischen und theoretischen Aufgabe des echten Marxismus resultierten, eine Barriere für diejenigen, die nach sozialistischen Ideen in Schottland suchten. Sie begannen nicht mit einem solchen Plan, aber der kumulative Effekt der schrittweisen Anpassung an die relative Isolation, mit der Marxist*innen in den 90er Jahren konfrontiert waren, machte sie anfällig für fremden Klassenzwang. Lenin wies 1921 darauf hin: „Ein Fehler beginnt immer damit, klein zu sein und größer zu werden. Unterschiede beginnen immer mit Kleinigkeiten. Jeder hat manchmal eine winzige Wunde erlitten, aber sollte diese winzige Wunde infiziert werden, würde eine tödliche Krankheit folgen“.

Wir sind vom Erfolg der zukünftigen sozialistischen Revolution vollkommen überzeugt. Nicht zuletzt wegen der hartnäckigen Krisen, denen der Kapitalismus auf globaler Ebene ausgesetzt ist. Aber das erfordert zwei Dinge: eine Arbeiter*innenklasse, die bereit ist, bis zum Ende gegen den Kapitalismus zu kämpfen, verbunden mit einer revolutionären Massenpartei, die auf dem Programm des echten Marxismus basiert. Durch die Verteidigung der Ideen und Konzepte der revolutionären Partei stärkte sich das CWI politisch durch die „schottische Debatte“. Ein so gewissenhafter und prinzipieller Ansatz bei der Klärung und Analyse politischer Ideen ist heute ebenso wichtig, wenn der Kampf um die Schaffung einer marxistischen Masseninternationale, die die menschliche Gesellschaft aus dem kapitalistischen Chaos befreien kann, erfolgreich sein soll.

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