Sachsen: Versammlungsbehörde contra Versammlungsrecht

Verfassungsschutz erhält Daten von Linken

Es ist nicht das erste Mal, dass der sächsische Staatsapparat negativ auffällt. Ob der „Hutbürger“, der die polizeiliche Kontrolle eines Kamerateams vom ZDF bei einer PEGIDA-Demonstration durchsetzte und sich als Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA) herausstellte. Oder das sächsische SEK, dessen 2017 gekauftes Einsatzfahrzeug Schlagzeilen machte, weil es Sitzbezüge hatte, deren Gestaltung stark an NS-Symbolik erinnerte. Die Unterwanderung des sächsischen Staatsapparates durch Rechtsradikale ist beinahe greifbar.

von Steve Hollasky, Dresden

Als Folge einer Demonstration der faschistischen und militanten Kleinstpartei „Der III. Weg“ am ersten Mai in der sächsischen Kleinstadt Plauen, wurde nun bekannt, dass die zuständige Versammlungsbehörde die Daten von Anmeldern der Gegendemonstrationen an den sächsischen Verfassungsschutz übermittelte. Das ergab eine kleine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann.

So erhielt das Landesamt für Verfassungsschutz nicht nur Namen, Adressen, Telefonnummern und Email-Kontakte der Anmelder der Nazi-Demonstration, sondern auch der anmeldenden Personen und deren Stellvertreter*innen der Gegenaktivitäten. Dieses Vorgehen ist dann erlaubt, wenn die Versammlungsbehörde befürchtet, dass extremistische Personengruppen an den Veranstaltungen teilnehmen könnten.

Unter diese an sich schon eher willkürlich angewandte Sammelbezeichnung scheint die für Plauen zuständige Versammlungsbehörde auch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und sogar die Grünen zu zählen. Beide hatten am ersten Mai Aktionen gegen den rechten Aufzug angemeldet. Die Bündnisgrünen werden demnächst wahrscheinlich in einer Koalition mit der SPD und der CDU sächsische Ministerposten besetzten.

Die kleine Anfrage förderte auch zutage, dass in Leipzig in 10 und im Vogtland in 43 Fällen die Daten von Anmelder*innen und deren Stellvertreter*innen an das Landesamt für Verfassungsschutz weitergereicht wurden. Die Spitze dieser Liste hält aber die sächsische Landeshauptstadt. Dort wurden allein in diesem Jahr 180 Datensätze zur Überprüfung an die Schlapphüte weitergegeben. Welche Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen hiervon betroffen wurden, ließ das sächsische Innenministerium in seiner Antwort auf Lippmanns Anfrage außen vor. Somit kann man lediglich vermuten, dass die montäglichen Proteste gegen PEGIDA vom Verfassungsschutz durchleuchtet wurden, ebenso wie wahrscheinlich alle anderen antifaschistischen Demonstrationen. Zudem dürften auch gewerkschaftliche Versammlungen davon betroffen gewesen sein, und der vom „Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus und in der Pflege“ und der Gewerkschaft Ver.di getragene „Tag der Pflege“, den auch Mitglieder der Sol mitorganisierten.

Lippmann hielt fest, dass dieses Vorgehen Menschen durch Einschüchterung daran hindern werde, von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch zu machen. Allerdings hatte der sächsische Staatsapparat nicht vor, diese Praxis öffentlich zu machen, weshalb es wahrscheinlich nicht um Abschreckung ging. Viel mehr sollen scheinbar Daten über Linke, Antifaschist*innen und Gewerkschafter*innen in größerem Umfang gesammelt werden. Wenn man bedenkt, wie sich der sächsische Staat bislang verhalten hat, müssen angesichts diesen Umgangs mit sensiblen Daten alle Alarmglocken schrillen.

Zugleich kann der sächsische Staatsapparat kaum deutlicher sagen, auf welcher Seite er im Kampf gegen Rechte, Rassisten und Nazis bzw. für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen steht.

Wer PEGIDA oder die AfD aufhalten will, der darf sich nicht auf jene verlassen, die antifaschistische Gegenaktionen streng beauflagen und deren Organisator*innen ausspionieren lassen. Wer gegen Mietenwahnsinn kämpft, dem wird kaum ein Staat helfen, der Gesetze für Vermieter erlässt und bei Aktionen für die Rechte von Mieter*innen den Geheimdienst zu Rate zieht. Selbst wenn Mieten steigen, wird keine Kommune auf die Idee kommen privatisierte Wohnungen zu rekommunalisieren und Mieter*innen die Möglichkeit geben demokratisch über Wohnungen und Wohnungsbau zu entscheiden. Das macht nur die Kommune, die durch eine Bewegung „von unten“ dazu gezwungen wird.

Was wir erreichen wollen müssen wir er kämpfen und wer kämpfen will, muss sich organisieren!

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