Österreich nach den Wahlen

Foto: Dragan Tatic

Auf neue Angriffe vorbereiten – egal welche Regierung! Stellungnahme der Sozialistischen Offensive

 * Jede neue Regierung wird sehr wahrscheinlich instabil sein

* Wirtschaftliche Krise kommt – Gewerkschaften müssen Widerstand vorbereiten

* Arbeitnehmer/innen brauchen eine eigene Partei – eine echte sozialistische Alternative

Die Wahlen am 29. September fanden vor dem Hintergrund einer sich abkühlenden Wirtschaft statt. Gerade jetzt will die herrschende Klasse eine stabile Regierung die die kommende Krise managt. Jede der Koalitionsoptionen wird aber instabil sein. Kurz hat angekündigt mit allen zu sprechen, aber die FPÖ ziert sich, die Grünen sind vorsichtig weil gebrannte Kinder, eine Minderheitsregierung ist eine sehr unsichere Regierungsform und eine große Koalition ist unpopulär sowohl bei den Beteiligten wie auch den Wähler/innen. Die einzigen die sich um eine Regierungsbeteiligung reißen sind die Neos, aber eine schwarzpinke Koalition geht sich nicht aus und schwarzgrün kann auch ohne sie. Kurz ist also trotz des „Wahlsieges“ in einer gar nicht so leichten Position. 36% der ÖVP Wähler/innen sind gegen eine Koalition mit der FPÖ, aber 37% der ÖVP Wähler/innen sind gegen eine Koalition mit den Grünen, und sogar 59% der ÖVP Wähler/innen sind gegen eine große Koalition – d.h. alle drei Optionen sind bei Kurz-Wähler/innen unpopulär. Man kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mal ausschließen, dass es in absehbarer Zeit nochmals Neuwahlen geben wird – angesichts der kommenden Krise keine Wunschoption für die herrschende Klasse. Das IHS z.B. befürchtet bereits, dass es auf die Konsumstimmung drücken könnte, wenn die Regierungsbildung länger als bis Weihnachten dauert.

Egal wie die neue Regierung zusammengesetzt sein wird, sie wird mit der wirtschaftlichen Situation und den engeren Spielräumen umgehen müssen – und die Forderungen der Wirtschaft umsetzen. Die ÖVP hat bereits angekündigt dass sie einen Partner wollen der „Standortpolitik“ umsetzt (d.h. einen „wirtschaftsfreundlichen“ Kurs), ein Zeichen der wachsenden Spannungen zwischen den rivalisierenden kapitalistischen Klassen international. Die Parlamentsparteien stehen allesamt mit beiden Beinen fest am Boden des Kapitalismus. Sie haben daher dem Argument „Es ist ja kein Geld da“ nichts entgegenzusetzen. Sie werden die Interessen der herrschenden Klasse verteidigen und Maßnahmen treffen um den Kapitalismus zu stabilisieren. Sie werden versuchen die Kosten für die Krise der Arbeiter/innenklasse umzuhängen. Das gilt sowohl für Schwarzgrün(pink), eine Neuauflage von Schwarzblau, als auch eine eventuelle große Koalition.  Das IHS und die Agenda Austria haben bereits Wünsche an eine neue Regierung gestellt, die eine Anhebung des Pensionsalters beinhalten.

Die FPÖ hat laut SORA 250.000 Stimmen an die ÖVP und 235.000 an die Nichtwähler/innen verloren. Das Problem des Rechtsextremismus ist damit jedoch nicht gelöst – die Bedingungen für den Aufstieg des Rechtsextremismus bestehen nach wie vor (v.a. das Vakuum auf der Linken). Wenn die FPÖ in Opposition geht kann sie sich erholen und mit sozialen Themen erneut an Unterstützung gewinnen – sowohl bei einer Dirndlkoalition als auch bei einer großen Koalition. Falls Kurz erneut mit der FPÖ koaliert, mag das vielleicht manche entmutigen die auf ein Ende von Schwarzblau gehofft haben. Allerdings ist eine solche Koalition eine sehr instabile und die FPÖ wird weiterhin an Unterstützung verlieren, wenn sie Sozialabbaupolitik betreibt. Auch ist es möglich, dass in der FPÖ erneut Zentrifugalkräfte wirksam werden – zwischen jenen die in die Regierung wollen, und jenen, die in der Opposition Wähler/innen zurückholen wollen. Es ist im Moment offen wie es mit Strache selbst weitergeht und ob er selbst eine eigene Liste versucht. Die FPÖ versucht sich von ihm zu distanzieren um zumindest den Anschein einer „weißen Weste“ zu wahren. In einem Facebook Kommentar legt Strache allerdings den Finger auf eine Wunde: Er spricht davon dass der „Kuschelkurs mit Kurz“ (für den er ja auch selbst verantwortlich ist) der FPÖ geschadet habe. Aber egal was mit der FPÖ passiert, die Gefahr des Rechtsextremismus wird weiter bestehen, wenn es keine kämpferische politische Alternative mit einem sozialistischen Programm gibt.

Die ÖVP konnte von den Verlusten der FPÖ profitieren – sie hat die Hälfte der von der FPÖ verlorenen Stimmen gewonnen. Viele FPÖ Wähler/innen blieben zuhause – die Wahlbeteiligung war mit 75% diesmal deutlich niedriger als 2017 mit 80%. Nach 2013 waren diese 75% sogar die zweitniedrigste Wahlbeteiligung seit 45 überhaupt. Im Vergleich mit 2002 ist der Triumph von Kurz ein relativer – damals gingen die FPÖ Stimmen zu einem viel größeren Teil an die ÖVP, die Wahlbeteiligung war sogar auf 84% gestiegen und die ÖVP kam auf über 2 Millionen Stimmen. Gleichzeitig ist die Tatsache dass viele FPÖ Stimmen an die Nichtwähler/innen gegangen sind, ein Zeichen, dass diese sich von keiner Partei vertreten fühlen. Das ist ein weiteres Potential für alte und neue rechtspopulistische Kräfte – das allerdings begrenzt werden kann, wenn eine echte linke Alternative gegen den Sozialabbau nicht nur auftritt, sondern auch Kämpfe organisiert. Wie der Regierungseintritt der FPÖ international beobachtet wurde könnte auch der Aufbau einer solchen Alternative internationale Ausstrahlungskraft haben – und Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis haben.


Inhaltlich war diese Wahl weniger polarisiert als 2017 – und weniger von der Migrationsfrage geprägt. Die Klimakrise und Ibiza waren die vorherrschenden Themen. Gestärkt wurden dadurch die Grünen, die den Sprung ins Parlament wieder schafften und nun möglicher Regierungspartner für die ÖVP sind. Viele Grünwähler/innen, aber besonders die junge Wähler/innenschicht die die Grünen mit der Klimabewegung ansprechen konnte, werden im Falle einer grünen Regierungsbeteiligung enttäuscht werden.  

Die SPÖ ist auf einem weiteren historischen Tiefstand und hat laut SORA 200.000 Stimmen an die Grünen verloren – und diente sich im Wahlkampf trotzdem der ÖVP als williger Partner an, indem sie meinte die Rücknahme des 12-Stundentages sei keine Koalitionsbedingung. Dieses Fehlen einer klassenkämpferischen Strategie (und von Glaubwürdigkeit als klassenkämperische Kraft) ist – neben dem klimabedingten Aufwind für die Grünen – auch ein wichtiger Grund für die Verluste der SPÖ. Nach der Wahl werden bei der SPÖ die Fetzen fliegen – Drozda ist bereits zurückgetreten.  Max Lercher fordert einen Reformparteitag, ein „neues Hainfeld“ – aber es ist fraglich ob sich der radikale Anti-Kürzungskurs durchsetzt, der nötig wäre. Die sexistischen Kommentare Dornauers und seine Aufforderung „die Migrationsfrage ernstzunehmen“ repräsentieren jedenfalls keinen klassenkämpferischen Kurs sondern nur einen Versuch FPÖ zu spielen. Was nötig wäre, ist eine Absage an die Kürzungspolitik in Verbindung mit einer Absage an Rassismus und Sexismus.

Auch wenn die ÖVP vermutlich erst mit den Grünen verhandeln wird, eine große Koalition ist nicht auszuschließen auch wenn sie sowohl bei Wähler/innen wie auch der herrschenden Klasse unbeliebt ist. Wenn Kurz erneut mit der FPÖ koaliert, wird diese auf Kickl als Minister verzichten müssen – und damit hängt es an Kickl, ob dieser das akzeptiert. Die FPÖ hat bereits angedeutet in Opposition gehen zu wollen – sie wird vermutlich nicht billig zu haben sein. Eine Koalition der ÖVP mit Grünen (und NEOs) würde in wirtschaftlichen Fragen viele Gemeinsamkeiten haben – und vermutlich in gesellschaftspolitischen Fragen einen etwas liberaleren Kurs fahren als schwarzblau das getan hat. Wenn eine solche Regierung jedoch Sozialabbau betreibt könnte das die FPÖ wieder stärken, besonders wenn diese soziale Rhetorik mit rassistischer Hetze mischt. Dasselbe gilt für oberflächlich gesehen klimafreundliche Maßnahmen die die Kosten auf Arbeitnehmer/innen abwälzen wie z.B. Ökosteuern – also prokapitalistische bzw. unternehmensfreundliche Maßnahmen.  

Der Wunsch nach einer politischen Alternative wächst – auch wenn die Grünen diesmal für eine Schicht Anziehungskraft hatten, andere fühlten sich von keiner Partei wirklich angesprochen. 

Wenn man sich die Kandidaturen links von der SPÖ bei dieser Wahl ansieht, ist interessant, dass der Wandel der KP kaum Stimmen weggenommen hat – die Stimmen für die Linke sind von knapp 40.000 im Jahr 2017 aufüber 54.000 2019 angewachsen, und das trotz des Arguments der verlorenen Stimme und trotz des Drives zu den Grünen. Der Wandel hat möglicherweise eine Schicht angesprochen für die die KP vielleicht weniger interessant war. Geholfen hat dennoch sicher dass viele Entscheidungen bei diesen Wahlen klar waren (wie z.B. dass die Grünen es ins Parlament schaffen) und es leichter war, einer der Kleinparteien die Stimme zu geben. Die SLP hat diesmal leider entschieden nur in Oberösterreich anzutreten, wo sie respektable 308 Stimmen gewonnen hat (2017 waren es in Wien und Oberösterreich insgesamt 713 Stimmen). Die KP hat bereits angekündigt mit Wandel und Jetzt zusammenzuarbeiten zu wollen. Allerdings wird eine reine Addition zu einem Bündnis keine qualitative Neuerung sein – besonders wenn die Fehler wiederholt werden, die die KP in vergangenen Wahlkämpfen und Bündnissen gemacht hat.  Es ist nicht auszuschließen dass Einzelpersonen wie Daniela Holzinger eine Rolle im Prozess der Formierung einer neuen linken Kraft spielen können, allerdings ist JETZT ziemlich top down entstanden – was an sich gut zum Zugang der KP passt, aber nicht die Art und Weise ist, wie eine kämpferische Kraft entstehen sollte.     

Wir brauchen eine neue Partei der Arbeitnehmer/innen, Jugendlichen, Pensionist/innen und Arbeitslosen, die wirklich unsere Interessen vertritt und in der sich die Menschen organisieren können. Sie muss Teil von Bewegungen sein. Wie kommen wir dorthin? 

Wir müssen uns jetzt darauf vorbereiten eine Bewegung aufzubauen, damit eine neue Regierung die Angriffe der letzten Regierung, insbesondere den 12-Stundentag, zurücknimmt, und um neue Angriffe im Rahmen der Wirtschaftskrise abzublocken. Wir müssen Druck auf den ÖGB aufbauen, damit dieser mobilisiert – möglicherweise in Verbindung mit der Herbstlohnrunde, wo sich Konflikte anbahnen. Bereits vor den Wahlen gab es Anzeichen für zunehmende Proteste sowohl auf gewerkschaftlicher Ebene wie auch gegen Schwarzblau. Auch die Klimaproteste sind ein Anzeichen für die wachsende Bereitschaft auf die Straße zu gehen und die herrschende Politik zu hinterfragen – besonders auf Seiten der Jugend. An diesem wachsenden Potential für Protest und (Klassen-)kämpfe müssen wir anknüpfen. Es ist nötig eine gewerkschaftliche Opposition aufzubauen und die Gewerkschaften in echte demokratische kämpferische Gewerkschaften umzuwandeln. In einem neuen linken Projekt müssten Gewerkschaftsaktivist/innen eine Rolle spielen. Mit der richtigen Strategie kann eine solche Partei die nötige Unterstützung gewinnen. Das bedeutet gegen jede Form von Kürzungspolitik und für die Verbesserung der Lebensbedingungen zu kämpfen sowie eine Bereitschaft mit dem Kapitalismus zu brechen. Die Sozialistische Offensive würde sich am Aufbau einer solchen Partei beteiligen. 

Der Kapitalismus produziert immer wieder Krisen. Wir brauchen eine Idee einer gesellschaftlichen Alternative – einer sozialistische Gesellschaft mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft. Die Schlüsselbetriebe müssen öffentliches Eigentum sein. Eine demokratisch geplante Wirtschaft ist die einzige Art und Weise wie die Klimakrise gelöst werden kann, nämlich indem der Energie- und Verkehrssektor sowie die Produktion nach den Bedürfnissen der Menschen geplant werden. Alles andere verschiebt das Problem höchstens. Und wir brauchen eine sozialistische Alternative um echte Antworten auf die wirtschaftliche Krise geben zu können und gegenüber den Argumenten der Bosse nicht erpressbar zu sein. Nur mit einer Kampfstrategie die den Kapitalismus ablehnt ist es möglich eine Bewegung aufzubauen, die die Angriffe auf den Lebensstandard dauerhaft zurückschlagen kann. Wir haben in den letzten Jahren wechselnde Regierungen gesehen (von großer Koalition zu schwarzblau, zu großer Koalition, zu türkisblau,…) – das Resultat war immer dasselbe: Weniger im Börsel für die Mehrheit der Menschen, Existenzangst, wachsende Unzufriedenheit und ein Gefühl der Entfremdung. Wir brauchen eine echte sozialistische Alternative zu diesem kapitalistischen System, damit das endlich der Vergangenheit angehört.

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