USA: Streik bei General Motors

Foto: Nick Youngson CC BY-SA 3.0 Alpha Stock Images

Wiederbelebung der Arbeiter*innenbewegug geht weiter

Dieser Artikel erschien zuerst am 26. September 2019 auf socialistworld.net, der Webseite des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale

Rund 48.000 Arbeiter*innen von General Motors in den Vereinigten Staaten sind den sechsten Tag bundesweit im Streik. Die Gewerkschaft United Auto Workers trat am 15. September in allen 55 US-Werken in den Ausstand, zum ersten Mal seit Obama vor einem Jahrzehnt das Unternehmen – aber nicht die Arbeiter*innen – gerettet hatte. GM versuchte während dieser Verhandlungsrunde über einen neuen Vierjahresvertrag harte Kürzungen durchzusetzen, obwohl es 8,1 Milliarden Dollar Profite machte und erst kürzlich seinem Vorstandschef 22 Millionen Dollar zahlte. Diese Kürzungen umfassten erhebliche Kostensteigerungen bei der Gesundheitsversorgung, und um die Beschäftigten dafür zu bestrafen, dass sie aktiv wurden, hat das Unternehmen nun die Gesundheitsleistungen für die streikenden Arbeiter*innen gestrichen.

Arbeitende Menschen im ganzen Land waren empört über die Nachrichten, insbesondere die wütend machende Nachricht, dass dem Kind eines UAW-Arbeiters als Ergebnis der Taktik von GM die Krebsbehandlung verweigert wurde. Streikende in der Streikpostenkette sehen sich mit einem weiteren ekelhaften Gegenschlag durch den Multi-Milliarden-Dollar-Konzern konfrontiert. Drei Streikposten wurden bei separaten Vorfällen außerhalb des Werks in Swartz Creek von einem LKW-Fahrer angefahren. Die Polizei in Spring Hill verhaftete zehn Streikposten, weil sie den Verkehrsfluss in das Werk blockiert hätten. Dass GM mit harten Bandagen kämpft, erhöht jedoch nur die Entschlossenheit der Arbeiter*innen, die zunehmend wütend auf die hartherzigen Handlungen von GM sind.

Dieser Streik ist der erste seit der anderthalbtägigen Arbeitsniederlegung der UAW im Jahr 2007, kurz vor der Implosion der Autoindustrie. GM profitierte 2017 massiv von der neuen Steuergesetzgebung der Trumpregierung. Die Aktionäre entschieden sich dafür, die 157 Millionen Dollar an jährlichen Steuersenkungen in massive Aktienrückkäufe in der gesamten Wirtschaft zu investieren, anstatt die Löhne und Leistungen für die Arbeiter*innen aufrechtzuerhalten oder zu erhöhen. GM lagert weiterhin Arbeitsplätze nach Mexiko aus und unterstreicht damit die Lügen, die Trump den amerikanischen Arbeiter*innen erzählt hat. Dies war Teil der laufenden Bemühungen, die Verhandlungsmacht relativ gut bezahlter organisierter Arbeiter*innen in den USA zu untergraben.

Löhne

Die UAW-Mitglieder weigern sich, bei Schlüsselfragen wie Lohnerhöhungen, Wegen zur Festanstellung von befristeten Arbeiter*innen und erschwinglichen Gesundheitskosten nachzugeben. Im Gefolge der „Großen Rezession” und des von der Regierung unterstützten Konkurses von GM stimmte die Gewerkschaft den von GM vorgeschlagenen Leistungskürzungen und dem Ersatz der jährlichen Lohnerhöhungen durch eine Gewinnbeteiligung zu. Arbeiter*innen, die „den Gürtel enger schnallten”, um das Unternehmen wiederzubeleben, sehen jetzt Milliarden an Gewinnen und zig Millionen an Vorstandsgehältern, von denen nichts bei den Beschäftigten ankommt. Die Löhne der Arbeiter*innen haben sich seit 2010 inflationsbereinigt um 16 Prozent verringert, ähnlich den Trends im ganzen Land.

Laut der New York Times „erreichten die Löhne für Arbeiter im Autosektor (inflationsbereinigt) ihren Höhepunkt im Jahr 2002 mit 30,90 US-Dollar pro Stunde, was damals rund 44 Prozent mehr war als der Durchschnitt aller US-Jobs. Heute verdient man in diesen einst preisgekrönten Jobs nur 23,48 Dollar, etwas weniger als das, was ein typischer Arbeiter im ganzen Land verdient.”

GM-Beschäftigte erhielten ihren ersten Stundenlohnanstieg seit dem Wirtschaftsabschwung erst vor vier Jahren und wollen nach dem langen Warten mit dem neuen Vertrag weitere Steigerungen erzielen. Die Arbeiter*innen wehren sich auch gegen eine „in-progressions”-Lohnstruktur, die eine achtjährige Beschäftigung erfordert, um den Spitzenlohn zu erreichen. Sie war nach dem Zusammenbruch der Autoindustrie als Alternative zu einem zweistufigen System in die Verträge aufgenommen worden. UAW organisiert Autoarbeiter*innen in der gesamten Branche und hofft, dass der neue Vertrag mit GM als Mustervertrag bei Ford und Fiat Chrysler dient, die derzeit mit Vertragsverlängerungen arbeiten.

Befristete Arbeiter*innen

Die Autoindustrie stützt sich auf befristet beschäftigte Arbeiter*innen, die die Fertigungsbänder in Gang halten, wenn sie eine Steigerung der Produktion braucht. Allerdings missbrauchen Unternehmen in der Regel den Status von befristet beschäftigten Arbeiter*innen, indem sie sie als „ständig Befristete” („perma-temps“) (d.h. Befristet beschäftigte Arbeiter*innen, die jahrelang in einem Unternehmen gearbeitet haben) einsetzen. Etwa sieben bis zehn Prozent der Beschäftigen von GM sind im Laufe eines Jahres befristet beschäftigt. Im Gegensatz zu vielen anderen befristeten Arbeitsformen fallen diese Arbeiter*innen nach neunzig Tagen unter die Zuständigkeit der Gewerkschaft United Auto Workers. Aufgrund ihres befristeten Arbeitsstatus erhalten sie jedoch keine regelmäßigen Leistungen, wie zum Beispiel Urlaub, haben kein Recht auf Standortwechsel, wenn ihr Werk geschlossen wird, und werden deutlich schlechter bezahlt als fest angestellte Vollzeitbeschäftigte.

Die UAW kämpft darum, das in diesem neuen Vertrag zu ändern. Die Gewerkschaft fordert einen Weg, auf dem diese befristeten Vollzeitbeschäftigten dauerhaft beschäftigt werden können, mit vollem Zugang zu den von der Gewerkschaft ausgehandelten Löhnen und Leistungen. UAW verklagte GM im Januar wegen Vertragsbruch wegen Missbrauchs des befristete-Arbeiter*innen-Status. Diese Forderung nach Unterstützung von befristet beschäftigten Arbeiter*innen hat der Gewerkschaft erhebliche Unterstützung seitens der örtlichen Bevölkerung eingebracht, insbesondere in den Industriestädten im Süden. Traditionell sichere Arbeitsplätze wie die Autoherstellung wurden durch anhaltendes Outsourcing und die Verwendung von „ständig Befristeten“ stark untergraben. Die Gewerkschaftsmitglieder und ihre Gemeinden hoffen, von GM die Verpflichtung zur dauerhaften Einstellung von ständig Befristeten zu erzwingen, ähnliche Veränderungen in Fabriken wie Nissan bewirken wird, das Fabriken hat, die sechzig Prozent oder mehr befristete Arbeiter*innen beschäftigen. Diese Solidarität unter den Autoarbeiter*innen hat zu einer Welle der Unterstützung durch die Arbeiter*innen geführt, die mit den Herausforderungen des Befristeten-Status in ihren eigenen Branchen kämpfen.

Erschwingliche Gesundheitsversorgung

So wie die Lehrer*innen von West Virginia 2017 elf Tage lang erfolgreich zu Gesundheits- (und anderen) Fragen streikten, sind die Beschäftigen von GM entschlossen, sich gegen Angriffe auf ihre Gesundheitsleistungen zu wehren. Die Arbeiter*innen beschreiben die ständige Abnutzung ihrer Körper. Die meisten Langzeitbeschäftigten leben tagtäglich mit arbeitsbedingten Verletzungen und Schmerzen. Starke Gewerkschaftsverhandlungen in der Vergangenheit haben den UAW-Mitgliedern großzügige, aber notwendige Gesundheitsleistungen gesichert. Nach dem vorherigen Vertrag zahlen die Arbeiter*innen nur drei Prozent der Gesundheitskosten aus eigener Tasche, im Vergleich zu den durchschnittlichen US-Arbeiter*innen, die damit klarkommen müssen, über 28 Prozent der Gesundheitskosten zu tragen.

Während der Verhandlungen versuchte GM, Änderungen zu erzwingen, die trotz Milliarden an Jahresprofiten 15 Prozent der Kostenlast den Arbeiter*innen aufbürden würden. Das Unternehmen war gezwungen, bei Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich nachzugeben, schlug aber gegen die Streikenden zurück, indem es seine Krankenversicherung aus dem Programm des Unternehmens auf die temporäre COBRA-Krankenversicherung verlagerte, die deutlich teurer ist. Die Gewerkschaft zahlt derzeit aus ihrem Streikfonds von rund 721 Millionen Dollar für die Krankenversicherung.

Die UAW kämpft darum, zwei gleichzeitige Vertragsverhandlungen mit GM unter einen Hut zu bringen. Der Autohersteller vergibt seine Hausmeisterdienste an Aramark, das auch durch die UAW gewerkschaftlich organisiert ist. Beide Streiks begannen am vergangenen Wochenende, als erst 850 Hausmeister*innen am Sonntag Morgen die Arbeit niederlegten, dann 46.000 GM-Arbeiter*innen am Montag Morgen folgten. Beide Verhandlungseinheiten müssen etwa zur gleichen Zeit einen vorläufigen neuen Vertrag erreichen, oder die UAW-Arbeiter*innen riskieren die Möglichkeit, die Streikpostenketten der anderen zu durchqueren. Arbeiter*innen auf Streikposten haben Anspruch auf 250 Dollar Streikgeld pro Woche vom achten Tag des Streiks an, erhalten aber erst am 15. Tag des Streiks Geld ausgezahlt.

Demokratische, nicht bürokratische Gewerkschaften!

Mitten in den GM-Vertragsverhandlungen wurden elf Personen angeklagt unter dem Vorwurf einer mehrjährige Verschwörung unter Beteiligung hochrangiger UAW-Funktionäre zur Unterschlagung von Millionen, um wie die Bosse zu leben. Die meisten Fälle konzentrierten sich auf eine von der UAW und Fiat Chrysler betriebene Trainingseinrichtung, aber GM versucht, den Fall zu nutzen, um die Gewerkschaft, die Verhandlungen und den Streik als zwielichtig und korrupt darzustellen. Für alle Arbeiter*innen in Amerika ist es offensichtlich, dass die Beschwerden der Arbeiter*innen und die Konditionen legitim sind, ebenso wie der Kampf.

Tatsächlich begann das rechte, von Richard Berman finanzierte „Center for Union Facts” [Zentrum für Gewerkschaftsfakten] eine Website, UAWinvestigation.com, um die legitime Frustration, Wut und Desillusionierung der UAW-Basis dazu fehlzuleiten, dass sie der Gewerkschaft den Rücken kehren. Dies ist nur ein aktuelles Beispiel für eine der vielen Angriffslinien, die der amerikanische Kapitalismus genutzt hat, um die Arbeiter*innenbewegung seit ihrer Gründung mit Dreck zu bewerfen.

Basismitglieder haben viele Gründe, der Führung bereits zu misstrauen; Mangel an Aggressivität und Militanz, Mangel an Transparenz in den Verhandlungen, zu viel Betonung darauf, Geld für Lobbyarbeit bei Politiker*innen zu verwenden und nicht genug für Mitgliedergewinnung, und hohe Gehälter für Hauptamtliche. Die Tatsache bleibt jedoch, dass, auch wenn die Arbeiter*innenbewegung nur ein Schatten ihres vollen Ruhms in den 1930er Jahren ist, gewerkschaftlich organisierte Arbeiter*innen mehr Gehalt mit nach Hause nehmen, bessere Leistungen, angemessenere Zeitpläne und sicherere Arbeitsplätze haben.

Gewerkschaftsmitglieder überall in den USA sollten diesen Fall nutzen, um eine Basiskampagne für Demokratie, Transparenz und Rechenschaftspflicht zu starten, nicht nur in den UAW, sondern in jeder Gewerkschaft des Landes. Mit kämpferischer Führung und einem sauberen Haus kann die amerikanische Arbeiter*innenbewegung in die Offensive gehen und weiter an Schwung gewinnen, was die wachsende Popularität der Gewerkschaften beschleunigt, da Arbeiter*innen weiterhin nach Wegen suchen, sich zu wehren.

Politische Bedeutung

Dieser Streik bei GM könnte, zusammen mit den Stop-and-Shop- und AT&T-Arbeiter*innen, Anfang des Jahres, eine Wiedergeburt der US-Arbeiter*innenbewegung bedeuten, die zuerst durch den unglaublichen West-Virginia-Lehrer*innen-Streik ausgelöst wurde, und sich mutig vom öffentlichen in den privaten Sektor bewegt („Erfolgreiche Streiks zeugen mehr Streiks”). Breite Wut auf das überwältigende Ausmaß der Ungleichheit in den Vereinigten Staaten löst eine neue Militanz bei der Organisierung der Arbeiter*innen aus. Die öffentliche Meinung ist fest auf der Seite der Streikenden. Die Lastwagenfahrergewerkschaft kündigte ihre Solidarität mit den UAW-Arbeiter*innen an, als der Streik begann, und weigert sich, die Streikpostenketten zu durchqueren, um Teile oder Autos zu liefern.

Die Autoarbeiter*innen, wie auch die Lehrer*innen, machen deutlich, dass sie nicht nur für sich selbst streiken. UAW sollte in Betracht ziehen, bei anderen Herstellern zu streiken, und der AFL-CIO sollte Solidaritätsstreiks und andere Aktionen von Gewerkschaften in anderen Teilen der Lieferketten von GM koordinieren. Dazu gehört die International Brotherhood of Electrical Workers [Internationale Bruderschaft von Elektroarbeiter*innen“], die Arbeiter*innen in einem Motorenwerk vertritt, oder international die gewerkschaftlich organisierten GM-Belegschaften in Kanada, vertreten durch Gewerkschaften wie Unifor. Der UAW sollte sogar versuchen, die GM-Werke in Mexiko zu organisieren, um die Bosse in ihrem eigenen Outsourcing-Spiel zu schlagen!

Wir fordern:

  • Solidarität mit den streikenden Arbeiter*innen! Durchquert nicht Streikpostenketten, sei es eine GM-Fabrik, ein Büro oder ein Autohaus!
  • Fallenlassen der Anklagen gegen verhaftete Streikende! Verteidigt das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und Streik!
  • Widerstand gegen die Kürzungen! Milliardär-Unternehmen dürfen ihre Arbeit*innen nicht übers Ohr hauen.
  • Für Demokratie, Transparenz und Gleichheit in unseren Gewerkschaften! Für regelmäßige Mitgliederversammlungen, Wahlen für alle Positionen und dafür, dass Hauptamtliche nach dem selben Vertrag und Tarif wie ihre Gewerkschaftsmitglieder bezahlt werden.
  • Besetzung von Werken gegen Schließungen! Die Arbeiter*innen sollten die Werke weiterbetreiben, die die Vorstände auszulagern drohen.
  • Macht den Streik international wie Amazon & Google! Wir rufen zu Solidaritätsaktionen von IBEW, Unifor und allen anderen Gewerkschaften in der GM-Lieferkette auf.
  • Für die Überführung von General Motors und anderen Autoherstellern in öffentliches Eigentum unter demokratischer Arbeiter*innenkontrolle und -verwaltung.
  • Ein Arbeitsplatzprogramm zum Übergang von Autoarbeiter*innen und Beschäftigten in anderen umweltverschmutzenden Branchen in nachhaltige Branchen wie öffentliche Verkehrsmittel und grüne Energie.
  • Aufbau einer Arbeiter*innenpartei, frei von Konzernherrschaft!
  • Schluss mit mehrstufigen Entlohnungen und Sozialleistungen, befristeter Arbeit und Leiharbeit. Ein Job, eine Lohnskala, die auf dem Dienstalter beruht. Nicht mehr als drei Jahre von der Einstellung bis zur vollen Bezahlung für Einstiegsjobs.
  • Schluss mit Werksschließungen, Wiederöffnung von dichtgemachten Werken!
  • Keine Zugeständnisse bei Renten und Gesundheitsversorgung. Für eine einheitliche, beitragsabhängige [d. h. nicht von den Aktienkursen der Aktien, in die ein Rentenfonds investiert, abhängige, d. Übers.] Rente mit voller Gesundheitsversorgung für alle!
  • Gewerkschaftskontrolle über Gesundheit und Sicherheit.
  • Umstellung der Autoindustrie – für einen Grünen New Deal der Arbeiter*innen, um Arbeitsplätze zu retten und den Klimawandel zu bekämpfen.
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