Für eine bedarfsgerechte Mindestsicherung!
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen einen Teil der Sanktionen für ALG II-Empfänger*innen über 25 Jahren ist nun gerichtlich bestätigt, was Betroffene und Beschäftigte in den Arbeitsagenturen schon längst wissen. Beratungsstellen und Hilfe-Einrichtungen haben schon seit deren Einführung mit der Hartz-IV-Reform 2005, den vohergehenden Massenprotesten und immer wieder organisierten Protestaktionen seitdem schon längst klar gemacht: Diese Regelung, ob mit oder ohne Schönheitskorrekturen, ist Armut per Gesetz und Menschen, deren Arbeitsplatz zusammengekürzt oder vernichtet wurde, werden entwürdigt.
Von Alexandra Arnsburg, Berlin
Die damalige SPD/Grüne-Regierung unter Schröder hatte durch die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe den Versicherungsanspruch von Millionen arbeitslosen Lohnabhängigen gekürzt und die unbefristete Zahlung von Arbeitslosengeld (damals in den Stufen von ALG I und dem niedrigeren ALG II) abgeschafft. Menschen, die jahrzehntelang in die Sozialsysteme eingezahlt hatten wurden mit zwölf oder 24 Monaten (bei älteren Menschen) ALG abgespeist und anschließend auf ein Niveau herabgesetzt, das zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel ist und an unmenschliche Bedingungen geknüpft ist. Damit wurde nicht nur ein Anschlag auf die Erwerbslosen verübt, sondern auch auf das Lohnniveau ihrer noch arbeitenden Kolleg*innen. Nach der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 ist der Anteil von Niedriglöhnen um ein Viertel, was 1,5 Millionen entspricht, auf etwa neun Millionen gestiegen. Die Armut nimmt immer weiter zu, während sich die Schere zwischen arm und reich immer mehr weitet.
Schutz vor Armut? – Fehlanzeige!
424 Euro für einen Erwachsenen, 245 Euro für ein Kind pro Monat inklusive Kleidung, Bildung und unzählige Minderungen zum Beispiel für ohne Genehmigung ausgezogene unter 25-jährige Empfänger*innen sind ein Hohn angesichts der ständig steigenden Preise wie zuletzt beim Strom. Fast fünf Millionen Haushalte konnten im letzten Jahr den Strom nicht bezahlen und die Zahl der Stromsperren stieg um sieben Prozent. Trotz des Gerichtsurteils sind weitere Sanktionen bis zu dreißig Prozent bei älteren und bis zu hundert Prozent bei unter 25-jährigen möglich! Seit 2005 mussten Erwerbslose zahlreiche Schikanen, Zwangsumzüge (selbst bei Ältere und Kranken), komplette Leistungsstreichung, unzählige Ämtergänge, Klagen usw. ertragen und wurden in unzumutbare Jobs gedrängt. Öffentlich wurden und werden sie als Schmarotzer*innen dargestellt; ganze TV-Sendungen und deren Publikum beschäftigten sich damit, ob nicht ein Hartz-IV-Empfänger zu unrecht einen neuen Kühlschrank erhalten habe und Politiker*innen schlugen ihnen vor, jeden Tag Bratwurst zu essen, weil das billig sei. Zuletzt mussten sich Erwerbslose vom hessischen AfD Landtagsabgeordneten Rahn als „unsozial und parasitär“ beschimpfen lassen. Die AfD, die zwar besonders unter Erwerbslosen Stimmen sammelt, ist eben nicht die Partei „der kleinen Leute“, sondern vertritt ein Programm, welches Sanktionierungen und Schikane nur noch verschlimmern würde. Wohingegen den Konzernen Steuererleichterungen zugesichert werden, egal wie viele Leute sie auf die Straße setzen.
DIE LINKE
Die Einführung der Hartz-Gesetzgebung als Teil der Agenda 2010 löste 2003/2004 Massenproteste aus, die auch eine wichtige Basis für die Entstehung der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) war, die 2007 mit der PDS zur Partei DIE LINKE fusionierte. Diese wurden damals von der Gewerkschaftsführung nicht genutzt, um durch einen eintägigen Generalstreik die Regierung zum Rückzug zu zwingen. DIE LINKE fordert schon lange die Abschaffung von Hartz IV und eine Mindestsicherung von 1050 Euro, wobei diese Forderung von der Partei immer wieder dadurch selbst untergraben wird, das eine unmittelbare Erhöhung des Regelsatzes in den Mittelpunkt der Propaganda gestellt wurde. Auch hat sie in Landesregierungen, wie in Berlin, die Umsetzung des Hartz-Systems mitgetragen. Zudem forderte sie jetzt aktuell die Reformierung, indem die Unterstützungsleistungen verlängert und wieder an das Lohnniveau gekoppelt werden soll. Dies geht aus einem kürzlichen Antrag im Bundestag zu „Arbeitslosengeld Plus“ hervor. Parlamentarische Initiativen und die Hoffnung auf eine Positionsveränderung bei SPD und Grünen reichen aber nicht, um dem Hartz IV-Spuk ein Ende zu machen. Dazu sind Massenproteste nötig, die vor allem von den Gewerkschaften organisiert werden müssten. Dies gilt umso mehr, da die anstehende Wirtschaftskrise die Massenarbeitslosigkeit wieder wird ansteigen lassen.
Um Massenentlassungen und Stellenabbau zu verhindern, sollten Unternehmen, die solche planen, in in staatliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung übernommen werden. DIE LINKE und Gewerkschaften sollten die Öffnung der Geschäftsbücher fordern, um nachvollziehen zu können, wo die Profite der Vergangenheit hingeflossen sind. Sollte es tatsächliche Absatzschwierigkeiten für die produzierten Güter geben, kann unter Beteiligung des Knowhows der Belegschaft und staatlicher Begleitung die Produktion auf Güter umgestellt werden, die gesellschaftlich gebraucht werden.
Das lässt sich nicht einfach durch parlamentarische Initiativen erreichen, sondern dafür sind Massendemonstrationen und politische Streiks nötig. Wir dürfen uns nicht mit Hartz-IV light Konzepten zufrieden geben, sondern müssen die völlige Abschaffung, eine bedarfsdeckende soziale Mindestsicherung, eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und die Verstaatlichung der großen Konzerne und Banken unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung erkämpfen. Dafür ist auch Druck für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften nötig.
Die Krise ist das System
Das Bundesarbeitsministerium hat sein Budget schon um 1,5 Milliarden Euro für das Jahr 2020 aufgestockt. Angesichts einer Wachstumsprognose der Wirtschaft von nur einem Prozent und steigenden Mieten werden Mehrausgaben für die Unterkunft und für ALG II Leistungen eingeplant. In einigen Branchen, die besonders unter Druck stehen und in denen Viele nur mit Minijobs oder Teilzeit eingestellt werden, wie im Einzelhandel, ist die Zahl der Aufstocker um 13 Prozent in den letzten zehn Jahren gestiegen. Niedrige Löhne und Arbeitslosigkeit gehören zum Kapitalismus seit seiner Geburt. Auf Kosten der arbeitenden Menschen und der Erwerbslosen bekämpfen Konzerne wirtschaftliche Schwierigkeiten mit Entlassungen oder steigern so einfach ihre Gewinne. Und der Reichtum auf dieser Seite der Gesellschaft gedeiht prächtig: insgesamt haben die im DAX vertretenen Unternehmen im letzten Jahr 95 Milliarden Euro verdient, das ist der zweithöchste Gewinn seit Bestehen des DAX. Dieser Reichtum finanziert unter anderem die bürgerlichen Parteien und die AfD. Die Reichen können ihn nutzen, um Regierungen unter Druck zu setzen und besitzen die großen Medien, die wie die BILD immer wieder von „faulen Arbeitslosen“ zu „berichten“ wissen. Damit können sie eine Stimmung erzeugen, die von den wahren Ursachen der Probleme ablenkt und die Menschen gegeneinander aufhetzen: Arbeitende gegen Erwerbslose, Hiergeborene gegen Zugezogene, Alt gegen Jung, Männer gegen Frauen usw. Wer Armut abschaffen will, muss an den Reichtum ran. Doch das wird uns nicht geschenkt werden. Selbst wenn teilweise Zugeständnisse per Gesetz erreicht werden könne, werden die Herrschenden nicht zögern, das wieder zurückzunehmen, wenn der Zeitpunkt dafür günstig ist. Der Kapitalismus ist unfähig, der Mehrheit der Menschen ein würdiges Leben zu gewährleisten. Erst wenn das Kapital und seine Freunde in der Politik entmachtet sind, können wir eine Gesellschaft aufbauen, die frei von Profitinteressen ist – eine sozialistische Gesellschaft, in der der von uns erarbeitete Reichtum so wie die gesellschaftlich erforderliche nützliche Arbeit auf alle verteilt werden kann. Dafür tritt die Sozialistische Organisation Solidarität ein.
Die Sol fordert:
- Nein zu jeder Form von Privatisierungen, Rückführung privatisierter und outgesourcter Bereiche in öffentliches Eigentum
- Weg mit Agenda 2010 und Hartz I bis IV
- Gegen ALLE Formen von Kürzungen und Stellenabbau
- Soziale Mindestsicherung und Mindestrente von 750 Euro plus Warmmiete für jede*n Erwachsenen und 600 Euro pro Kind– ohne Bedürftigkeitsprüfung und Schikanen
- Mindestlohn von dreizehn Euro pro Stunde als erster Schritt zu 15 Euro
- Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – in Ost und West, für Frauen und Männer
- Radikale Arbeitszeitverkürzung zur Schaffung von sinnvollen Arbeitsplätzen für alle. 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich
- Öffentliches Investitionsprogramm in den Bereichen Soziales, Bildung, Gesundheit und Umwelt zur Schaffung sicherer und tarifgebundener Arbeitsplätze – finanziert durch die Profite der Banken und Konzerne
- Für eine Vermögenssteuer von zehn Prozent ab einer Million Euro Vermögen, ein stark progressives Steuersystem und drastisch höhere Steuern auf Unternehmensprofite und Erbschaften