Flächentarif für Beschäftigte statt Profite für Benko und Co.!
Nach jahrelangem Verzicht sollen die Beschäftigten bei Kaufhof, Karstadt Feinkost und Karstadt Sports nun weitere Gehaltseinschnitte hinnehmen, wenn es nach dem Willen der Geschäftsführung geht. Das sehen die Kolleg*innen jedoch anders und treten deshalb am 12. und 13. Dezember 2019 bundesweit in den Streik.
Von René Arnsburg, Berlin
Bei Kaufhof wird bereits seit 2013 im Tausch gegen eine vermeintliche Beschäftigungssicherung auf die vollen Leistungen des Flächentarifvertrages im Einzelhandel verzichtet. Nach der Übernahme von Karstadt durch die Investmentfirma Signa Holding wurde 2016 ein Tarifvertrag für Karstadt Warenhaus mit einer Laufzeit von fünf Jahren vereinbart. Die Bedingungen des Tarifvertrages unterliefen den Flächentarif des Einzelhandels – mit der Folge, dass nach der Fusion von Karstadt und Galeria Kaufhof nun alle Beschäftigten auf dieses Niveau abgesenkt werden sollen. Das bedeutet Lohnverlust von bis zu elf Prozent bei Kaufhof. Eine Folge der vereinbarten Friedenspflicht ist jetzt auch, dass sie die Kolleg*innen der wichtigen Warenhäuser von Karstadt daran hindern soll, sich am Streik zu beteiligen.
Holt das Geld bei denen, die es haben – bei den Reichen!
Den Kolleg*innen ist klar, dass es Geld im Überfluss gibt. René Benko ist ein mehrfacher Milliardär und hat kürzlich das Prestigeprojekt der Sanierung des Karstadt-Kaufhauses am Hermannplatz in Berlin angekündigt. Die Folgen sind neben jahrelangen Beeinträchtigungen der Infrastruktur am Verkehrsknotenpunkt eine unmittelbare Beschleunigung der Mietpreissteigerungen und Verdrängung der örtlichen Bevölkerung. Als Immobilienspekulant hat Benko ein unmittelbares Interesse an dieser Entwicklung. Die Kolleg*innen sind nicht Schuld daran, dass Karstadt keinen Gewinn mehr abwarf und sie haben nicht darüber entschieden, dass es eine Fusion der beiden Handelsketten gibt. Genauso wie bei real und Ikea soll der Konzern jetzt auf dem Rücken der Beschäftigten wieder auf Profit getrimmt werden.
Chancen für den Kampf nicht verstreichen lassen
Die Kolleg*innen wollen kämpfen, das zeigen die beginnenden Aktionen am Morgen des 12.12. deutlich. In der wichtigsten Vorweihnachtswoche mit dem meisten Umsatz ist der Druck enorm – nicht nur von der Geschäftsführung, sondern von der Öffentlichkeit insgesamt, für die die Weihnachtszeit – und damit auch die Besorgung der Geschenke – oft eine emotionale und stressige Angelegenheit ist. Umso wichtiger ist es, sich solidarisch zu zeigen und für Verständnis zu werben. Denn Verschlechterungen in einem Bereich bedeuten immer eine schlechtere Ausgangslage für kommende Kämpfe. Bei Karstadt hat sich deutlich gezeigt, wie negativ sich die Tarifierung von Lohnverzicht auf die Kampfkraft auswirkt – damit muss endlich Schluss sein.
Im Sommer wurde eine entscheidende Chance verpasst, aus der Tarifbewegung im Einzelhandel mit weitgehenden Forderungen eine bundesweite Streikbewegung zu machen. In Berlin und Brandenburg waren Betriebe streikbereit – und hofften vergebens auf den Aufruf. Bundesweite Handelsketten wurden nur in wenigen Regionen bestreikt und der Abschluss lag meilenweit von den Forderungen entfernt. Statt Fotoaktionen gegen die höhere Arbeitszeit im Handel im Osten, hätte der Kampf im Sommer aufgenommen werden müssen.
Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, ist es unmittelbar nötig, dass ein Aufruf über die Branche hinaus für Solidaritätsaktionen gestartet wird. Der Fachbereich Handel könnte öffentlich dazu auffordern, Solidarität zu senden, zu Aktionen zu kommen – und vor allem selbst welche mit den Kolleg*innen organisieren. In vergangenen Streik waren Flashmobs und andere Aktionen während des Streik gut für die öffentliche Aufmerksamkeit. DIE LINKE und der DGB sollten nicht zögern, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen, um das bestmögliche Ergebnis für die Kolleg*innen herauszuholen.
18.000 Beschäftigte bei Ikea, 34.000 bei real, 12.000 bei Karstadt, 16.000 bei Galeria Kaufhof schauen einer ungewissen Zukunft entgegen, weil Firmen(teile) verkauft und umstrukturiert werden sollen. All ihre Probleme sind Teil einer Entwicklung: der Notwendigkeit, immer mehr Profit auf dem Rücken der Beschäftigten auszuquetschen. Mit den Einkommens- und Arbeitsbedingungen leidet der Service und die Qualität der Produkte. Die Antwort kann nur eine gemeinsame sein: gemeinsamer Widerstand gegen Verschlechterungen und ein offensiver Kampf für einen Flächentarifvertrag, der sich lohnt, statt Kompromisse am Verhandlungstisch. Jetzt kommt es darauf an, den Fehler aus dem Sommer nicht zu wiederholen, sondern eine bundesweite, kettenübergreifende Bewegung aufzubauen, die die Unternehmen ohne Abzüge zurück in den Flächentarif zwingt.
Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften
Am 25. und 26. Januar 2020 organisiert die „VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ eine erste Strategiekonferenz in Frankfurt am Main. Dort soll darüber diskutiert werden, wie Arbeitskämpfe demokratisch und durchsetzungsstark organisiert werden können, wie die Verbindung von politischen und betrieblichen Kämpfen hergestellt wird, was das mit radikaler Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und der Rettung des Weltklimas zu tun hat. Kolleg*innen können sich für die Vernetzung und Diskussion mit Menschen auf verschiedenen Gewerkschaften des DGB und Branchen hier anmelden: https://www.vernetzung.org/ Auf der Website gibt es auch das gesamte Programm der Konferenz sowie weitere Informationen.