Tarifrunde öffentlicher Dienst: Organisieren, Streiken, Gewinnen

500 Euro monatlich mehr für die Kolleg*innen im öffentlichen Dienst! 

Die anstehende Tarifrunde für Bund und Kommunen hat eine enorme gesellschaftliche Bedeutung. Der Abschluss wird 2,5 Millionen Beschäftigte betreffen.

Von Dorit Hollasky, Dresden 

In Kitas, Krankenhäusern, Stadtreinigungen, Nahverkehr, Feuerwehren, Bibliotheken, Ämtern, Sporteinrichtungen, Flughafenbodendiensten und mehr halten sie den Laden am Laufen. Dort wurde in den letzten Jahren schon extrem gespart, so dass überall großer Personalmangel herrscht und die Lohnsteigerungen jahrelang geringer ausfielen, als in vielen anderen Branchen. Es wird Zeit, ausreichend Geld für den öffentlichen Dienst zur Verfügung zu stellen, statt für die Rüstung oder klimaschädliche Großkonzerne. Zudem kann eine kämpferische Tarifrunde als Ausgangspunkt für eine breite gesellschaftspolitische Protestbewegung gegen die Auswirkungen der Preissteigerungen dienen.

Forderungen

ver.di hatte über den Sommer die Forderungsfindung initiiert, an der sich mit 130.000 Beschäftigten so viele wie noch nie beteiligt haben. Es wurden folgende Forderungen aufgestellt: 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr und 200 Euro mehr für Auszubildende.

Vielerorts waren höhere Forderungen diskutiert worden, bis zu 18 Prozent und eine gleitende Lohnskala. „Seit dem Streik im öffentlichen Dienst 1974 wurden keine so hohen Forderungen mehr diskutiert, wie in diesem Jahr“, schreibt auch Christine Behle (Verhandlungsführerin von ver.di) in der aktuellen Tarifbroschüre. Etliche Kolleg*innen haben aufgrund der aktuell über zehn Prozent liegenden Inflation die beschlossenen Forderungen als zu gering eingestuft. Die relativ geringen Abschlüsse in der Metallindustrie und Chemiebranche sind für die Motivation der Beschäftigten nicht hilfreich und dürfen keinesfalls als Vorbild dienen. Optimistischer stimmt die aufgestellte Forderung bei der Post von 15 Prozent und zwölfmonatiger Laufzeit.

Auf jeden Fall sollte die Festgeldforderung nach 500 Euro mehr im Monat in den Mittelpunkt gestellt werden, da sie für untere bis mittlere Einkommen tatsächlich mehr als zehn Prozent ausmacht und es wichtig ist, gerade sie zu stärken. Es ist außerdem wichtig, von Anfang an zu erklären, dass es um  die volle Durchsetzung dieser Forderung bei zwölf Monaten Laufzeit  geht und bereits jetzt die erforderlichen Streiks vorzubereiten.

Durchsetzungsfähigkeit

Die Aufgliederung in verschiedene Bereiche und Tarifverträge Anfang der 2000er hat die Ausgangsposition für Arbeitskämpfe insgesamt schwieriger gemacht. Doch kann ein Streik viele Bereiche des öffentlichen Lebens lahm legen. Ein ernsthafter Arbeitskampf kann helfen, den Organisationsgrad zu stärken. So hat zum Beispiel die Entlastungsbewegung in den Uniklinika und einigen kommunalen Krankenhäusern gezeigt, dass die Gewerkschaften besonders attraktiv sind, wenn sie kämpfen. In Berlin sind vor und während der Krankenhausstreiks zweitausend Beschäftigte in ver.di eingetreten! Voraussetzung ist aber, dass das klare Signal von der Gewerkschaftsführung ausgeht, dass dieser Kampf konsequent bis zu Ende geführt wird und dass er auch gewonnen werden kann.

Schlichtungsvereinbarung

Es gibt bereits drei vereinbarte Verhandlungstermine. Wenn diese nicht zum erwünschten Ergebnis führen (was zu erwarten ist), kann die Schlichtung angerufen werden. Das ist erfahrungsgemäß ein arbeitgeberfreundliches Instrument, was zu schlechten Kompromissen führt. Deshalb sollte ver.di die Schlichtungsvereinbarung sofort kündigen und stattdessen schon jetzt die Vorbereitungen für eine Urabstimmung und Erzwingungsstreik treffen. 

Streikdemokratie

Ausgehend von den Aktiven vor Ort sollte es das Ziel sein, möglichst viele Bereiche zu organisieren. Wenn es nur wenige Aktive gibt, müssen sie von den Hauptamtlichen maximale Unterstützung erhalten. Von ver.di eingesetzte Organiser*innen sollten als Hilfe eingegliedert werden und nach den Beschlüssen der Arbeitskampfleitungen bzw. Betriebsgruppen agieren. 

In Betrieben sollten Streikdelegierte gewählt und lokal zusammen gebracht werden, um gemeinsam zu beraten und die nächsten Aktionen zu beschließen. Als weiterer Schritt ist es sinnvoll, Delegierte aus der lokalen Ebene für eine bundesweite Streikdelegiertenkonferenz zu wählen, die dann die bundesweite Streikstrategie diskutiert.

Während des Streiks darf es keinen Streikabbruch ohne Diskussion und Abstimmungen in den Streikversammlungen  geben. Die Diskussionen in den Betrieben könnten auf einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz zusammengetragen werden, um zu entscheiden, wie es weiter geht. Es sollte keine Annahme eines Ergebnisses ohne Abstimmung unter allen Gewerkschaftsmitgliedern geben.

Kein Geld da?

Wir werden noch mehr als früher hören, dass kein Geld da sei, dass wir „auf hohem Niveau jammern“ und dass wir aus solidarischen Gründen den Gürtel enger schnallen müssten. Hier kommt es besonders darauf an, inhaltlich dagegen zu halten. In den Tarifbroschüren von ver.di gibt es schon recht gute Zahlen und Argumente. Der Slogan „Tariffragen sind Machtfragen“ darf aber nicht nur auf dem Papier stehen. 

Es muss deutlich dargestellt werden, dass eigentlich genug Geld da wäre. Wir brauchen eine Vermögenssteuer, Millionärssteuer und eine unmittelbare Milliardärsabgabe. Anstatt hundert Milliarden in die Rüstung zu stecken, braucht es hundert Milliarden und mehr in Gesundheit, Bildung, Soziales und Umwelt – kurz die öffentliche Daseinsvorsorge.

Solidarität 

Alle DGB-Gewerkschaften und der DGB sind in der Pflicht, systematisch in Betrieben anderer Branchen und auf örtlicher Ebene über den Arbeitskampf zu informieren und Solidarität aus anderen Betrieben zu organisieren. Auch lokale Bündnisse können eine sehr gute Unterstützung sein.

Fast zeitgleich gehen auch Post und Bahn in die Tarifauseinandersetzung. Auch sie sind „systemrelevant“ und auch diese Kolleg*innen halten das öffentliche Leben am Laufen. Gemeinsame Demonstrationen und Kämpfe können die potenzielle Kraft der Gewerkschaften und der Arbeiter*innenklasse deutlich machen und das Kräfteverhältnis im ganzen Land verändern. 

Dorit Hollasky arbeitet im Klinikum Dresden. Sie ist eine Sprecherin der ver.di-Betriebsgruppe sowie Mitglied im Bundesvorstand der Sol. 

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