IG Metall debattiert Tarifrunde

„Ergebnis bis Anfang April – sonst normale Tarifbewegung“

Bei einer Funktionärskonferenz der IG Metall Stuttgart am 19.2.2020 wurden Forderungen aus den Betrieben von um die fünf Prozent und mindestens 180 Euro Festgeld präsentiert. Die Kolleg*innen von Porsche verlangen 6,5 Prozent und mindestens 300 Euro mehr für alle.

Von Ursel Beck, Stuttgart

Gleichzeitig beschränkte sich die Kritik der betrieblichen Funktionäre am Moratorium der IGM_Führung auf das undemokratische Vorgehen ohne jegliche Diskussion in den Betrieben. Alle bezirklichen Tarifkommissionen haben sich bei Ihren Treffen am 20.2.2020 laut einer Pressemeldung der IGM „mit großer Mehrheit“ hinter die Linie des Vorstands gestellt. Demnach soll ohne konkrete Lohnforderung über einen „Zukunftspakt für einen fairen Wandel und sichere Arbeitsplätze“ verhandelt werden. Während der Verhandlungen sollen die Betriebe auf „einseitige Maßnahmen zum Personalabbau verzichten“. Im Klartext heißt das, der Personalabbau darf weiter gehen, Hauptsache sozialpartnerschaftlich. So wie bei Bosch Bremen. Hier haben IG Metall und Betriebsrat im Januar einen Sozialplan ausgehandelt, der zum Ergebnis hat, dass die gesamte Produktion ins Niedriglohnland Ungarn verlagert wird. 240 Kolleginnen und Kollegen verlieren Ende 2020 ihren Job. Dennoch spricht die IG Metall Bremen von einem „guten Kompromiss“: „Auch wenn wir die Arbeitsplätze nicht erhalten konnten, sind wir mit der Gesamtlaufzeit aus Produktionsende, Nachlaufzeit und Transfergesellschaft zufrieden“.

Sozialpläne zur angeblich „sozialverträgliche“ Vernichtung von Arbeitsplätzen und Standortvereinbarungen mit außertariflichem Lohnverzicht zur angeblichen Sicherung von Arbeitsplätzen gibt es längst. Was soll sich jetzt durch den „Zukunftspakt“ ändern? Die Unternehmer müssen über einen betrieblichen Zukunftsvertrag verhandeln, wenn die IGM das will und es sollen am Ende Investitions- und Produktzusagen, Qualifizierungen und der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen stehen. Zur Finanzierung des „Zukunftspakt“ soll ein Teil des von der IG Metall bezifferten „Gesamtverteilungsvolumens von 4 bis 5 Prozent“ geopfert werden. Ansonsten erwartet die IG Metall nur eine Lohnerhöhung zum Ausgleich der Inflationsrate. Sollten sich die Arbeitgeber bis Anfang April auf den „Zukunftspakt“ einlassen, will die IG Metall keine Lohnforderung stellen. Sonst soll eine Lohnforderung nachgeschoben werden für eine „normale Tarifbewegung“.

Wen wundert es, dass die Arbeitgeber nun in die Offensive gehen und eine Vereinbarung über einen fünfjährigen Verzicht auf Erhöhungen der Entgelttabellen verlangen. 2020 soll es nur eine Einmalzahlung geben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Arbeitgeberband auf einen „Zukunftspakt“ einlässt, der sich bei der Umsetzung in den Betrieben schnell als Etikettenschwindel herausstellen wird. Für einen Tarifabschluss wäre ein solcher Pakt eine schöne Verpackung für die Verzichtspolitik der IG Metall und zur Ruhigstellung der potenziell mächtigen Mitgliedschaft. Gegen die vorprogrammierte Niederlage gibt es Opposition von der 2019 gegründeten „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“(VKG). In einem aktuellen Flugblatt der VKG heißt es: „Wenn der IG Metall-Vorstand glaubt, unter illusorischen Appellen an die Fairness einem entschlossenen Kampf der Gewerkschafterinnen gegen die Metall-Kapitalisten ausweichen zu können ist er auf dem Holzweg.“ Gefordert wird ein offensiver Tarifkampf mit fünf Prozent Lohnerhöhung, mindestens aber 200 Euro, eine Reduzierung der tariflichen Arbeitszeit um zwei Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich und gleiche Arbeitszeiten in Ost und West. Christa Hourani von der VKG erklärt dazu gegenüber der Jungen Welt: „Wenn man in eine Tarifauseinandersetzung ohne Forderung und Kampfstrategie einsteigt, kann nichts Wesentliches durchgesetzt werden. Dieses Vorgehen schürt Illusionen ins Kapital und die Klassengegensätze werden verwischt“. Die Erklärung der VKG zur Tarifrunde der IG Metall ist auf der Seite https://www.vernetzung.org

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt

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