Corona-Virus: Internationale Kooperation statt kapitalistischer Konkurrenz nötig

Ein Beitrag aus Großbritannien

Neun Wochen, nachdem der erste Corona-Patient in Wuhan identifiziert wurde, hat sich das Virus in 98 Staaten verbreitet. Das ist viel schneller als der Ausbruch des SARS-Virus im Jahre 2003, das schließlich in 37 Ländern auftauchte. Allerdings ist das Corona-Virus weniger tödlich, es tötet 1-2% der Infizierten im Vergleich zu zehn Prozent beim SARS. Die schnelle Ausbreitung von Covid-19 liegt an der bedeutend größeren Verflechtung Chinas mit der Weltwirtschaft. Viele Arbeiter*innen, Studierende und Tourist*innen reisen jetzt innerhalb von China und von dort in andere Länder.

Von Jon Dale (Artikel vom 11.3.2020)

Kein Land kann alleine einen solchen Ausbruch meistern. Internationale Zusammenarbeit ist erforderlich, um die Ausbreitung zu begrenzen, Forschung an Behandlungsmöglichkeiten und Seren zu treiben. Es hat in der Vergangenheit viele Anläufe gegeben, Pandemien durch internationale Zusammenarbeit zu begegnen. Oft scheiterten sie am kapitalistischen Wettbewerb.

Im 19. Jahrhundert verbreiteten sich sechs Cholera-Epedemien von Indien über die Welt (im Verlauf von Jahren, nicht von Wochen). Als Folge kamen Delegierte von zwölf Nationen im Jahr 1851 zur ersten internationalen Gesundheits-Konferenz zusammen. Sechs Monate Verhandlungen brachten kein nennenswertes Ergebnis, weil einige der Nationen den Handel ausdehnen wollten, andere die Quarantäne-Bestimmungen. Die erste internationale Gesundheits-Konvention wurde erst im Jahr 1892 unterzeichnet. Ziel war, die Grenzen zwischen Ost und West offen zu halten für Geschäftsbeziehungen, jedoch nicht für Mikroben und andere verdächtige Elemente.

In vergleichbarer Weise erklärte die Weltgesundheitsorganisation im Jahre 1951 die Notwendigkeit. ein Maximum an Sicherheit vor der weltweiten Verbreitung von Krankheiten und ein Minimum an Folgen für den Welthandel zu erzielen.

Nach dem Ausbruch der H5N1-Vogelgrippe im Jahr 2006 entwickelte die Europäische Union (EU) Pläne für ein zentrales Lager antiviraler Medikamente, um im Falle einer erneuten Pandemie eine schnelle Verteilung zu gewährleisten. Doch der Plan scheiterte, weil verschiedene Länder nicht mitzogen.

Jetzt haben Deutschland und Frankreich den Export von Schutzmasken und Handschuhen verboten. In einer Krisensituation verwandelt sich die kapitalistische EU in eine Ansammlung von wettstreitenden Nationen, die nur noch den Vorteil ihrer eigenen Kapitalistenklasse vertreten.

Die indische Regierung begrenzt den Export dutzender Medikamente sowie von 26 Schlüsselchemikalien für die weltweite pharmazeutische Industrie. Indien ist einer der größten Pharma-Produzenten der Welt, bezieht aber etwa siebzig Prozent seiner Zutaten von chinesischen Lieferanten, von denen viele während dieser Krise geschlossen wurden.

Demokratische Planung statt Markt

Andere Länder versuchen ebenfalls, den Export von Medikamenten zu begrenzen, riskieren aber gleichzeitig, dass die Herstellung eben dieser Medikamente in der globalisierten Produktionskette blockiert wird. Es dauert etwa achtzehn Monate, einen Impfstoff und Behandlungsmethoden zu entwickeln und zu testen. Viren verändern sich schnell, so das dauerhafte Forschung erforderlich ist.

Die weltweite Pharma-Industrie muss in öffentliches Eigentum überführt werden, so dass die vorhanden Ressourcen demokratisch geplant und kontrolliert werden könne, ohne auf kurzfristige Profitinteressen Rücksicht nehmen zu müssen. Behandlungen und Impfungen müssen allen zur Verfügung gestellt werden, die sie benötigen und nicht nur denen, die dafür zahlen können. Die geringe bekannte Anzahl von Infizierten in Indonesien, Afrika und anderen Regionen können den schlechten Untersuchungs-Möglichkeiten in diesen Ländern geschuldet sein. Es gibt allein eine halbe Million afrikanische Migrant*innen in China, die oft nur begrenzten Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Menschen, die vor Krieg, Armut und Gewalt im Mittleren Osten, Afrika und Latein-Amerika fliehen, sind ebenfalls einem hohem Risiko von unkontrollierten Covid-19-Ausbrüchen ausgesetzt, ohne Gesundheitsversorgung zu haben. Anstatt große Summen für Waffen und Profite auszugeben, würde sozialistische Planung die Ressourcen für weltweite Gesundheitskontrolle und Gesundheitsversorgung bereitstellen.

Die Krise des britischen NHS und das Corona-Virus

Großbritannien hat von allen EU-Staaten beinahe die geringste Anzahl von Betten in der Intensivpflege. Wie wird dieses Gesundheitssystem mit dem Ansturm des Covid-19 fertig? Nicht nur die verletzlichen Corona-Patient*innen sind in Gefahr, wenn es keine angemessene Gesundheitsversorgung gibt. Andere Patient*innen mit schweren Erkrankungen und Verletzungen finden während der Epidemie ebenfalls keine Behandlung. Schätzungen, wie hoch der Anteil der Infizierten in der britischen Bevölkerung sein wird, reichen von dreißig bis sechzig Prozent. Während der größte Teil von ihnen keine stationäre Behandlung brauchen wird, werden diejenigen, die sie doch brauchen, besondere Anforderungen an Isolation, Hygiene und Betreuung stellen.

Die Regierung muss unverzüglich ihre jahrzehntelange Praxis von Kürzungen und Privatisierungen zurücknehmen. Sie sollte darüber hinaus dem NHS (National Health Service – Nationales Gesundheitswesen) Zugriff auf Ressourcen privater Einrichtungen der Gesundheitsversorgung geben, um während der Krise Extra-Kapazitäten zu erreichen.

Im Jahre 2018 hatte das NHS nur 4100 Betten für Intensiv-Pflege. Deutschland hat pro Kopf gerechnet fünfmal so viele, die USA, trotz der Unzulänglichkeiten der privatisierten Medizin, sogar zehnmal so viele!

Die Tories wollen durch Wirtschaftsbeziehungen das NHS amerikanisieren. Doch die größte Wirtschaftsmacht der Welt zeigt uns die Grenzen dieses Systems.

Donald Trumps beschränktes Verständnis von der Verbreitungsweise des Virus hat dessen Auswirkungen verschlimmert. Bis zum ersten März hatte Südkorea mehr als 100.000 Tests durchgeführt, die USA weniger als fünfhundert. Bis zum 08. März wurden in den USA fünfhundert Fälle dokumentiert, mit einer vermutlich sehr hohen Dunkelziffer. Das US Center for Disease Control (die Amerikanische Gesundheitsbehörde) hatte angekündigt, die Tests würden gratis sein, es wurden aber dennoch tausende Dollar für Verwaltungsgebühren erhoben. Der amerikanische Gesundheitsminister Alex Azar war nicht in der Lage, die Anzahl der durchgeführten Tests anzugeben, weil mit einander konkurrierende private Firmen und die behördlichen Stellen unterschiedliche Tests entwickelt und durchgeführt haben.

Achtundzwanzig Millionen Menschen in den USA haben keine Krankenversicherung. Viele mehr sind unterversichert, müssen also enorme Kosten für Tests und Behandlung selbst tragen. Dreißig Prozent der Arbeiter haben keinen Anspruch auf Krankengeld. Mit dem Mangel an verfügbaren Tests und Trumps Bewertung der Virus-Gefahr als Fake-News der Demokratischen Partei noch im Februar steuern die USA auf die schlimmste Epidemie aller Industrienationen hin.

Inzwischen haben die Behörden vier Millionen Tests in einer Woche versprochen, Trump musste Unterstützung für Arbeiter zusagen, niemand werde sein Einkommen einbüßen oder für etwas zur Kasse gebeten, dass er nicht verursacht habe. Was die amerikanischen Kapitalisten bereit sind, zu gewähren werden, bleibt abzuwarten. Aber es wird schon jetzt klar: Der Staat muss intervenieren, denn der Markt ist nicht in der Lage, öffentliche Gesundheitsvorsorge zu garantieren und die Arbeiter zu schützen.

Inzwischen musste sogar der ehemalige Tory-Gesundheitsminister Jeremy Hunt einräumen, dass das NHS mit seinen „zentralisierten Strukturen und einer Bürokratie, die manchmal in der Kritik stand, in einer koordinierten und umfassenden Weise auf eine Krise wie diese reagieren kann.“ Welche Heuchelei! Nach dreißig Jahren Privatisierungen und Kürzungen durch Tories, New Labour und ihren Koalitionen ist es allein dem Widerstand von Arbeitern und Patienten zu verdanken, dass das NHS noch nicht ganz zerstört worden ist.

Doch die bisherige Ausrichtung zielte eindeutig auf ein System wie in den USA, wie in den Post-Brexit Handelsgesprächen, aber auch vorher innerhalb der EU. Sozialistische Politik zur Rettung des NHS ist nötig.

Ein Programm im Interesse der Arbeiter*innenklasse in der Corona-Krise

Öffentlicher Dienst

Schnelle Finanzierung von Ressourcen für den Schutz von Arbeitern, Patienten, Schülern und Studenten sowie Nutzern des Gesundheitssystems, im Transportsektor, der Erziehung und im Öffentlichen Dienst

Requirierung privater Einrichtungen durch das NHS zur Unterstützung des NHS wenn erforderlich

Die Regierung muss sicher stellen, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung ihren Bedürfnissen entsprechend ausgestattet sind.

Es muss sicher gestellt werden, dass Lehrer*innen und Eltern für alle Ausfälle in Folge des Corona-Virus kompensiert werden.

Die Lehrpläne müssen an die Krise angepasst werden, Sicherheit für Lehrer*innen und Schüler*innen müssen Priorität haben.

Sobald Impfstoffe zur Verfügung stehen, müssen diese kostenlos zur Verfügung gestellt werden – die Pharmaindustrie muss verstaatlicht werden um Forschung, Produktion und Verteilung zu gewährleisten.

Privatisierungen des NHS müssen rückgängig gemacht werden, ein Programm zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung muss her.

Löhne, Gehälter

Arbeiter*innen dürfen nicht für die Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie zur Kasse gebeten werden. Diejenigen, die ihren Dienst nicht ausfüllen können, weil die Dienststelle/der Betrieb geschlossen ist oder sie ihre Kinder betreuen müssen, müssen volle Lohnfortzahlung erhalten. Niemand darf gezwungen werden, Urlaub zu nehmen. Gleiches gilt für Menschen ins Weiterbildungs- oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder andere Leistungsempfänger*innen.

Alle Beschäftigten müssen Anspruch auf vollen Lohn vom ersten Tag ihrer Krankheit oder Quarantäne bekommen

Selbständige, Freiberufler*innen, Saisonkräfte und Beschäftigte im Unterhaltungsbereich müssen Fortzahlungen ihrer Einkünfte in Höhe einer 37,5 Stunden-Arbeitswoche erhalten.

Leistungsempfänger*innen dürfen keine Nachteile oder Einschränkungen haben, weil sie ihre Wohnungen nicht verlassen können oder angesetzte Bewerbungs- und Beratungsgespräche nicht wahrnehmen können. Während der Dauer der Krise darf niemand zu Bewerbungs- oder Vorstellungsgesprächen gezwungen werden

Kein Lohnverlust oder Zwangsurlaub oder andere Benachteiligungen im Produktions- und Logistik-Bereich wegen Ausfällen durch Versorgungsengpässe.

Missbrauch durch Unternehmen verhindern

Alle Unternehmen, die behaupten, sie könnten die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht bewältigen, müssen ihre Bücher und Einrichtungen durch Behörden und Gewerkschaften kontrollieren lassen. Großbetriebe, die die Zusammenarbeit verweigern, müssen verstaatlicht werden, um die Arbeitsplätze und Gesundheit der Beschäftigten zu verteidigen – Kompensation nur bei erwiesener Bedürftigkeit.

Demokratische Kontrolle durch die Gewerkschaften über alle Maßnahmen von privaten oder Regierungsstellen zur Eindämmung des Virus, Einschränkungen von Versammlungen, Streiks oder Rationierungen.

Der TUC (Trade Union Congress, Gegenstück zum DGB) und die Einzelgewerkschaften, die größten freiwilligen Organisationen mit mehr als sechs Millionen Mitgliedern, müssen sich auf Streiks vorbereiten, falls die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung nicht ergriffen werden.

Print Friendly, PDF & Email