Die Reichen üben sich in Klassensolidarität
Am vergangenen Wochenende hat es bei einigen Spielen in der Fußball-Bundesliga Schmähungen von Fans gegen den “Geldgeber” von Hoffenheim, Dietmar Hopp, gegeben. Dies hat zu einem großen medialen Aufschrei geführt.
Von Torsten Sting, Rostock
Richtig ist, dass persönliche Anfeindungen (“Hurensohn”) und Bilder mit Fadenkreuz eine falsche Form des Protests sind und dem DFB die Möglichkeit geben, vom eigentlichen Thema abzulenken. Dies war jedoch nur ein Teil des Protests.
Wer genau hin geschaut hat, konnte Transparente inhaltlicher Natur sehen, die weder den Vereinsbossen noch der DFB-Spitze gefallen haben. Die Moralkeule wurde für einige Tage kräftig geschwungen und mit Superlativen nicht gegeizt. Mehrfach wurde von Spitzenfunktionären wie dem DFB-Boss, Fritz Keller gesagt, dass diese Proteste der „Tiefpunkt“ seien. Bei n-tv.de kommentierte Christian Bartau sehr treffend: „Nochmal: Es ging um Beleidigungen gegen Hopp. Nicht um die schwarzen Kassen für das Sommermärchen, nicht um die Gauner bei der Fifa, nicht um tote Arbeiter auf den Baustellen für die Winter-WM in Katar. Für den DFB-Präsidenten Keller, der über sieben Millionen Mitglieder vertritt, ist das Maß voll, wenn ein Milliardär beleidigt wird. Ein Mann, der sich die besten Anwälte leisten kann, und das auch tut. Seit Jahren überzieht Hopp Fans mit Prozessen.“
Dass „das Maß voll ist“ wenn es gegen einen Milliardär geht (der übrigens für seine arbeitnehmerfeindliche Unternehmensführung bekannt ist) und nicht, wenn wiederholt schwarze Spieler rassistisch beleidigt werden, lässt tief blicken. Die Reichen üben Klassensolidarität, aber sie nutzen die Situation auch, um die Kommerzialisierung weiter voran zu treiben.
Ursache der Proteste
Dieses mediale Trommelfeuer war kein Zufall. Es sollte gezielt eine inhaltliche Debatte verhindert werden.
Hopp steht als Milliardär, der einen kleinen Dorfverein mit seiner Kohle zu einem Bundesligisten “gedopt” hat, sinnbildlich für die eskalierende Kommerzialisierung des Profifußballs. Dagegen wehren sich in organisierter Form, Ultra-Fan-Gruppen. In passiver Form unterstützen dies viele Millionen Fußball-Fans, die ebenfalls angewidert sind von Millionengehältern der Spieler, absurdem Transfertheater, hohen Ticketpreisen usw.
Der koordinierte Protest, hatte zudem einen konkreten Anlass, der jetzt kaum zur Sprache kommt. Aufgrund wiederholter Beleidigungen von Fans des BvB gegen Hopp, hat das DFB-Sportgericht für ALLE Fans des Vereins, für drei Spiele in Hoffenheim ein Stadionverbot erlassen! Gegen diese Kollektivstrafen gibt es zu Recht seit langem Widerstand. 2017 wurden diese zunächst abgeschafft um jetzt wieder eingeführt zu werden. Die Empörung richtet sich daher auch gegen den DFB, dem zurecht Wortbruch vorgeworfen wird.
Fußball, Kapitalismus und Gegenkultur
Dieses System unterwirft sich alle Lebensbereiche, kein Winkel bleibt verschont. Auch die schönsten „Nebensachen der Welt“, wie zum Beispiel der Fußball, werden zur schnöden Ware degradiert um mit ihr Profit zu machen. Nichts weiter bedeutet es, wenn Konzerne wie Red Bull oder „Investoren“ aus welchem Teil des Planeten auch immer, bei Clubs einsteigen (oder selber aus dem Boden stampfen) um damit ihr Produkt zu pushen, Geld zu waschen oder politische Kontakte darüber zu knüpfen.
Die Ultra-Bewegung hat ihre Schattenseiten, sie ist nicht homogen und trägt natürlich auch rückständige Elemente in sich, die kritisch angesprochen werden müssen, siehe oben. Der Ausgangspunkt, das Spiel nicht den Kapitalisten und Bürokraten zu überlassen, ist und bleibt richtig. Dazu gehört aber auch die Erkenntnis, dass dies im Rahmen des Kapitalismus, wie jeder andere Kampf auch, an seine Grenzen stößt. Wir brauchen eine Gesellschaft jenseits dieses Systems, in dem es um die Bedürfnisse der Menschen in all ihrer Breite geht. Der Mensch lebt bekanntlich nicht nur vom Brot allein. Zum Leben gehört auch, mit Leidenschaft zu spielen, ohne den schnöden Mammon vor Augen zu haben. Den Fußball von diesen Fesseln zu befreien, sollte ein weiterer Grund sein, sich dem Kampf für eine sozialistische Demokratie anzuschließen.