Coronavirus – Die Krise verschärft sich, Klassengegensätze vertiefen sich

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Erklärung des Internationalen Sekretariats des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale vom 31. März 2020

Auch nach dem Ende der COVID-19-Pandemie wird nichts je wieder so sein wie früher. Die Situation wird jener nach den beiden Weltkriegen des zwanzigsten Jahrhunderts ähneln. Die allgemeine Situation hat sich bereits unmissverständlich “verändert, völlig verändert!” Darüber hinaus ist es die rasante Abfolge der Ereignisse, die eines der auffälligsten Merkmale der Situation ist. Sogar Gordon Brown, die New Labour-Größe, brachte es kürzlich fertig, Lenin zu zitieren, indem er sagte, dass wie wir selbst vorhergesagt haben, sich die Ereignisse von Jahrzehnten in einer Krise manchmal auf eine Woche zu konzentrieren scheinen!

Maßnahmen, die noch vor wenigen Monaten als inakzeptabel “sozialistisch” galten, wurden vom Kapitalismus und seinen Regierungen verzweifelt angenommen, um sie und ihr System vor einer weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe zu retten, einschließlich des Aufstandes der Arbeiter*innen in den fortgeschrittenen Industrieländern und einer kolossalen Revolte in der neokolonialen Welt [die damit verbunden wären a.d.Ü.].

Wie ein bürgerlicher Kommentator in Großbritannien erklärte war Rishi Sunak, der Tory-Schatzkanzler, “gezwungen, sich zwischen der Tory-Doktrin und Hunger-Krawallen zu entscheiden, [und] traf die richtige Wahl”. Und was war diese Entscheidung? Ein anderer Minister des Tory-Kabinetts antwortete in der Zeitung Observer: “Wir haben gerade die Wirtschaft verstaatlicht.” Das war nicht ganz richtig, was aber stimmt ist, dass die Tories Milliarden von Staatsgeldern – unser Geld – ausgegeben haben, um ihr System aufrechtzuerhalten, welches auf der Grundlage von privatem Profit und nicht auf der Grundlage von sozialer Notwendigkeit basiert. Dies geschah inmitten von Behauptungen, dass das System vom Zusammenbruch bedroht sei, und der Angst vor einem daraus folgenden Ausbruch von klassenbewusstem Hass auf die Herrschenden bei den am stärksten betroffenen Arbeiter*innen.

Darüber hinaus hat die Krise deutlich gezeigt, dass das bestehende System eindeutig versagt hat – vor allem was den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) angeht, der aktuell wichtiger denn je ist. Premierminister Boris Johnson und seine Kumpanen rühmen zwar “unseren NHS”, aber sie haben eben diesen systematisch privatisiert und ausgelaugt. Der NHS war historisch gesehen eine Schöpfung der Arbeiter*innenbewegung in der Zeit nach 1945, als die Truppen und die Arbeiter*innenklasse, die aus dem Krieg nach Hause kamen, erklärten, dass sie “nie wieder” in die Massenarbeitslosigkeit und die Entbehrungen der Zwischenkriegszeit zurückkehren würden. Darüber hinaus stieß Aneurin Bevan bei der Gründung des NHS auf heftigen Widerstand der Tory-Partei und der damals meist Tory-wählenden Ärzte. Bevan gab zu, dass er das Projekt nur dadurch in Gang brachte, dass er “den Ärzten den Mund mit Gold füllte”, indem er ihnen erlaubte, eine gewisse Anzahl lukrativer Privatpraxen zu betreiben. Später wurde dies von Thatcher bei ihrer Konterrevolution als Keil benutzt, um bedeutende Teile des NHS faktisch zu privatisieren, was diesen in einem erheblich geschwächten Zustand hinterließ. Ihre destruktiven Initiativen wurden von Blair, Cameron und May fortgesetzt und noch verstärkt.

Dies hat sich in der gegenwärtigen Krise deutlich gezeigt und direkt zur Verknappung von Notbetten, Atemschutzgeräten und anderen lebenswichtigen, potenziell lebensrettenden Geräten beigetragen. Die Sparmaßnahmen forderten einen schrecklichen Tribut vom NHS, der zwischen 1987/88 und 2018 insgesamt 19,44 Prozent seiner Betten für die allgemeine und Akutversorgung verloren hat. Ein Gesundheitsforscher kommentierte gegenüber der Financial Times, dass die Expansion des privaten Krankenhausmarktes über zwanzig Jahre hinweg “eine Entschuldigung für die Regierung gewesen sei, nicht genug in die Gesundheitskapazität zu investieren… der Deal mit dem NHS England war effektiv eine ‘Rettungsaktion’ für den privaten Krankenhaussektor Großbritanniens und seiner Vermieter, zu denen auch börsennotierte Immobilienfonds gehören”. Der Preis dafür wird nun in Großbritannien bezahlt, denn die schreckliche Überfüllung der Krankenhausstationen gefährdet die Beschäftigten des NHS und die kranken Patient*innen, bis hin zur Gefahr des Todes. Genau hier führt die rücksichtslose kapitalistische Privatisierung hin.

“Die hereinbrechende sozialistische Gesellschaft”

In den USA gibt es nicht einmal ein nationales Gesundheitssystem und eine “trumpianische” Opposition gegen ein so genanntes “sozialistisches Gesundheitswesen” [gemeint sind die Reformen des Gesundheitswesens, die zu einem allgemeinen Versicherungsschutz führen sollen, A.d.Ü.. Dies hat die Ärmsten der amerikanischen Arbeiter*innenklasse in Gefahr gebracht, die sich die überteuerten privaten Versicherungen nicht leisten können. Dies hat sogar zu den Anfängen einer Revolte gegen dieses schändliche System und seine Befürworter wie Trump geführt. Es hat alle Unzulänglichkeiten des Privateigentums und des Kapitalismus aufgezeigt, was sogar die Frage nach einer dringenden staatlichen Intervention in dieser Krise aufgeworfen hat. Es war Friedrich Engels, der, als der bürgerliche Staat gezwungen war, einzugreifen und durch die Verstaatlichung gescheiterte Industrien zu retten, dies als “die hereinbrechende sozialistische Gesellschaft” bezeichnete. Der Kapitalismus war nicht mehr in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen und musste durch Verstaatlichungen durch den kapitalistischen Staat gerettet werden. Dies wiederum stellt die Übernahme der Mehrheit der Industrie zur Debatte, was wiederum die Idee eines organisierten sozialistischen Plans aufwirft.

Unter den Schlägen der katastrophalen wirtschaftlichen Situation – insbesondere für die Armen und die Arbeiter*innenklasse – finden in den USA derzeit recht ungewöhnliche Entwicklungen statt. Die Financial Times beschreibt, wie ein “wenig genutztes Stück Kriegsgesetzgebung in den Mittelpunkt des immer erbitterteren Kampfes zwischen Donald Trump und seinen Kritikern gerückt ist, die dem Präsidenten vorwerfen, nicht genug für den Kampf gegen das Coronavirus zu tun”. Die Lieferungen von Ausrüstungsgegenständen wie Schutzmasken und Krankenhausbeatmungsgeräten sind knapp geworden. Demokraten und sogar einige Republikaner kritisierten seine Zurückhaltung, das Gesetz über die Rüstungsproduktion, das Unternehmen zur Herstellung bestimmter Produkte zwingen kann, zu nutzen, um das Großkapital in den Dienst der Bekämpfung der Pandemie zu stellen. Trump war nun gezwungen, sich im Zusammenhang mit General Motors auf das Gesetz zu berufen. Mehr als hundert nationale Sicherheitsexperten schrieben an den Präsidenten, das Gesetz sofort anzuwenden, und warnten, dass der Privatsektor “nicht in der Lage ist, eingehende Anfragen zu bearbeiten, die dringendsten Bedürfnisse zu priorisieren und sich mit anderen Unternehmen zu koordinieren”. Darüber hinaus haben die US-Gewerkschaften sich in die Debatte eingebracht, wobei der Präsident der American Federation of Labour/Kongress der Industrieorganisationen unverblümt erklärte, dass “die derzeitigen bruchstückhaften Bemühungen der Regierung, die Produktion von N95-Masken und Beatmungsgeräten zu erhöhen, nicht funktioniert haben und offen gesagt nicht funktionieren werden”.

Ihr Eingreifen erfolgt nach ähnlichen Warnungen von Joe Biden, Spitzenkandidat in den Vorwahlen der Demokratischen Partei und Andrew Cuomo, dem Gouverneur des Staates New York. Trump lehnte dies ab, weil “er US-Unternehmen nicht teilverstaatlichen will”. Er nennt sich jetzt “einen Präsidenten in Kriegszeiten”, aber er weigert sich, für eine solche Situation wie diese Maßnahmen zu ergreifen, die bereits im Gesetzbuch stehen!

Dieselbe ideologische Sturheit wird auch angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation in den USA gezeigt, aufgrund derer in der vergangenen Woche mehr als drei Millionen Amerikaner*innen einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt haben, “ein Rekordhoch, das erstmals landesweit ein Bild der Schäden bietet, die der US-Wirtschaft durch den Coron-Shutdown entstanden sind”. Die Zahl der Arbeitslosenanträge stieg von 282.000 in der Vorwoche auf 3,3 Millionen: “Die Daten stellten die Konsenserwartungen von 1,7 Millionen in den Schatten und zeigten das erschütternde Ausmaß der Arbeitsplatzverluste in der ersten vollen Antragswoche, seit die Städte und Bundesstaaten damit begannen, öffentliche Versammlungen einzuschränken und in einigen Fällen die Bewohner*innen anzuweisen, zu Hause zu bleiben. Dies ist der größte wöchentliche Anstieg der Arbeitslosenansprüche seit Beginn der Veröffentlichung von Aufzeichnungen durch die Regierung im Jahr 1967. Ein Arbeitsmarkt-Ökonom kommentierte die Situation: “Diese Zahl ist unmöglich zu begreifen. Wir haben gerade anderthalb Jahre Beschäftigungswachstum vernichtet… Das Wichtigste ist, dass man sich daran erinnert, dass dies eine Unterzählung des realen menschlichen Leidens ist”. Ökonomen von Oxford Economics haben für die kommenden Wochen 15 bis 20 Millionen

Arbeitsplatzverluste vorhergesagt, wobei Jay Powell, der Vorsitzende der Federal Reserve, sagte, dass sich die USA “möglicherweise” bereits in einer Rezession befinden. “Wir durchleben einen Generationen bestimmenden Moment”, fügte Mohamed El-Erian, ökonomischer Chefberater bei der Allianz AG, hinzu.

Dieser ‘Kriegspräsident’ (der seinerzeit der Teilnahme am Vietnamkrieg ausgewichen war!) könnte bei den Präsidentschaftswahlen im späteren Verlauf des Jahres auf mehr Widerstand stoßen, als er vielleicht erwartet hat. Angesichts seines Wirtschaftsförderung von zwei Billionen Dollar, einschließlich Schecks an jeden Haushalt und bis zu vier Monaten erhöhter Leistungen für Arbeitslose, erwartete er eindeutig einen Wahlbonus. Dies könnte angesichts der politischen Schwäche von Biden immer noch geschehen, zumal die Internationale Arbeitsorganisation jetzt ein Szenario vorsieht, bei dem weltweit fast 25 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, verglichen mit den 22 Millionen Arbeitsplatzverlusten während der Krise von 2008, die sich über einen viel längeren Zeitraum erstreckte: “Die Arbeitsplatzverluste stellen sich mit großer Geschwindigkeit ein.”

Nationale Widersprüche in der EU

Unter dem Druck der Krise haben sich die nationalen Gegensätze nun auch unter den so genannten “Partnern” der Europäischen Union verschärft. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat den EU-Staaten vorgeworfen, “nur auf sich selbst zu achten”. Sie machte den Staaten zum Vorwurf, dass diese angesichts der Pandemie Ausfuhrverbote auf medizinische Ausrüstung und Reisebeschränkungen verhängt haben. Von der Leyen hob insbesondere die mangelnde Reaktion auf die Forderungen nach medizinischen Gütern nach Italien und die Exportverbote für Ausrüstungen in andere Mitgliedstaaten hervor: “Als Europa wirklich einen ‘Einer für Alle’-Geist brauchte, gaben zu viele zunächst die Antwort ‘nur für mich’… Zu viele weigerten sich zunächst, ihren Schirm zu teilen. Aber es dauerte nicht lange, bis einige die Folgen ihres eigenen unkoordinierten Handelns zu spüren bekamen.” Sie hob insbesondere Deutschland hervor: ” das anfangs den Export von medizinischen Gütern in andere EU-Länder einschränkte.” Polens Regierung geriet in die Kritik, weil sie eine strenge Ausländerverbot-Regelung durchsetzte, die zu tausenden von Kilometern Stau an ihren Grenzen führte.

Gleichzeitig erklärte Christine Lagarde, die Präsidentin der Europäischen Zentralbank: “Unserem Engagement für den Euro sind keine Grenzen gesetzt.” Das CWI hat immer wieder erklärt, dass angesichts einer schweren Krise – und dies ist eine katastrophale Krise – nicht ausgeschlossen werden kann, dass einzelne Länder aus dem Euro aussteigen. Italien zum Beispiel ist [durch den Euro] ] in einer monetären Zwangsjacke gefangen, aus der es sich jederzeit lösen könnte. Die EU ist nach wie vor eine freiwillige “Union” unabhängiger Staaten, die unter dem Druck tiefer und wachsender wirtschaftlicher und sozialer Krisen auseinander fliegen könnte. Darüber hinaus werden die nationalen Gegensätze, sowohl innerhalb der Blöcke als auch zwischen ihnen, in absehbarer Zeit immer stärker hervortreten.

Nun, da sie [die Herrschenden] nicht nur von der Aussicht auf eine Rezession, sondern auch von einer wirtschaftlichen Depression in Angst versetzt werden, erwägen sie die “extremsten” Maßnahmen, um den wirtschaftlichen Niedergang aufzuhalten. Wirtschaftliche Wahrsager wie Nouriel Roubini – einer der wenigen bürgerlichen Ökonomen, die die Krise von 2007-08, wie auch das CWI, empirisch vorhergesagt haben – sind jetzt wieder aufgetaucht und erklären, dass diese Krise tiefer und dauerhafter sein könnte [als 2007/8]; in Wirklichkeit handelt es sich um eine wirtschaftliche Depression. Roubini argumentiert nun, dass die Krise nicht “V-förmig” sein wird – ein starker Rückgang und eine ebenso starke Erholung -, sondern höchstwahrscheinlich eine “L-förmige” Form oder sogar ein “I” annehmen wird, was einen vollständigen Zusammenbruch bedeutet, bei dem nicht sicher ist, wann und wie er enden wird. Dies bedeutet einen Zusammenbruch, gefolgt von einer lang anhaltenden Stagnation, mit anderen Worten: eine Depression. Larry Elliott, Wirtschaftsredakteur des Guardian, argumentiert ebenfalls, dass dies das wahrscheinlichste Szenario sei.

Seit der wirtschaftlichen Depression der 1930er sind neunzig Jahre vergangen. Und wie ein Kommentator anmerkte, hat es seitdem eine ganze Reihe von Wirtschaftskrisen von unterschiedlicher Tiefe und Schwere gegeben, aber bisher nur diese eine ernsthafte wirtschaftliche Depression, die 1929 in den USA begann. Aber diese war nicht nur durch wirtschaftliche Stagnation gekennzeichnet, sondern auch durch die politischen Auswirkungen weltweit, sowohl negativ in den Möglichkeiten, die den Faschisten und der extremen Rechten gegeben wurden, um die Macht zu übernehmen, als auch vor ihnen, durch die kolossale revolutionäre Bewegung der organisierten Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung und die Möglichkeiten, eine Massenbewegung zur Machtübernahme aufzubauen.

Die Große Depression der 1930er Jahre

Zunächst einmal waren große Teile der Arbeiter*innenklasse in den 1930er Jahren von der Geschwindigkeit, mit der sich die Wirtschaftskrise entwickelte betäubt. Und obwohl oppositionellen Massenbewegungen bereits existierten und auch wachsen konnten, entmutigte die “Depression” zunächst viele Arbeiter*innen, den Weg des Kampfes einzuschlagen. Erst als es eine gewisse Erholung der Wirtschaft gab – vor allem in den USA in den Jahren 1934 bis 1936 -, erwachte die Arbeiter*innenbewegung und schloss sich dem Kampf gegen die Bosse und die herrschende Klasse im Allgemeinen an. In den USA war die Zeit von 1933 bis 1936 von einem titanischen industriellen und politischen Erwachen der Arbeiter*innenklasse geprägt, vor allem in den neuen Industrien dieser Zeit, der Stahl- und Automobilindustrie, neben traditionellen Kämpfern wie den Bergarbeitern usw.

Gleichzeitig wurden die scheinbar vernichteten traditionellen Gewerkschaften zu neuem Leben erweckt. Die Gewerkschaftsführer nutzten den “New Deal” mit Roosevelts stillschweigender Unterstützung zu einer kolossalen Rekrutierungskampagne, bei der drei Millionen Arbeiter*innen, vor allem in den neuen Industrien, den Gewerkschaften beitraten. John L. Lewis, der Führer der United Mine Workers of America, produzierte Millionen von Flugblättern, die leicht “sparsam mit der Wahrheit” verkündeten: “Euer Präsident will, dass ihr einer Gewerkschaft beitretet.” Dies half einer enormen Eintrittswelle in die Gewerkschaften. Darüber hinaus war es kein Zufall, dass die Trotzkist*innen in den USA eine Schlüsselrolle spielten, insbesondere in der Automobilindustrie und in der Gewerkschaft der Teamster [LKW-Fahrer, A.d.Ü.], die in der großartigen Buchreihe, die mit “Teamster Rebellion” von Farrell Dobbs beginnt, zusammengefasst ist. Die amerikanische Socialist Workers Party (SWP) stand zu diesem Zeitpunkt fest unter dem politischen Einfluss Leo Trotzkis.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Geschichte in genau dieser Form wiederholt oder gar den gleichen Verlauf nimmt wie in den 1930er Jahren mit der Gründung neuer Gewerkschaften. Allerdings ist die derzeitige offizielle Gewerkschaftsmitgliedschaft in den USA so niedrig, dass einige neue Gewerkschaften gegründet werden und wachsen könnten. Aber der Kampf innerhalb der bereits bestehenden Gewerkschaften kann auch die Bildung einer neuen militanten und kämpferischen Führung vorbereiten, welche zum Wiedererstarken der bestehenden Gewerkschaften führen kann, wenn diese durch neue militante Klassenkämpfer*inen erneuert und demokratisiert werden. Dies wiederum kann zu neuen Gewerkschaften führen, die sich unter den Hammerschlägen der Ereignisse entwickeln werden. Diejenigen, die sich kürzlich vom CWI abgespalten haben, werden mit ihrer Kapitulation vor der Identitätspolitik und einer faktischen Aufgabe der Gewerkschaftsarbeit kaum eine Schlüsselrolle spielen. Sie werden sich als unfähig erweisen, einen Weg zu den besten Teilen der US-Arbeiter*innenklasse zu finden, die durch die Schläge des US-Kapitalismus, der jetzt von dem weithin als unfähig empfundenen Trump angeführt wird, aus ihrem Winterschlaf geweckt werden dürften.

Larry Elliott schreibt weitgehend in Bezug auf Großbritannien, aber seine wirtschaftliche Analyse passt auchj auf die Situation in anderen Ländern, insbesondere in den USA. Elliot hat erklärt, dass ein Absturz unvermeidlich ist…… “Es ist, als wären die Lichter ausgeschaltet worden. Die Weltwirtschaft ist in Dunkelheit getaucht, während die einzelnen Länder in Deckung gehen… Die britische Wirtschaft ist auf dem Weg, im zweiten Quartal 2020 um 15 Prozent zu schrumpfen. Das ist keine Rezession, sondern ein Zusammenbruch, der alles übertrifft, was es in der neueren Geschichte gegeben hat, einschließlich der Großen Depression”. Das Ausmaß des Zusammenbruchs und das Dilemma, mit dem die Regierungen in der EU konfrontiert sind, zeigt sich am Beispiel Deutschland, wo das seit einem Jahrzehnt geltende fiskalische Regelwerk, praktisch über Nacht, über Bord geworfen wurde. Die “Politik der Schwarzen Null” wurde bisher nie ernsthaft in Frage gestellt, aber jetzt ist sie auch in Deutschland beendet worden.

Die neokoloniale Welt vor der Katastrophe

In der neokolonialen Welt, in der sich eine Reihe von nationalen Katastrophen abzeichnet, ist die Situation weitaus ernster und katastrophaler. Die südafrikanische Regierung hat bereits erklärt, dass sich das Land in einer “nationalen Katastrophe” befindet und einen 21-Tägigen Lockdown beschlossen, wobei die Armee mobilisiert wurde, um jeden “Ärger” einzudämmen, der aus den afrikanischen Townships droht. Die Idee des social Distancing und des regelmäßigen Händewaschens zur Eindämmung des Virus ist absolut notwendig und lobenswert, aber in weiten Teilen der neokolonialen Welt aufgrund der kolossalen Zusammendrängung der Bevölkerung, insbesondere in den Dörfern und Townships, völlig utopisch. In Lagos, Nigeria, zum Beispiel sind bereits 21 Millionen Menschen unter unbeschreiblichen Bedingungen zusammengepfercht. Regelmäßiges Händewaschen, das von allen Gesundheitsbehörden befürwortet wird, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, ist unter Bedingungen, bei denen es ein Luxus ist, sich auch nur einmal die Hände zu waschen, nicht möglich.

Hinzu kommt das Risiko einer neuen Schuldenkrise in den ärmsten Ländern der Welt mit steigenden Kreditkosten aufgrund der Risiken einer zunehmenden Verschuldung und der durch den Preisverfall bei Öl und anderen Rohstoffen beeinträchtigten Rohstoffexporte. Die Rohstoffpreise sind eingebrochen: Der Kupferpreis ist seit Anfang 2020 um 21 Prozent, der Ölpreis um 61 Prozent und der Kaffeepreis um 15 Prozent gesunken. Diese armen Länder fordern dringende Maßnahmen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus abzuwehren. Ein Hinweis auf einige der Probleme, mit denen Afrika, das mit anderen am stärksten von der Pandemie betroffen sein wird, sind die schwachen öffentlichen Gesundheitssysteme und eine übermäßige Abhängigkeit von Rohstoffexporten, Tourismus und Überweisungen aus dem Ausland. Es gab Forderungen nach einem Schuldenmoratorium für diese Länder. Die Schulden dieser armen Länder, die bereits stark von der Pandemie betroffen sind, sollten stattdessen vollständig erlassen werden. Die 54 Länder des ärmsten Kontinents der Welt, Afrika, sind am stärksten betroffen. Wir stehen erst am Anfang dieses Prozesses in der neokolonialen Welt, in der die Forderungen nach der staatlichen Übernahme der versagenden Industrien massenhaft Unterstützung finden können. Aber ein neuer “Marshallplan” für Afrika und die anderen armen Länder wird wahrscheinlich nicht zustande kommen. Private “Investoren” – mit anderen Worten kapitalistische Blutsauger – haben den Schwellenländern durch den katastrophalen Verfall der Rohstoffpreise 83 Milliarden Dollar entzogen. Die Forderungen nach der staatlichen Übernahme der Industrie und der wichtigsten Teile der Wirtschaft im nationalen Maßstab sollten jetzt erhoben werden. Dies wiederum sollte zu der Forderung nach einer demokratischen sozialistischen Konföderation für ganz Afrika führen.

Es ist auffällig, dass die Gesellschaften, die sich aus weitgehend staatseigenen Industrien entwickelt haben oder dabei sind, sich zu entwickeln, mit der Pandemie viel effektiver umgegangen sind als “normale” kapitalistische Länder. So war zum Beispiel der ex-stalinistische Staat Vietnam effizienter als sein Nachbar Thailand. Letzteres handelte auf selbstherrliche, ineffiziente Weise im Umgang mit “Ausländer*innen”, welche in Gefahr gerieten in Thailand festzusitzen, und verlangte oft exorbitante Gebühren – eine Form von Lösegeld – von unschuldigen, oft finanzschwachen jungen Menschen und Tourist*innen. Es ist kein Zufall, dass auch China die Folgen der Pandemie effizienter – mit weniger vermeidbaren Opfern – bewältigt hat als andere kapitalistische Staaten in Asien wie das Modi-Regime in Indien. Wie wir auf unserer Website und in Socialism Today berichtet haben, hat das Modi-Regime kürzlich nach Protesten gegen das neue Staatsbürgerschaftsgesetz Pogrome und Morde an völlig unschuldigen Muslimen/Muslimas und anderen Personen angezettelt. Modi ist nun verantwortlich für weitgehende Arbeitsplatzschließungen in einer fast landesweiten Abriegelung. Schwere Lebensmittelknappheit und schreckliches Leid könnten die Schwierigkeiten der leidgeprüften indischen Massen noch verstärken und die bereits bestehenden massiven Ressentiments schüren. Die brutale Behandlung von Wanderarbeiter*innen vom Land, wodurch Millionen von Menschen ohne Einkommen und Nahrung aus den Städten vertrieben werden, hat zu Unruhen und brutaler Repression geführt. Dies ist die größte Bewegung von Menschen seit der Teilung des Landes [Abspaltung Pakistans, A.d.Ü.]. Die Maßnahmen der Regierung zur Bewältigung dieser Krise werden dazu führen, dass Modi seine Unterstützung früher oder später völlig untergraben wird. In Indien, wie in der neokolonialen Welt insgesamt, braut sich eine kolossale Revolte von unten zusammen, die sich gegen die ineffiziente und grausame Herrschaft der Regime richtet, die von den Grundbesitzern und Kapitalisten beherrscht werden.

Unruhige Zeiten

Die vorstehende Analyse führt uns zu der Schlussfolgerung, dass die Welt in eine der unruhigsten Perioden der Geschichte eintritt – einer Periode in der die ganze Welt auf die eine oder andere Art von der Pandemie verwüstet werden wird – mit kolossalen, schädlichen Folgen. Gleichzeitig wird dies die Unfähigkeit, Ineffizienz und den reaktionären Charakter des kapitalistischen Privateigentums an Produktionsmitteln und der Kontrolle des Staates unterstreichen. Die Idee eines ungehemmten Marktes als beste Art und Weise, Produktion und Verteilung zu organisieren, hat bereits einen gewaltigen ideologischen Schlag erlitten. In der nächsten Periode werden die Arbeiter*innenklasse und ihre Organisationen die Frage der Neuorganisation der Gesellschaft nach sozialistischen Grundsätzen mit demokratischer Kontrolle und Verwaltung auf allen Ebenen der Wirtschaft erheben.

Gleichzeitig wird die unabhängige Bewegung der Arbeiter*innenklasse und ihre Übernahme eines Klassenkampfprogramms von Millionen von Arbeiter*inne in allen Teilen der Welt aufgegriffen werden, sowohl in den sogenannten fortgeschrittenen (Industrie-)Ländern als auch in den schrecklich unterdrückten und ausgebeuteten Ländern und Kontinenten der neokolonialen Welt. Bis vor kurzem schienen reaktionäre Despoten wie Bolsonaro in Brasilien, Trump in den USA und Modi in Indien den Ton anzugeben. Bolsonaro folgte Trump indem er prahlte, dass er “nichts spüren würde”, wenn er mit dem Virus infiziert wäre, und “Bemühungen, die Krankheit mit groß angelegten Quarantänen einzudämmen, zunichte machte, als zum Beispiel die beiden größten Städte seines Landes in einem verzweifelten Versuch, Leben zu retten, Shutdowns initiierten”. [The Guardian]. In einer fünfminütigen Ansprache an die Nation behauptete er, es sei wichtiger, Panik und Hysterie einzudämmen, und forderte ein Ende der in einigen Staaten verhängten Ausgangssperren. Dies löste Proteste und oppositoinelle Demonstrationen aus, wo es bei einer hieß: “Wir haben keinen Präsidenten – wir haben einen Clown, der nicht weiß, was er tut”! Die Parallele zu Trump ist deutlich!

All dies provozierte sogar die Banden in den Favelas, sich auf WhatsApp zu begeben und zu versuchen, die Situation selbst in die Hand zu nehmen, indem sie die Bewohner*innen in den dicht besiedelten Slums unter Androhung von Strafen auffordern, “zu Hause zu bleiben”. Mit anderen Worten, auf ihre eigene Art und Weise versuchten sie, die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen, was Bolsonaro sich zu tun weigerte, der die Pandemie als bloßen “Schnupfen” bezeichnete. Die Financial Times beschreibt die unglaubliche Vernachlässigung, indem sie das unabhängige Eingreifen der armen Bewohner*innen der Favelas und sogar der Banden zeigt, die ein Mindestmaß an Sicherheit suchen. Sie berichtet, dass in Sao Paulo “die meisten Menschen selbstständig sind und sich Sorgen machen, wie es morgen ohne Geld oder Nahrung aussieht”! Schon jetzt provoziert Bolsonaros Haltung große Proteste und wird eine Revolte gegen ihn und seine Regierung anheizen. Angesichts der Geschichte Brasiliens, das selbst im besten Fall ein Pulverfass ist, ist hier und in anderen Teilen Lateinamerikas mit Massenaufständen zu rechnen, wie das Beispiel Chile, über das wir berichtet haben, zeigt.

Diese Clowns und Despoten sind bereits politisch exponiert, da sie weder in der Lage sind, die Pandemie zu verstehen noch die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Wirtschaftlich dürfte sich die Lage erst verschlechtern, bevor es politisch besser wird. Das Ergebnis werden Massenbewegungen weltweit sein, die versuchen, die echten Ideen des Sozialismus – organisiert auf demokratischer und arbeiterklassen-Basis – in einer Bewegung zur Veränderung der Welt wiederzuentdecken!