Der Pandemie schutzlos ausgeliefert

Foto: Gerd Altmann auf Pixabay

Zur Situation der Geflüchteten in Zeiten von Corona

Dass die EU sich wenig um ihre scheinbaren Ideale kümmert, hat sie schon öfters unter Beweis gestellt. Doch es ist wohl nie so deutlich geworden, wie zur Zeit an der türkisch-griechischen Grenze.

Von Caspar Löttgers, Mainz

Schon vor dem Ausbruch der Corona-Krise ging die griechische Regierung mit voller Härte und mit Unterstützung durch die EU gegen die Geflüchteten vor. Kinder haben sich selbst das Leben genommen, Geflüchtete wurden sowohl von der griechischen, als auch der türkischen Polizei attackiert, faschistische Banden zogen durch die Region und jagten Geflüchtete. Inzwischen hat sich die Situation an der Grenze geändert, jedoch nicht zum Guten.

Im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus wurden viele Geflüchtete, die wenige Wochen zuvor versuchten, nach Europa zu gelangen, mit Bussen von der Grenze zurück in die Türkei gefahren. Es bleiben jedoch ca. 41.000 Geflüchtete auf den Inseln Lesbos, Samos, Chios, Leros und Kos, die Lager für 7000 Menschen aufgebaut haben. Die Konsequenz: Wetterfeste Unterkünfte sind zu einem Luxus geworden, viele kommen stattdessen in provisorische Lager, die als „Dschungel“ bezeichnet werden. Die Versorgung in diesen, selbst gebauten, Lagern ist katastrophal, vor allem da es in den letzten Wochen viel geregnet hat. Unter den Geflüchteten gibt es eine große Unsicherheit vor allem gegenüber dem neuen Virus, da kaum Aufklärungsarbeit geleistet wird.

Die Lage auf den griechischen Inseln

Unter dem Vorwand, die Bevölkerung zu schützen, werden alle Lager abgeriegelt und sich selbst überlassen. Die einzigen Maßnahmen, die ergriffen wurden, sind in einem Zwölf-Punkte-Katalog für das Verhalten in den Geflüchtetemeinrichtungen zusammengefasst. Demnach dürfen Einkäufe nur noch von einzelnen Familienmitgliedern durchgeführt werden, die mit Polizeibussen zu den Läden gefahren werden. Es ist verboten, Geldautomaten aufzusuchen und ab 19 Uhr herrscht eine Ausgangssperre. Anstatt Maßnahmen zu ergreifen um eine menschenwürdige Unterbringung zu sichern, werden bloß Empfehlungen zum persönlichen Verhalten ausgesprochen, wie das regelmäßige Händewaschen. Die Regierung scheint vollkommen blind zu sein gegenüber der Realität oder, was viel wahrscheinlicher ist, die Realität ist ihr schlicht egal. Der Arzt Apostolos Veizeis von „Ärzte ohne Grenzen“ beschreibt die Situation: „Alles ist überfüllt. Das sind ideale Zustände für die Ausbreitung von Covid-19. Seit Monaten wird der Müll nicht mehr entsorgt. 1300 Menschen teilen sich einen Wasserhahn. Viele haben gar keinen Zugang zu Wasser, Strom oder Toiletten und sie verrichten ihre Notdurft unter freiem Himmel.“ Für jeden sollte klar sein, dass unter solchen Umständen das Virus leichtes Spiel hat. Zur Zeit ist jedoch nicht einmal klar, ob Geflüchtete mit Symptomen getestet werden.

Abschiebungen gehen weiter

Die Situation auf den griechischen Inseln ist keine Ausnahme. Rund um das Corona-Virus werden weiterhin Abschiebungen durchgeführt und nebenbei das Asylrecht verschärft. In der Schweiz beschloss beispielsweise der Bundesrat, dass Befragungen in Asylverfahren ab sofort auch ohne Rechtsvertretungen stattfinden dürfen. In Griechenland setzte die Regierung kurzerhand das Asylrecht komplett außer Kraft. In Deutschland beschloss erst kürzlich das Bundesinnenministerium, dass Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. Das ist unmenschlich und gleichzeitig heuchlerisch, während hierzulande immer noch Tausende Menschen in Fabriken arbeiten müssen ohne ausreichenden Schutz. Auch Abschiebungen werden weiter umgesetzt.

Der Kapitalismus ist eine Sackgasse

Die Corona-Krise zeigt auf zahlreichen Ebenen, dass der Kapitalismus unfähig ist, der Mehrheit der Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen und ihr Leib und Leben zu schützen. Die herrschenden Regierungen gehen mit aller Härte gegen Menschen auf der Flucht vor, mit dem Vorwand, das Virus eindämmen zu wollen. Dieses Vorgehen wird sich aber sicher nicht auf Geflüchtete beschränken. Um für ein würdevolles Leben für alle zu kämpfen, müssen wir den Kapitalismus überwinden, denn dieser ist schuld an Klimawandel und Kriegen, die Millionen von Menschen in die Flucht zwingen. Stattdessen müssen wir für eine Welt kämpfen, in der die Mehrheit der Menschen das Sagen hat und nicht die Bosse der fünfhundert größten Konzerne weltweit. Eine Welt, in der die Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite der Konzerne. Deswegen kämpfen wir für eine sozialistische Demokratie, in der endgültig alle imperialistische Kriege beendet und die Fluchtursachen bekämpft werden. Dann werden Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, mit offenen Armen und nicht mit Gewehren empfangen.

Die Sol fordert:

  • Nein zur Festung Europa: Frontex abschaffen, Grenzzäune an den Außengrenzen einreißen, Aufhebung des „Sichere Herkunftsländer“-Status
  • Sofortige Aufnahme der akut in Not geratenen Geflüchteten auf den griechischen Inseln
  • Dublin III Abkommen beenden – für das Recht im Land seiner Wahl einen Asylantrag zu stellen
  • Für sichere und legale Einreisemöglichkeiten für Asylbewerber*nnen in die EU und nach Deutschland – Aufhebung der Visumpflicht für Geflüchtete
  • Herstellung eines wirklichen Asylrechts: Grundrecht auf Asyl, wenn Leib und Leben aufgrund von politischer und gewerkschaftlicher Betätigung, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlecht, Krieg, Umweltzerstörung und sozialer Not, durch staatliche und nichtstaatliche Verfolgung gefährdet sind
  • Für das uneingeschränkte Recht auf Familienzusammenführung
  • Überführung der Rüstungsindustrie in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung er arbeitenden Bevölkerung, Umwandlung auf zivile Produktion bei Arbeitsplatzgarantie
  • Schluss mit der wirtschaftlichen Ausbeutung anderer Völker, Schluss mit Freihandelsabkommen, Deregulierung, Privatisierung, „Strukturanpassungsprogrammen“, Opposition gegen und Ausstieg aus IWF, Weltbank und anderen imperialistische Institutionen
  • Nein zu Abschiebungen – Bleiberecht für Alle – Schließung von Abschiebegefängnissen
  • Nein zu rassistischen Sondergesetzen für Migrant*innen, vollständige Abschaffung der Residenzpflicht
  • Gleiche Rechte für Alle, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben
  • Die Schaffung von legalen Einreisemöglichkeiten würde den Schleppern das Handwerk legen
  • Finanzierung der Kosten der Flüchtlingsunterbringung und Versorgung durch diejenigen, die die Verursacher von Kriegen, Umweltzerstörung und Armut sind: Banken, Konzerne und deren superreiche Eigentümer.
  • Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum, Büro- und Gewerbeflächen, Aufruf an die Bevölkerung, Leerstand zu melden
  • Schluss mit der Kürzungspolitik in den Kommunen
  • Ein umfassendes öffentliches Investitionsprogramm zum Ausbau von Kitas, Schulen, Sport- und Freizeitstätten
  • Statt Hartz IV oder Sachleistungen. Mindestsicherung von 750 Euro plus Warmmiete für Alle – egal ob Geflüchtete*r oder nicht
  • Flüchtlinge in den DGB – für die Organisierung migrantischer Arbeiter*innen und Erwerbsloser zur Verhinderung von Lohndumping – gemeinsamer Kampf für gegen die sozialen Ursachen von Rassismus
  • Für eine antirassistische Kampagne durch die Gewerkschaften, LINKE, antirassistische Gruppen und Migrantenorganisationen mit: Betriebsversammlungen, Schaffung örtlicher Bündnisse, lokale Informationsveranstaltungen und Kundgebungen, Verbreitung millionenfacher Flugblätter und Plakate, Beteiligung an der Mobilisierung gegen rassistische und faschistische Aufmärsche.
  • Überführung der großen Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
  • Demokratische Planung statt Konkurrenz und Produktion für den Profit
  • Für sozialistische Demokratie weltweit