Für eine ver.di Kampagne für ein öffentliches Gesundheitssystem
Die Corona-Pandemie hat alle Schwachstellen des Gesundheitswesens, wie sie schon seit Jahren insbesondere von Beschäftigten angeprangert werden, offengelegt. Die Lehren müssen gezogen werden.
von Dorit Hollasky, Sprecherin der ver.di Betriebsgruppe am Städtischen Klinikum Dresden*
In Deutschland wurden in den letzten Jahren Krankenhäuser zu „Fabriken“ umgebaut, wo in immer kürzerer Zeit mit immer weniger Personal immer mehr Patient*innen behandelt werden müssen. Es geht darum, möglichst viele „lukrative“ Diagnosen abzurechnen, um in der Konkurrenz zu anderen Häusern zu bestehen. 37 Prozent der Krankenhäuser wurden privatisiert.
Outsourcing
In der Hoffnung auf Kostenersparnis wurden fast überall Bereiche wie Küche und Reinigung ausgegliedert. Dort arbeiten die Beschäftigten unter prekären Bedingungen und noch höherem Leistungsdruck. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) schätzt, dass pro Jahr mehr als 30.000 Patient*innen an Krankenhauskeimen sterben, was mit mehr Reinigungspersonal zu verhindern wäre.
Fallpauschalensystem
Fallpauschalen und Profitorientierung haben zu Personalabbau geführt. Wer Vollversorgung anbietet, also auch nicht-lukrative Diagnosen behandelt und die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) bezahlt, kann im Vergleich mit privaten Konzernen nicht bestehen. Vor allem kleine und öffentliche Krankenhäuser sind im Überlebenskampf die Verlierer. Die fehlende Personalbemessung hat dazu geführt, dass Stress und Überlastung ständig zugenommen haben und Pflegekräfte nach rund 7-8 Jahren ihrem Beruf den Rücken kehren.
Gesundheitswesen in öffentliche Hand!
Stattdessen muss das Gesundheitssystem nach Bedarf finanziert werden. Wir brauchen eine gesetzliche bedarfsgerechte Personalbemessung für alle Berufsgruppen. Diese sollte von Beschäftigten und Gewerkschaften erarbeitet werden. Bei Unterschreitung müssen Konsequenzen erfolgen. Anstatt Einmalzahlungen brauchen wir eine dauerhafte Aufwertung aller Berufe im Gesundheitswesen und der Altenpflege. Alle Tochterfirmen und ausgegliederten Bereiche müssen wieder eingegliedert werden. Das Personal ist voll zu übernehmen, aufzustocken und nach Tarif zu bezahlen.
Alle Einrichtungen des Gesundheitswesens gehören in öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Beschäftigte, (potentielle) Patient*innen und Gewerkschaften. So könnte gemeinsam darüber beraten werden, welche Finanzierung, Ausstattung und wieviel Personal nötig ist, um eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicher zu stellen.
Was tun?
Viele dieser Forderungen haben eine breite Unterstützung bei den Beschäftigten und in der Bevölkerung. In den vergangenen Jahren, und sogar inmitten des Pandemie-Geschehens, gab es bereits zahlreiche Aktionen, oft von unten organisiert. Doch was zur Durchsetzung fehlt, ist eine Strategie zur Steigerung und Zusammenfassung der Proteste. Zuständig dafür wäre die Gewerkschaft ver.di, weil sie die Beschäftigten im Gesundheitswesen organisiert. Häufig wird ein geringer Organisationsgrad als Argument angeführt, dass dies nicht umsetzbar sei.
Doch wenn die Gewerkschaft ernsthaft eine Kampagne für die Forderungen starten würde, könnte sie auch neue Mitglieder gewinnen, weil dann für viele Beschäftigte erst deutlich würde, warum es sich lohnt, sich in der Gewerkschaft zu organisieren.
Angesichts der Pandemie, fehlenden Schutz-Materials und der Ausweitung der Arbeitszeiten wächst der Unmut und andererseits auch die Erkenntnis, dass es nötig ist, sich zu organisieren. Deshalb sollten Aktive jetzt Druck machen, dass ver.di so schnell wie möglich sowohl örtlich als auch bundesweit zu Treffen einlädt, auch wenn je nach Lage zunächst digitale Treffen abgehalten werden müssen. Es wäre jetzt wichtig, sich über Erfahrungen auszutauschen, gemeinsam zu erarbeiten, was die Lehren der Corona-Krise für das Gesundheitswesen sind, sich auf die Hauptforderungen zu einigen und eine Kampagnenplanung zu diskutieren.
Wir können nicht abwarten
Die Masse an Petitionen und Brandbriefen der letzten Wochen und Monate hat gezeigt, wie drängend die Probleme sind, doch sie reichen nicht aus, um wirklichen Druck zu erzeugen. Deshalb muss die Möglichkeit von bundesweit koordinierten Protesten bis hin zu Arbeitsniederlegungen diskutiert werden, wie natürlich auch die Mobilisierung von Kolleg*innen, wo der Organisationsgrad noch schwächer ist. Dies muss durch eine breit angelegte bundesweite Solidaritätskampagne durch den gesamten DGB, die LINKE und soziale Bewegungen unterstützt werden.
Wir können nicht auf ein unbestimmtes Ende der Corona-Krise warten. Wenn wir die Weichen für eine bessere Zukunft stellen wollen, dann müssen wir es jetzt tun.
*Angabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person