Weitere Krankenhausschließungen in Sachsen geplant
Was man in Deutschland gerade nicht sein möchte ist „systemrelevant“. Stand dieses Wort zu Beginn der Coronakrise noch für Berufsgruppen, gegenüber denen die Politik nicht mit Applaus und Lob geizte, sind es wenige Wochen später eben diese Berufsgruppen, die hemmungslose Angriffe erleben. Schließungen und Privatisierungen von Kliniken gehört im Gesundheitswesen ebenso zur Rückkehr zum „Normalbetrieb“ wie die Überlastung des Personals.
von Dorit Hollasky
Noch am 23. März hatte Jens Spahn (CDU) während einer Pressekonferenz im Berliner Gesundheitsministerium erklärt, in den Kliniken würde gerade eine Beschäftigte für zwei oder drei arbeiten. Er betonte, die Pflegekräfte bräuchten Hilfe und Unterstützung durch die Politik. Krankenhäuser, so Spahns Versprechen, sollten durch Maßnahmen in der Coronakrise nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Was von all den Versprechen zu halten war, sollte sich schnell zeigen: Spahn setzte die sowieso schon vollkommen unzureichenden Personaluntergrenzen aus. Er ermöglichte 12-Stunden-Schichten in Krankenhäusern und seine Zuschüsse für zu schaffende Intensivbetten reichten hinten und vorne nicht.
Was man damals schon ahnte, scheint sich nun immer mehr zu bestätigen: Im Kampf gegen die Coronakrise noch mehr in finanzielle Schieflage geratene Kliniken werden den gesundheitsfeindlichen Gesetzen des Marktes ausgeliefert. So schilderte Stephan Helm, Chef der sächsischen Krankenhausgesellschaft, im Interview mit den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ (DNN) schon am 6. Juni die Misere der Kliniklandschaft im Freistaat. Gut 40 Prozent der Betten hätten dort während der Coronakrise frei gestanden. Man hätte sich an die Anweisungen gehalten „planbare Operationen herunterzufahren“ und „Intensiv- und Beatmungskapazitäten“ auszubauen.
Die pandemiebedingten finanziellen Ausfälle durch das verringerte Patient*innenaufkommen hätten, so Helm, insbesondere das Städtische Klinikum Dresden getroffen. Bei den Uniklinika in Sachsen würde „es richtig reinhauen“, wenn „nicht entsprechende Ausgleichsregelungen“ gefunden würden.
Jedes zehnte sächsische Krankenhaus, so Helms Resümee, wäre in finanzieller Bedrängnis, diese müsse „man sich näher anschauen“. Helm vermied es Kliniknamen zu nennen. Allerdings bedürften die Krankenhäuser in der Lausitz, in Hoyerswerda oder der Görlitzer Grenzregion „besonderer Aufmerksamkeit“.
Auf Anfrage der DNN erklärte das sächsische Sozialministerium, dass über „grundsätzliche Veränderung von einzelnen Krankenhausstandorten“ und möglicherweise „auch deren Schließung“ nachgedacht werden müsse. Mit der Schließung von Kliniken kennt man sich im Freistaat durchaus aus. Seit 1990 wurde jedes vierte Krankenhaus in Sachsen geschlossen.
Dabei rückt nicht allein Sachsen seinen Kliniken zu Leibe. Im Thüringischen Schleiz knüpft die Leitung der Klinik GmbH dort an, wo sie im Februar, vor Beginn der Coronakrise, aufgehört hatte. Damals hatte die Chefetage die Geburtsstation geschlossen. Sie war die einzige ihrer Art im Saale-Orla-Kreis. Geht es nach dem Willen der Klinikbetreiber, wird nun auch die Radiologie verkauft und die Intensivbettenkapazität auf sechs Betten zurückgefahren werden. Begleitet werden die Pläne der Geschäftsführung von massiven Protesten der Belegschaft und ihrer Unterstützer*innen.
Auch der Kinderklinik im sachsen-anhaltinischen Gardelegen droht das Aus. Trägerin ist die Salus-Altmark Holding. Die Pläne waren im Mai bekanntgeworden. Seither sammeln Gegner*innen der Schließung Unterschriften dagegen.
Diese drei Beispiele zeigen, dass von den vielen Versprechungen und dem Titel der „Systemrelevanz“ wenig geblieben ist. Viel mehr heißt nach Corona vor Corona, wenn man die Arbeitsbelastung der Klinikbeschäftigten betrachtet. Schenken wird man den Klinikbeschäftigten weiterhin nichts. Eine gesetzliche Personalbemessung, die Rekommunalisierung von Kliniken unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle der Beschäftigten, die Abschaffung der Fallpauschalen und die ausreichende Finanzierung des Gesundheitssystems – all das wird den Beschäftigten im Gesundheitssystem kein von „Systemrelevanz“ redender Gesundheitsminister bringen. All das müssen sie erkämpfen!
Dorit Hollasky ist ver.di Personalrätin beim Städtischen Klinikum in Dresden* und Mitglied der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol)
*= Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Faktencheck:Corona Nummer 2