Dreiste Arbeitgeber wollen Nullrunde

Tarifrunde im öffentlichen Dienst: ver.di in die Offensive!

Die Verhandlungsführer der Arbeitgeber bei Bund und Kommunen machten gleich von Beginn an deutlich, dass sie die außerordentlichen Leistungen der Kolleg*innen im öffentlichen Dienst auch während der Pandemie nicht wertschätzen wollen. 

Von Jan Horsthemke, Dortmund

Aufgrund der – von der ver.di-Führung nicht erwarteten – Ablehnung der Arbeitgeber, die Tarifrunde auf nächstes Jahr zu verschieben, musste die Mobilisierungsphase innerhalb der Gewerkschaft sehr schnell angefangen werden. 

Erschwerte Ausgangsbedingungen

Die Corona-Pandemie führt dabei zu erschwerten Ausgangsbedingungen. Versammlungen lassen sich schwerer organisieren, die Arbeitssituationen unterscheiden sich erheblich, abhängig davon, wo man im öffentlichen Dienst eingesetzt ist. Einige Kolleg*innen stehen unter dem Eindruck von Entlassungswellen in der privaten Wirtschaft und zweifeln somit an der Durchsetzbarkeit von offensiven Forderungen. 

Systemrelevant!

Die Corona-Pandemie hat aber gleichzeitig bei einigen Beschäftigten zu einem stärkeren Selbstbewusstsein geführt. Vor allem im Pflegebereich hat die Tatsache, dass die Arbeitgeber ihren warmen Worten im Frühjahr, als von allen Seiten durchgängig über „Alltagsheld*innen“ gesprochen wurde, keine Taten folgen ließen, zu Wut geführt. Diese berechtigte Wut und ein hohes Selbstbewusstsein sollten auch alle anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wie auch beim Nahverkehr und bei der Post, für sich in Anspruch nehmen. 

Die von der ver.di-Bundestarifkommission aufgestellten Forderungen sind angesichts dessen noch zu bescheiden. Gerade, weil die Arbeitgeber eine harte Haltung einnehmen, wäre es besser gewesen, mobilisierende Forderungen aufzustellen, für die es sich wirklich  lohnt zu kämpfen. Die geforderten 4,8 Prozent und mindestens 150 Euro sind weit von dem entfernt, was eigentlich nötig wäre. Unter Aktiven in den Krankenhäusern wurde eine Forderung von 500 Euro diskutiert. Auch das Thema Arbeitszeitverkürzung ist für Kolleg*innen zunehmend wichtig. Die angestrebte Angleichung der Arbeitszeit in Ostdeutschland von 40 auf 39 Stunden hätte wesentlich mehr Mobilisierungskraft, wenn eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich für alle Beschäftigten in Ost und West gefordert würde. 

So oder so werden die Arbeitgeber natürlich sagen, dass die Forderungen nicht bezahlbar seien. ver.di muss in die Offensive, denn es ist genug Geld vorhanden. Dafür reicht allein ein Blick auf die Vermögen der superreichen Kapitalist*innen, welches zum Teil selbst in der Krise weiter zunahm.

Kämpfen ist möglich

Die ver.di-Führung darf nicht mit dem Hinweis auf Corona auf entschlossene Mobilisierungsaktionen verzichten. Es muss jetzt mit einer kämpferischen Mobilisierungskampagne begonnen werden, um effektive Streikmaßnahmen und Demonstrationen unter Einhaltung von Hygieneregeln vorzubereiten. Dabei müssen die Kolleg*innen einbezogen werden – über Versammlungen (zur Not auch über Videokonferenzen) in denen die Kolleg*innen die Möglichkeit haben zu diskutieren, und sich nicht nur Vorträge anhören dürfen.

Die wachsende Unsicherheit über die Zukunft muss aufgegriffen und in selbstbewusstes gewerkschaftliches Handeln verwandelt werden. Ein wichtiger Punkt wäre die Zusammenführung der Tarifkämpfe bei Bund und Kommunen, Nahverkehr und Post. Streik ist das einzige Mittel, um die dreisten Arbeitgeber in die Knie zu zwingen.

Jan Horsthemke ist ver.di-Vertrauensmann bei der Stadt Dortmund und aktiv bei der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“ (VKG)*

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