Polizeigewalt und Repressionen nehmen zu
Wer mittlerweile am Winterhafen in Mainz (eine beliebte Liegewiese am Rhein) seinen Freitagabend noch nach 24 Uhr genießen will, wird recht unsanft von der Polizei verjagt. Der Hintergrund ist eine Beschwerde von Anwohner*innen, die in den neu gebauten Luxuswohnungen wohnen und sich über den angeblichen Lärm beschweren. Als Anwesende kürzlich fragten, was die ganzen Maßnahmen bezwecken sollten, antwortete ein Polizist mit „damit das Gesocks hier wegkommt!“
von Caspar Loettgers, Mainz
Das Beispiel in Mainz ist nur eins von vielen in den letzten Wochen, in denen die Polizei vor allem gegen Jugendliche repressiv vorging, die ihren Feierabend genießen wollten. Im Zuge der Krise sind viele Freizeitmöglichkeiten weggefallen. Teilweise können solche Einschränkungen nötig sein zur Pandemiebekämpfung. Sie bedeuten aber vor allem für Jugendliche, dass nur wenige Möglichkeiten bestehen, dem alltäglichen Stress zu entkommen.
Statt auf die Bedürfnisse und Probleme der Jugendlichen einzugehen, verhängten viele Städte in den letzten Wochen strenge Auflagen wie Alkoholverbote oder frühe Ruhezeiten. Diese werden dann von der Polizei oft brutal durchgesetzt. Was aber nötig wäre, sind keine strengeren Auflagen und Repressionen, sondern eine Entlastung von Jugendlichen und das Aufzeigen von Perspektiven. Stattdessen muss endlich mehr Geld in Jugend- und Kulturzentren fließen und Konzepte entwickelt werden, die Freizeitangebote ohne ein weiteres Ausbreiten des Coronavirus ermöglichen (Freiluftkonzerte, Freilufttheater etc.) und allen zugänglich sind. Vor allem braucht es massive Investitionen in bezahlbaren Wohnraum, Bildun und Ausbildung.
Polizeigewalt nimmt zu
In den sozialen Netzwerken tauchten im August eine Reihe an Videos aus unterschiedlichen Städten auf, in denen Polizisten brutal gegen Jugendliche vorgingen. In Hamburg wurde ein Polizeieinsatz gefilmt, bei dem ein 15-Jähriger von acht Polizist*innen niedergerungen wird, weil er mit einem E-Scooter auf dem Bürgersteig gefahren war. Ein ähnlicher Fall wurde in Düsseldorf dokumentiert.
Polizeigewalt ist nicht nur seit den letzten Monaten ein Problem. Die letzten Wochen zeigen aber einen neuen Trend. Viele Polizist*innen fühlen sich im Zuge der Krise offensichtlich ermutigt „härter durchzugreifen“. In Ingelheim prügelte die Polizei am 15. August auf Protestierende gegen einen Naziaufmarsch so brutal ein, dass über einhundert Menschen verletzt wurden.
Oft müssen sich Polizeibeamte in Deutschland überhaupt keine Sorgen machen, dass ihr Handeln wirkliche Konsequenzen für sie hat. Jährlich kommt es in etwa zweitausend Fällen zu Ermittlungsverfahren, wovon nur rund zwei Prozent vor Gericht landen und in nur weniger als einem Prozent findet eine Verurteilung statt . Die Dunkelziffer an Fällen, die nicht einmal zu einer Ermittlung führen, ist wahrscheinlich noch deutlich höher.
Für eine wirkliche Kontrolle der Polizei!
Grund für die niedrige Anzahl an Verurteilungen ist nicht, dass es keine Fälle von Polizeigewalt gibt. Vielmehr ermittelt die Polizei in fast allen Fällen gegen sich selbst. Für eine wirklich Aufklärung von Polizeigewalt braucht es daher eine unabhängige Kontrollinstanz. Diese sollte demokratisch gewählt werden und aus Vertreter*innen der Gewerkschaften, Migrantenverbände, Sozialarbeiter*innen und der Bevölkerung bestehen. Außerdem sollte sie das Recht haben, Beamte zu entlassen oder einzustellen, Richtlinien zu erstellen und unabhängige Untersuchungen von Fällen polizeilichen Fehlverhaltens durchzuführen.
Für eine sozialistische Demokratie!
Eine demokratische Kontrolle der Polizei ist im Moment extrem wichtig. Und dennoch verteidigt die Polizei immer nur die bestehende Gesellschaftsordnung. Für eine immer größer werdende Zahl an Jugendlichen bedeutet aber genau diese kapitalistische Ordnung Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Armut und Unterdrückung. Einen Ausweg kann es nur geben, wenn wir das Übel an der Wurzel packen, das heißt den Kapitalismus als ganzes überwinden. In einer sozialistischen Demokratie wäre es möglich, sowohl wirksam die Pandemie zu bekämpfen, als auch Jugendlichen eine Perspektive zu bieten. Mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft, die ausgerichtet ist auf die Bedürfnisse der Menschen und der Natur, könnten gute Arbeitsplätze und freie Kulturangebote für alle geschaffen werden. Dazu ist es aber notwendig, dass ein gemeinsamer Kampf durch die Gewerkschaften, auf der Straße und im Betrieb geführt wird. Als Sol (Sozialistische Organisation Solidarität) führen wir diesen Kampf und setzen uns in Gewerkschaften und der LINKEN für einen kämpferischen Kurs ein. Wenn du unseren Positionen zu stimmst, dann werde mit uns aktiv und kämpfe gegen Kapitalismus, Ausbeutung und Armut!