Gegenproteste zum sechsten Jahrestag der rassistischen Bewegung erfolgreich
Der sechste Jahrestag des Bestehens der rassistischen Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes wurde in Dresden zum Desaster.
Von Steve Hollasky, Dresden
Seit sechs Jahren geht nun in Dresden die rassistische Pegida auf die Straße. Es waren sechs Jahre voller Übergriffe und Skandale: Da waren Polizist*innen, die im Dienst Geld in die Spendenboxen von Pegida einwarfen, um so zu zeigen, dass sie sich als Teil dieser „Bewegung“ ansehen. Da war Nico K., der als Redner bei Pegida auftrat und einen Sprengstoffanschlag auf eine Dresdner Moschee unternahm, für den er inzwischen rechtskräftig verurteilt wurde. Da war Akif Pirincci, der in seiner Rede Zuwanderer als „Moslemmüllhalde“ beschimpfte. Da war der erste Jahrestag von Pegida 2015, an dem die in Überzahl anwesenden Gegendemonstrant*innen von rechtsradikalen Hooligans attackiert wurden und die Polizei tags darauf nicht nur die Angriffe dementierte, sondern sogar behauptete, die Gewalt sei von den gut 22.000 Gegendemonstrant*innen ausgegangen. Und nicht zu vergessen, der bis heute mit ungewollt ironischer Bekanntheit versehene, „Hutbürger“, der nicht nur Polizist*innen dazu brachte ein Kamerateam an der Arbeit zu hindern, sondern selbst auch noch zu dieser Zeit Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) war.
Zugleich wurde sechs Jahre hindurch von der Bühne von Pegida herab gehetzt: Gegen Geflüchtete und Migrant*innen, die angeblich verantwortlich für Kriminalität, steigende Mieten und Krankenkassenbeiträge seien; gegen Gewerkschafter*innen, die Lutz Bachmann in einen Graben werfen lassen und diesen zuschütten wollte, ebenso wie gegen Klimaschützer*innen.
Auch in diesem Jahr beteiligten sich die Dresdner SOL-Genoss*innen wieder an den Vorbereitungen zu den Gegenaktivitäten. Und tatsächlich sagte Lutz Bachmann in diesem Jahr die Geburtstagsfeier von Pegida ab, weil der Gegenprotest durch frühzeitige Anmeldung alle repräsentativen Plätze in der Innenstadt besetzt hatte. „Herz statt Hetze“ protestierte auf dem Dresdner Neumarkt, „Dresden für Alle“ auf dem Theaterplatz und Tolerave auf der Cockerwiese.
Das „Bündnis für Pflege“, dem auch die Genoss*innen der SOL angehören, organisierte vor dem Dresdner Landgericht eine Kundgebung unter dem Motto: „für ein soziales Dresden – gegen rassistische Spaltung: für gute Pflege und bezahlbaren Wohnraum“. Mit dabei waren auch DIE LINKE, der DGB und ver.di. Obwohl alle Aufzüge wegen der steigenden Infektionen mit dem Coronavirus abgesagt worden waren kamen gut 150 Leute.
Andre Schnabel vom DGB hielt fest, dass Gewerkschaften nur eine Grenze kennen, „die zwischen Kapital und Arbeit“. Rassismus habe in Kämpfen für soziale Verbesserungen keinen Platz, so Schnabel. Die öffentliche Daseinsvorsorge gehöre in die öffentliche Hand, hielt der Vorsitzende des DGB-Oberelbe weiter fest.
Dorit Hollasky sprach für die ver.di-Betriebsgruppe im Städtischen Klinikum und erklärte die Notwendigkeit zum Aufbau kämpferischer Gewerkschaftsgruppen. Nur die könnten Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gemeinsam und solidarisch in den Kampf führen. Und es gäbe dafür genug Gründe, denn noch immer seien Bettenstreichungen – wie aktuell durch die Stadt im städtischen Klinikum geplant – Stellenabbau und Standortschließungen in der Pflege und im Gesundheitswesen die Normalität. Profitstreben und Effizienzdenken seien aber unvereinbar mit einer bedarfsgerechten Pflege.
Christin Baksai vom „Bündnis für Pflege“, warnte vor der AfD. Die erzähle zwar gern, die Kraft der kleinen Leute zu sein, würde aber nie etwas tun, um die Misere in der Pflege zu lösen, spalte die Kolleg*innen aber rassistisch.
Zudem sprachen auch Katja Kipping für DIE LINKE und Valentin Lippmann von den Grünen. Den Beitrag der SOL-Dresden dokumentieren wir unten.
Margot Gaitzsch von der Fraktion der Linkspartei im Dresdner Stadtrat verlas eine Erklärung der Seenotrettungsorganisation Seawatch, die die katastrophale Situation an den EU-Außengrenzen zum Thema machte.
Von Pegida sah man an diesem Tag, trotz angekündigter Gegenkundgebung auf dem Neumarkt, nicht viel. Allenfalls ein paar provozierende Anhänger*innen von Pegida ließen sich da und dort sehen. Dagegen beteiligten sich trotz Corona gut 2.000 Menschen an den verschiedenen Aktivitäten gegen Pegida.
Auch die für die gesamte Woche angekündigten Kundgebungen von Pegida liefen (bislang) nicht besonders. Entgegen der vorangegangenen Jahre, fanden sich keine Redner*innen von außerhalb oder anderen rechten Gruppen ein. Bachmann und der zweite Mann von Pegida, Siegfried Däbritz, sprachen am Montag und Dienstag höchstselbst zu den gut 1.000 Leuten. Ein deutliches Symptom für die abnehmende Bedeutung von Pegida innerhalb des rechten Spektrums.
Beitrag der Sozialistischen Organisation (SOL) auf der Kundgebung vor dem Dresdner Landgericht:
„Seit 6 Jahren geht nun PEGIDA in Dresden auf die Straße. Es waren 6 Jahre voller Hetze gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten, voller Beleidigungen von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern und Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die Lutz Bachmann ja einmal in einen Graben werfen wollte. Da war Nino K., der Pegidaredner, der einen Bombenanschlag auf eine Dresdner Moschee verübte. Da war ein Mitarbeiter des LKA, der Polizistinnen und Polizisten dazu brachte ein Kamerateam zu kontrollieren und an der Arbeit zu hindern.
Und dass die Rechte mobil macht ist längst nicht nur in Deutschland ein Problem. In Polen, in den USA, in Brasilien wehren sich Menschen gegen rechte Regierungen und deren Sozialabbau. Zuletzt demonstrierten Tausende in Polen gegen eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechts. Lasst sie uns von hier aus grüßen.
In den USA diskutieren jene die gegen Trump und seinen Rassismus kämpfen wieder die Ideen von Martin Luther King und Malcolm X: Malcolm X sagte einmal, es gäbe keinen Kapitalismus ohne Rassismus. Und das trifft zu: Der Kapitalismus spaltet die Menschen, setzt sie in Konkurrenz zueinander, macht ihnen Angst voreinander. Rassismus und Nationalismus vertiefen die Spaltung entlang ethnischer, kultureller oder religiöser Linien.
Einem privaten Vermieter passt es gut in den Kram, wenn der hiergeborene Mieter rassistisch auf die syrische Familie einschimpft, statt mit ihr gemeinsam gegen zu hohe Mieten oder für die Rekommunalisierung der Woba-Wohnungen zu kämpfen. Eine Belegschaft, die nach Herkunft gespalten ist, wird weder für höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen eintreten können, noch sich erfolgreich gegen Entlassungen wehren können.
Kapitalismus und Pegida, das sind zwei Seiten derselben Medaille.
Wofür hat Pegida Geflüchtete nicht schon verantwortlich gemacht: Für steigende Mieten, für steigende Krankenkassenbeiträge und für Armut. Doch die Wahrheit ist, dass diese Menschen vor den Auswirkungen einer kapitalistischen, profitorientierten Weltwirtschaft fliehen. Ein Wirtschaftssystem, welches zu niedrigen Renten, Hartz IV, Privatisierungen und Schließungen von Kliniken und Pflegeeinrichtungen hier führt. Ein Wirtschaftssystem, das dazu führt, dass heute abend, wie jeden Abend, wenn wir uns schlafen legen am deutschen G3-Sturmgewehr mehr als 100 Menschen gestorben sein werden. Das deutsche G3-Sturmgewehr ist eine der tödlichsten Waffen der Welt und ein Exportschlager.
Kapitalistisches Profitstreben hat eben nicht allein hier schlimme Folgen, sondern ist die Fluchtursache Nummer 1. Wir können nicht so tun, als hätte das Eine mit dem Anderen nichts zu tun.
Doch von dieser einfachen Wahrheit wollen Pegida, AfD und Co gern ablenken.
Und auch von einer anderen Wahrheit: Deutschland ist das viertreichste Land der Erde. Reich genug, damit alle hier lebenden Menschen gute Schulen, bedarfsorientierte Pflege, Übernahme nach der Ausbildung, angemessene Renten und bezahlbare Mieten für angemessenen Wohnraum haben könnten. Doch dieser Reichtum, von uns allen erwirtschaftet, ist eben vollkommen ungleich verteilt.
Und selbst jetzt in der Krise soll diese ungleiche Verteilung scheinbar um jeden Preis erhalten bleiben. Da bezuschusst man die Lufthansa mit Milliarden an Staatshilfen und verlangt noch nicht einmal, dass Lufthansa die Arbeitsplätze erhält. Da werden 9 Milliarden für Kampfflugzeuge ausgegeben, Milliarden für neue Panzer und Kriegsschiffe und Millionen für neue Gewehre. Ein gutes Geschäft für die Rüstungsindustrie, aber fatal für die Beschäftigten, fatal für alle Menschen, die hier leben.
Martin Luther King sagte 1961 vor streikenden Krankenschwestern in New York: „Es ist etwas falsch an einem System, dass für eine kleine Minderheit den größten Luxus garantiert und der großen Mehrheit notwendige Leistungen vorenthält.“ Ja, es ist etwas falsch, wenn Profite und Rüstung mehr wert sind als Menschen.
Eigentlich müssten wir uns alle gemeinsam gegen diese Zustände zur Wehr setzen, unabhängig von unserer Hautfarbe, unserer Herkunft oder Religion, denn wir alle müssen darunter leiden. Doch der Rassismus und Nationalismus von AfD, Pegida und wie sie alle heißen mögen, hindern Menschen daran gemeinsam für Verbesserungen zu kämpfen.
Wir dürfen das nicht mehr mit uns machen, uns das nicht mehr antun lassen!
Es ist tragisch, dass es der Rechten gerade gelingt Tausende auf den Straßen von Berlin oder anderswo zu versammeln, wie im September, als Querdenken 711 auf die Straße gerufen hat. Das ist deshalb tragisch, weil gleichzeitig linke und antikapitalistische Positionen eigentlich Hochkonjunktur haben!
Die Forderungen nach einem öffentlichen Gesundheits- und Pflegewesen unter demokratischer Kontrolle durch die Beschäftigten, nach einer bedarfsgerechten Personalbemessung in der Pflege und in den Krankenhäusern per Gesetz, nach einem Ende von Rüstungsexporten, nach einer Enteignung von Deutsche Wohnen und anderen privaten Vermietern, diese Forderungen finden bundesweit so großen Anklang wie noch nie. Denken wir an die Black-Lives-Matter-Demos, die waren auch riesig. Doch uns gelingt es viel zu selten Tausende zu versammeln.
Das hat eben auch damit zu tun, dass eine Partei wie DIE LINKE, die ich hier vor Ort mal mit gegründet habe, eben viel zu oft ihre Politik nicht an diesen Grundsätzen orientiert. Wenn eine linke Sozialbürgermeisterin Bettenabbau mit plant, dann wird DIE LINKE unglaubwürdig und das schadet der Idee gemeinsam für Verbesserungen einzutreten.
Schluss damit: Lasst uns nicht den Mangel verwalten, oder Sozialabbau mit planen, sondern lasst uns gemeinsame und solidarische Kampagnen gegen die Fallpauschalen und für kommunales Eigentum an Wohnungen und bei Pflege und Gesundheit planen.
Es sei mir erlaubt an einem solchen Tage wie heute noch einmal Martin Luther King zu zitieren. Kurz vor seinem Tod hat der einmal gesagt: Militarismus, Rassismus und Kapitalismus seien so eng miteinander verwoben, dass man sie nur zusammen loskriegen kann. Und er hatte Recht: Kapitalismus bedeutet, Armut, Elend, Rassismus, Klimakatastrophe und Krieg – hier und überall auf der Welt.
Also lasst uns gemeinsam für eine Welt eintreten, in der der Profit nicht mehr über den Menschen geht. In der wir alle – egal welche Herkunft, welches Geschlecht, welche Hautfarbe und welche Religion wir haben – über diesen Reichtum demokratisch entscheiden. Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Menschen, sondern zwischen oben und unten. Lasst uns diese Grenzen einreißen.“