Erklärung der Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke)
Gauche Révolutionnaire (CWI in Frankreich) gab am 17. Oktober nach der Enthauptung eines Lehrers vor seiner Schule in Paris die folgende Erklärung heraus. Als Flugblatt herausgegeben, wurde sie auf Demonstrationen in ganz Frankreich gut aufgenommen, ebenso wie der GR-Plakat-Slogan: „Gegen Rassismus, gegen Fundamentalismus. Für eine geschwisterliche und tolerante Gesellschaft. Für den Sozialismus!”
Trauer und Abscheu überwältigen uns bei der Mitteilung von der Ermordung eines Geschichtslehrers des Bois d’Aulne-College in Conflans. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Angehörigen, seinen Kolleg*innen und Schüler*innen.
Was auch immer man von bestimmten Karikaturen religiöser Figuren halten mag, die Freiheit der Debatte, des kritischen Geistes und des Ausdrucks müssen im Zentrum des Unterrichts und des Lebens in der Gesellschaft bleiben. Eine Karikatur verdient kein Attentat. Aber leider gibt es viele, die Hass und Intoleranz schüren, sei es in der Regierung, in den Medien oder in sozialen Netzwerken.
Der Lehrer, der Opfer des Attentats ist, ist ebenso das Opfer eines religiösen Fundamentalisten, der „dadurch, dass er sich an die Stelle des Gottes setzt, auf den er sich beruft (als ob ein „allmächtiger” Gott Angst vor einer schlechten Zeichnung haben könnte), seine Religion beschmutzt”, wie Jean-Luc Mélenchon [von France Insoumise, Unbeugsames Frankreich] zu Recht bemerkt, wie er auch Opfer eines Anstiegs der Intoleranz und des Hasses oder der Verachtung ist, die kürzlich von Abgeordneten von La République en Marche [der Partei von Präsident Macron] oder anderen gegen Muslime und Muslimas geäußert wurden.
Diese Verrohung des Klimas, diese Intoleranz geht einher mit einer erdrückenden Situation in der Gesellschaft seit der Covid-19-Pandemie, mit willkürlichen Maßnahmen der Ausgangssperre und Repression gegen die Gegner*innen der Politik Macrons.
Sie schlägt sich auch in einer abscheulichen Atmosphäre in den sozialen Netzwerken nieder, wo verschiedene Aufrufe zum Hass zu unterschiedlichen Themen immer vor den Augen einer psychisch gestörten Person enden werden, die bereit sein kann, die schlimmsten Maßnahmen zu ergreifen.
Eine geschwisterliche Erziehung, die den Bedürfnissen entspricht?
“Die Republik wird angegriffen”, sagte [Bildungs-]Minister Blanquer. Das ist eine solche Heuchelei von Seiten eines Ministers, der weiterhin die Entlassung von vier Lehrer*innen in Melle aufrechterhält, weil sie Schüler*innen bei den unfairen E3C-Prüfungen des Abiturs geholfen haben, oder dessen Ministerium monatelang die Hilferufe von Christine Renon, der Schulleiterin in Pantin, die schließlich Suizid beging, ignorierte.
Nein, es war ein Lehrer, der angegriffen wurde, einer von denen, die Blanquer ständig gering schätzt. Blanquers Republik ist ungerecht, intolerant und ungleich.
Es ist möglich, Fehler, Übertreibungen zu machen, und es sollte die Möglichkeit bestehen, bestimmte Themen im Unterricht mit den Eltern oder unter den Schüler*innen zu diskutieren. Die Meinungsfreiheit gehört unangetatstet. Und die Tür muss immer offen sein für Dialog und Erklärung.
Was für eine Heuchelei von Menschen, die behaupten, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, sich aber darüber ärgern, dass eine Schülerin bei einer Anhörung ein Kopftuch trägt, obwohl sie das Recht dazu hat.
Wie heuchlerisch, dass diese Regierung, die laut Macron Schulen dabei helfen will, „freie Bürger*innen” zu schaffen, aber die Bildungsbedingungen zerstört und Schüler*innen in Klassen einpfercht, ihnen verbietet, die Auswahlmaßnahmen anzufechten, die Tausende von jungen Menschen mit [dem Studienplatzvergabesystem] Parcoursup vom Zugang zur Hochschulbildung ausschließen.
Diese Regierung hat gerade versucht, Mitgefühl für das Bildungspersonals zu zeigen, das sie die ganze Zeit mit Geringschätzung und Unterbezahlung behandelt.
Genug von Rassismus und Intoleranz
„Sie werden nicht durchkommen”, sagte Macron und griff damit ausdrücklich die Losung der Antifaschist*innen während des Spanischen Bürgerkrieges von 1936 bis 1939 auf (des spanischen antifaschistischen Lagers, das von Frankreich und Großbritannien angesichts der faschistischen Horden Francos fallen gelassen wurde). [Die Führerin des Rassemblement National, Marine] Le Pen brauchte nur hinzuzufügen: „Wir müssen ihn mit Gewalt aus unserem Land vertreiben”. Es besteht kein Zweifel, dass das so genannte Gesetz gegen „Separatismus”, das die diskriminierenden Maßnahmen gegen Muslim*innen im Allgemeinen verstärken wird, in diesem schrecklichen Drama eine neue Rechtfertigung finden wird.
Wie immer spielen die Terrorist*innen der herrschenden Klasse in die Hände und dies wird sich gegen die große Mehrheit der Muslime und Muslimas wenden.
Wir haben genug von diesen Menschen, in der Regierung und in den Medien, die durch ständige Angriffe auf Muslime und Muslimas Öl ins Feuer gießen und dann den Schmerz der Opfer durch islamfeindliche Bemerkungen ausnutzen.
Wir haben genug von dieser Regierung, die Schüler*innen und Bildungspersonal geringschätzt und dann mit ihrer Trauer so tut, als ob alles getan werde, um sie zu schützen, während alles getan wird, um die Arbeits- und Lernbedingungen zu zerstören.
Wir kämpfen dafür, dass die Lehrer*innen maximal zwanzig Schüler*innen pro Klasse haben, genug, um Unterricht und Debatten mit den Schüler*innen zu führen, aber dazu müssen wir mit der Politik Macrons brechen.
Genug von diesem Klima des Hasses, des Rassismus und der Intoleranz! Gegen Rassismus, gegen Fundamentalismus, für eine geschwisterliche und tolerante Gesellschaft!
Wahrer Separatismus ist, was Millionen von Menschen zur Armut, zu niedrigen Löhnen verurteilt, während die Milliardäre und Kapitalisten immer reicher werden.
Die Grundlage von Intoleranz und Rassismus liegt in diesen immer größer werdenden Ungleichheiten, während die öffentlichen Dienste durch die Politik von Macron und anderen ständig herabgesetzt werden. Man muss für eine andere Gesellschaft kämpfen, in der die Wirtschaft öffentlich sein wird, in der die öffentlichen Dienste (Gesundheit, Bildung…) von den Arbeiter*innen dieser Sektoren demokratisch und in Verbindung mit der Bevölkerung verwaltet werden. Im Kampf für eine solche demokratische Gesellschaft, den Sozialismus, wird man die Intoleranz und den Rassismus ausrotten, die heute allzu oft dazu dienen, die Arbeiter*innen, die Jugend und die Mehrheit der Bevölkerung zu spalten, anstatt gegen unseren wirklichen gemeinsamen Gegner zu kämpfen: die ultra-reiche Klasse und die Regierungen in ihren Diensten.