Trumpismus im Film

Der Katastrophenfilm Greenland

Lange Zeit hielt sich der Mythos, dass das Hörspiel Krieg der Welten bei seiner Erstausstrahlung im Jahr 1938 in New York eine Massenpanik ausgelöst hätte, weil das Programm auf die Hörer*innen so realistisch gewirkt habe, dass sie eine Invasion aus dem All erwarteten. Heute bestehen Zweifel an dieser Darstellung, es scheint sich dabei um eine Mischung aus Kampagne und Legende zu handeln. Angesichts der Masse an Science-Fiction und Katastrophen-Filmen, die unsere heutige Generation präsentiert bekommen hat, darf man fast annehmen, dass im Falle einer wirklichen Invasion aus dem All niemand diese Nachricht noch ernst nehmen würde.

Von Johannes Bauer, Köln

Der Film Greenland greift ein Szenario auf, das im Genre der furchteinflößenden Zukunftsvisionen prominente Vorreiter hat, man denke beispielsweise an Deep Impact, Last Impact oder Armageddon. Ein großer Eis- oder Steinbrocken taucht wie aus dem Nichts in den Fernrohren der Astronomen auf und rast unaufhaltsam auf die Erde zu, um unser kleines, blaues Juwel zu entvölkern. Der wohlige Schauder bei den Zuschauer*innen entsteht durch die realistische Darstellung von (idealerweise) bedrohlichem Asteroiden, schockierten Erdlingen und glaubwürdigen oder zumindest phantasievollen Rettungsversuchen.

Realitätsnähe im Film kostet Geld. Als Armageddon gedreht wurde, in den späten 90ern, kostete er 140 Millionen Dollar, damals Rekord. Dafür zeigte er einen wirklich bedrohlichen Asteroiden und eine absolut glaubwürdige Rettungsmission, inklusive wackelnder Bilder aus dem Inneren der Rettungsrakete, durch ein erlesenes Team von Top-Darsteller*innen mit Bruce Willis an der Spitze. Nebenhandlung ist eine anrührende Liebesgeschichte. In den USA, war die Bevölkerung damals von den Enthüllungen um Präsident Bill Clinton und die Lewinsky-Affäre halb schockiert und halb amüsiert. Der Film trotzt der Bedrohung mit Humor, Einfallsreichtum und Optimismus. Massenhaft Stars and Stripes. Ami-Patrioten-Helden-Kitsch vom feinsten, aber gute Unterhaltung mit etwas etwas Glamour. Die USA recken dem fiesen Stein ihr kantiges Kinn entgegen.

Fairerweise muss man einräumen, dass Greenland zwanzig Jahre später nur ein Viertel des Budgets zur Verfügung hatte. Okay – der Film ist durchgängig in Farbe gedreht, aber sonst hapert es an allen Ecken und Enden. Wie gesagt, die Welt ist dem Untergang geweiht, es gibt aber die Hoffnung, dass einige Auserwählte den großen Bumms in den Hangars des US-Stützpunkts auf Grönland überleben könnten. Die Handlung des Films dreht sich um den Kampf der Protagonist*innen um einen Platz in diesen Schutzräumen.

Das könnte ein interessanter Plot sein, wenn er mit dem nötigen Ernst angegangen worden wäre. Wie werden knappe Ressourcen verteilt? Das ist eine Frage, die sich auch außerhalb des Kinos täglich stellt. Im Film stolpert eine Familie, die durch giftigen Eifersuchts-Hick-Kack polarisiert ist, durch Hoffnung und Verzweiflung, um am Ende – Überraschung – einen der knappen Plätze zu ergattern. Zusammenhalt in der Familie, etwas Glück und vor allem Rücksichtslosigkeit gegenüber jedem und jeder Außenstehenden ist der Schlüssel zum Erfolg. Erbärmlicher geht es kaum.

Obwohl der Film die dürftige Handlung auf 120 Minuten auswalzt, bleiben die Figuren undeutlich und fremd. Die Beziehungen zwischen den Menschen sind unglaubwürdig und schablonenhaft, die Szenen werden ohne emotionalen Zusammenhang aneinandergereiht. Die Handlung ist zumindest in der deutschen Synchronisation nur ansatzweise schlüssig. Entfernungen werden beispielsweise in unrealistischer Weise und Zeit überwunden. Wenn gerade Massenpanik herrscht, die Straßen verstopft sind, Plünderungen und Vandalismus um sich greifen, wo kommt dann plötzlich der Linienbus her? Warum sollen ausgerechnet die Hangars auf Grönland sicher sein, die deutlich näher am Einschlag des Asteroiden (in Europa) liegen, als vergleichbare Einrichtungen auf dem amerikanischen Kontinent? Was passiert mit den Menschen, die es nicht in die Hangars geschafft haben? Warum melden sich einige Monate nach der Katastrophe, als sich der Hangar wieder öffnet, gleichzeitig Menschen über Funk oder Radio von überall auf der Welt und teilen mit, dass sie überlebt haben? Wer hat die Infrastruktur am Leben erhalten? Und warum in drei Teufels Namen sehen die Leute, die aus den Beton-Katakomben ans Licht kommen, so verdammt gut erholt aus???

An keiner Stelle werden undemokratische Entscheidungen in Frage gestellt. Das Militär feuert ohne zu zögern auf die Bevölkerung, um die Privilegierten zu verteidigen, die sichere Plätze in den Schutzräumen haben. Obrigkeitsgläubigkeit bei den Vertretern der normalen Bevölkerung und bedingungsloser Gehorsam bei den Vertretern der staatlichen Gewalt werden hoch gehalten. Wobei die normale Bevölkerung hier durch die Familie eines privilegierten, reichen Star-Architekten repräsentiert wird. Aus jedem Blickwinkel bleibt am Ende ein Gefühl: Fremd-Schämen! Die USA verkriechen sich vor einer Bedrohung zankend und verletzt in einem Erdloch. Wenn dieses lausige Machwerk in die Annalen eingehen wird, dann als filmisches Zeugnis des platten, dumpfen, frechen Fake-News Trumpismus

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