Warum wir die “Solidarität” herausgeben

200 Ausgaben … und wir haben noch viel vor

Zeitungen haben in der Arbeiter*innenbewegung eine lange Tradition. Aber sie sind keineswegs Schnee von gestern.

von Wolfram Klein, Mitglied der Redaktion der „Solidarität“

Am 28. November war der 200. Geburtstag von Friedrich Engels. Einen zentralen Raum in seinem Leben nahmen Zeitungen ein. Er gab in der Revolution 1848/49 mit Marx die “Neue Rheinische Zeitung” heraus, er schrieb Artikel für eine Vielzahl von Zeitungen, einen beträchtlichen Teil seines Briefwechsels macht die Kritik an Zeitungsartikeln aus.

Natürlich haben sich die Zeiten geändert. Aber grundlegende Aufgaben sind gleich geblieben: Arbeiter*innenmassenorganisationen aufbauen, den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte befördern, eine sozialistische Demokratie errichten. Und damit bleiben auch wichtige Aufgaben einer sozialistischen Zeitung bestehen.

Aufgaben der Zeitung

Wir leben weiter in einer Klassengesellschaft und einem Klassenstaat. Medien, die kapitalistischen Unternehmen oder solche die – direkt oder indirekt – staatlich sind, haben auch einen Klassencharakter. Eine sozialistische Zeitung muss die Wahrheit(en) veröffentlichen, die von der bürgerlichen Presse nicht gesagt werden, die dort fehlenden (oder unter einem Wust von Unwahrheiten oder Belanglosigkeiten zugeschütteten) Informationen liefern. Sie muss auch die Zusammenhänge deutlich machen, in denen Informationen, Fakten stehen. 

Unsere Ressourcen sind im Vergleich zu denen der kapitalistischen Medien winzig. Unsere wichtigste Verbündete ist die Tatsache, dass die Erfahrungen der Arbeiter*innen das bestätigen, was wir schreiben (wenn wir keine Fehler machen).

Die Arbeiter*innenklasse ist kein Einheitsbrei. Jüngere und ältere, männliche und weibliche Kolleg*innen, prekär Beschäftigte, Facharbeiter*innen, Büroangestellte, Beschäftigte in Kitas oder Krankenhäusern, mit und ohne „Migrationshintergrund“, Beschäftigte und Arbeitslose etc. machen oft verschiedene Erfahrungen. Als sozialistische Zeitung haben wir nicht nur die Aufgabe, Dinge zu schreiben, die den Erfahrungen der Klasse entsprechen, sondern müssen auch Teilen der Klasse die Erfahrungen anderer Teile der Klasse verständlich machen. Das ist das Gegenteil von bürgerlicher Identitätspolitik, die Unterschiede innerhalb der Klasse kultiviert. Es ist ein Beitrag zur Einheit der Klasse. Dabei hilft sehr, nicht beim Mitteilen von Erfahrungen stehen zu bleiben, sondern Forderungen aufzustellen, für die zu gemeinsamen Kämpfen mobilisiert werden kann.

Bewegung und Programm

In den letzten Monaten und Jahren gab es beeindruckende Massenbewegungen in vielen Ländern und über Ländergrenzen hinweg. In diesem Winter können wir den zehnten Geburtstag einer der eindrucksvollsten Massenbewegungen feiern, die weltweite Auswirkungen hatte: des „arabischen Frühlings“. Aber was war sein Resultat? In Ägypten herrscht heute ein brutaleres Militärregime als vor zehn Jahren, Libyen, Syrien und der Jemen versanken in furchtbaren Bürgerkriegen. Gerade für den Verlauf von Massenbewegungen hat ihr Programm eine zentrale Bedeutung. Deshalb verstecken wir bei der Teilnahme an Bewegungen unser Programm nicht, auch wenn wir uns dabei bei Leuten unbeliebt machen, die meinen, das beeinträchtige die „Einheit der Bewegung“. Und um ein marxistisches Programm in Bewegungen zu verbreiten, bleibt eine revolutionäre Zeitung ein unverzichtbares Hilfsmittel, das hat unsere Schwesterorganisation “Demokratisch-Sozialistische Bewegung” im Oktober in Nigeria in der Massenbewegung gegen Polizeigewalt erneut bewiesen. Auch wenn bei der Mobilisierung für diese Proteste soziale Medien wie Twitter eine zentrale Rolle spielten und sich in dreizehn Tagen des Bewusstsein von Aktivist*innen rasend schnell von allgemeiner Parteienablehnung zur Notwendigkeit einer Partei entwickelte, so blieb doch die Frage des Charakters und des Programms einer solchen Partei sehr unklar … und solche Fragen lassen sich nicht per Twitter klären.

Zur 200. Ausgabe der „Solidarität“ können wir sagen: Wir fangen erst richtig an!

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