USA nach dem Sturm auf das Kapitol

By Gage Skidmore from Peoria, AZ, United States of America (Donald Trump) [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Massenarbeiter*innenpartei und sozialistisches Programm nötig!

In nie dagewesenen Szenen, die an Lateinamerika, Asien oder Afrika erinnern, stürmten tausende Trump-Unterstützer*innen angestachelt von Trump selbst den Kongress am Kapitol. Der US-Kapitalismus taucht damit in eine noch tiefere Krise.

Von Tony Saunois, Sekretär des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale

Die unglaublichen Bilder von hunderten zum Teil bewaffneten Trump-Unterstützer*innen die in das Kongressgebäude eindrangen als der Kongress gerade die Bestätigung des Wahlergebnisses diskutierte, zeugen von der massiven Polarisierung in der US-Gesellschaft. Die dramatischen Szenen, die um die Welt gingen sind eine grafische Illustration des Niedergangs des US-Imperialismus. Diese Ereignisse werden dessen Glaubwürdigkeit international weiter beschädigen – besonders in der neokolonialen Welt. 

Trump, der bereits vor Wochen zu diesen Protesten aufgerufen hatte, hat ein verzweifeltes Manöver gestartet, um sich an die Macht zu klammern. Einige seiner Unterstützer*innen in der republikanischen Partei im Kongress hatten bereits – davor unvorstellbar – die Bestätigung des Wahlresultats angefochten. Das war seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr geschehen. Dennoch fochten 139 republikanische Vertreter*innen im Repräsentantenhaus und acht Senatoren das Wahlergebnis an. Trump hob die Anfechtung dann auf eine höhere Ebene indem er seine Unterstützer*innen mobilisierte – inklusive extrem rechter Gruppen wie der “Proud Boys” und Verschwörungstheoretiker*innen wie Q-Anon.  Die Unterzeichnung eines Briefes von zehn ehemaligen US-Verteidigungsminister*innen gegen ein Eingreifen des Militärs in die Kalmierung der Turbulenzen rund um die Wahl zeigt, dass es in Washington bereits bekannt war, dass Trump etwas vorbereitete. 

Der Sturm auf den Kongress und die Tatsache, dass Polizei und Staatskräfte nicht mit Repression vorgingen, steht in starkem Kontrast zur brutalen Repression, die gegen die Black Lives Matter Bewegung 2020 eingesetzt wurde. Wenn die BLM Demonstrierenden versucht hätten den Kongress zu stürmen, wären sie vermutlich mit einem Kugelhagel und scharfem Geschütz begrüßt worden. 

Die Capitol Hill Polizei machte Selfies mit den Demonstrierenden im Kongressgebäude, zusätzliche Polizeikräfte fehlten und die Nationalgarde kam erst mit Verzögerung an – es ist klar, dass Teile von Polizei und Staatsapparat Trump unterstützen. Während die große Mehrheit der herrschenden Klasse und die Spitzen des Militärs und der Staatsmaschine Trump loswerden wollen, findet sich eine Schicht seiner Unterstützer*innen innerhalb des Staatsapparats, besonders unter den Polizeikräften. Selbst Biden war gezwungen einen Teil seiner Sicherheitskräfte auszutauschen, weil sie Trump-Unterstützer*innen sind. Diese Elemente einer Spaltung im Staatsapparat werden nicht einfach verschwinden, wenn Trump nicht mehr im Weißen Haus ist. 

Die herrschende Klasse in den USA hat Angst, dass dies nicht das letzte Manöver Trumps sein könnte. Viele haben Angst, die Kontrolle über die größte militärische Macht auf dem Planeten in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft in Trumps Hand zu lassen. Der Jahrestag der Erschießung von Qasem Soleimani und die Beschlagnahmung eines südkoreanischen Schiffes durch den Iran sind die Art von Vorwand die Trump benutzen könnte um ein militärisches Abenteuer gegen das iranische Regime zu starten. 

Man kann nicht ausschließen, dass das Kabinett und Vizepräsident Pence den 25. Verfassungszusatz anrufen und Trump entfernen – wie viele wichtige Kapitalisten wie die National Manufacturing Association (eine Art Industriellenvereinigung) fordert. 

Trump ist zunehmend isoliert – Teile seiner vormals loyalen Unterstützer*innen in der Republikanischen Partei haben sich während der dramatischen Ereignisse der letzten 24 Stunden von ihm abgekehrt, inklusive Mike Pence. Darin zeigen sich zahlreiche Spaltungen innerhalb der Republikanischen Partei zwischen Trump-Unterstützer*innen und jenen die andere Rechte wie Bush oder Chaney unterstützen, die nun den “moderaten” Flügel der Partei repräsentieren. 

Nun gibt es sogar Spaltungen innerhalb des Trump-Flügels  – einige, wie Arkansas Senator Tom Cotton fürchten (aus opportunistischen Gründen) mit den Ereignissen des letzten Tages assoziiert zu werden und von Trump in die Tiefe gezogen zu werden. Sie haben ein Auge auf die Zukunft in der sie eventuell eine rechtspopulistische Partei oder Bewegung um die Trump-Unterstützer*innen anführen könnten. Eine formelle Spaltung der Republikanischen Partei stellt sich je weiter die Krise sich entfaltet. Selbst die Frage des zukünftigen Überlebens der Republikanischen Partei wie wir sie kennen stellt sich in dieser Krise. 

Allerdings haben das Vakuum, das in der US-Gesellschaft existiert und das Fehlen einer Massenarbeiter*innenpartei, die den Kapitalismus herausfordern kann Trump und der Rechten ermöglicht eine Basis unter einigen Teilen der Arbeiter*innen- und Mittelklassen aufzubauen. Das wird unter einer Biden-Präsidentschaft nicht verschwinden. 

Die dramatischen Ereignisse in den USA haben einen Aufschrei von Politiker*innen auf der ganzen Welt hervorgerufen, die diese verurteilen. Sie nannten die Protestierenden “Aufständische” und priesen die “demokratischen Institutionen” in den USA. Obwohl Tausende an diesen Protesten teilgenommen haben, handelt es sich dabei nicht um einen Massenaufstand. 

Die Verurteilung der Ereignisse in Washington durch die internationalen kapitalistischen  Führer*innen und das Protestieren der Führung der Demokratischen Partei sind schlicht scheinheilig. Die “demokratischen Institutionen” die von Trumps Unterstützer*innen besetzt wurden, waren dieselben, die Millionen auf den Schlachtfeldern des Irak und Nahen Osten abgeschlachtet haben. Jahrzehntelang hatte der US Staat militärische Putsche und Tötungen in ganz Lateinamerika und anderswo vorgenommen und “demokratisch” gewählte Regierungen zu stürzen. 

Trotz des rechtsgerichteten Charakters von Trumps Protestierenden benutzen die kapitalistischen Politiker*innen dies um die Idee von Massenaufständen gegen Regime, die sie unterstützen oder mit denen sie zusammenarbeiten zu attackieren und zu diskreditieren. Sie haben auch Angst, dass in der explosiven und ungewissen Situation international die Idee “den Kongress zu stürmen” von Arbeiter*innen und anderen die unter ihrer Herrschaft gelitten haben aufgegriffen werden könnte. 

Die Demokrat*innen werden nun die Präsidentschaft und Kontrolle über Repräsentantenhaus und Senat haben, da sie beide Senatssitze in Georgia gewonnen haben. Trotz des kapitalischen Charakters der Demokratischen Partei ist die Niederlage der Republikaner*innen in Georgia und die Wahl eines schwarzen Senators in Georgia, Raphael Warnock, ein Zeichen der Veränderungen, die in der Gesellschaft stattfinden und der Reaktion auf die Republikanische Partei. 

Der Amtsantritt Bidens infolge der Katastrophe des Trump Regimes erfolgt im Angesicht der schlimmsten wirtschaftlichen und gesundheitlichen Krise seit Jahrzehnten. Es ist wahrscheinlich, dass die Erleichterung über Trumps Abtritt bedeutet, dass die meisten US-Amerikaner*innen für eine bestimmte Zeit eine abwartende Haltung einnehmen. Die Tiefe der Krise mag Bidens Regierung sogar zwingen größere Rettungspakete und einige Zugeständnisse an Arbeiter*innen und Arme einzuführen. Bernie Sanders und andere auf der demokratischen Linken haben bereits angedeutet, dass sie damit zufrieden sind und bieten keine Alternative an. Allerdings werden diese Maßnahmen die darunterliegende Krise und deren desaströse Auswirkungen auf die Arbeiter*innenklasse und Mittelklasse nicht lösen. Die Demokrat*innen sind an den Kapitalismus gebunden und sind nun die Hauptpartei der herrschenden Klasse in den USA – angesichts der Zerrüttung und Spaltung der Republikanischen Partei. 

Die kapitalistische Natur der Partei und ihrer Führung zeigt sich an der Person Janet Yellens, Bidens nominierte Finanziministerin, die in den letzten beiden Jahren sieben Millionen US-Dollar dadurch verdiente, dass sie zu großen Konzernen und Banken gesprochen hat. 

Arbeiter*innen in den USA können der Demokratischen Partei nicht vertrauen – sie wird nur im Interesse des Kapitalismus agieren. Das Versagen der demokratischen Linken wie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) darin, eine Alternative aufzuzeigen und mit der Demokratischen Partei zu brechen und eine unabhängige Arbeiter*innenpartei aufzubauen hat dem Trumpismus erlaubt, das Vakuum zu nutzen. Die Ängstlichkeit die sie unlängst gezeigt hatten, als sie keine Abstimmung im Kongress über das Gesundheitssystem erzwangen, da es “spaltend” wäre, ist keine Art und Weise wie eine Alternative zum Trumpismus aufgebaut werden kann. Aber das ist nun entscheidend für Sozialist*innen und Arbeiter*innen in den USA – zu beginnen eine Massenarbeiter*innenpartei mit sozialistischem Programm aufzubauen, die einen Ausweg aus dieser zerstörerischen Krise des US-Kapitalismus zeigen kann. 

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