Höchste Zeit für eine sozialistische Corona-Politik im Interesse der Arbeiter*innenklasse
Es ist unfassbar. Ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie steckt Deutschland mitten in einer zweiten Welle, deren Ende und Folgen nicht absehbar sind. Die neue Virus-Mutation B.1.1.7 kann die nächsten Monate zum Horror werden lassen. „Deutschland steht besser da als andere Länder“ gilt nicht mehr. Das Pandemiegeschehen ist außer Kontrolle geraten, Infektionsketten können von den Gesundheitsämtern nicht mehr nachverfolgt werden. Die Hälfte der Corona-Todesopfer hat es in den letzten zwei Monaten gegeben. Die tägliche Zahl der Toten sinkt nicht. Viele Krankenhäuser können schon bald überlastet sein. In Brandenburg ist das schon der Fall und anliegende Bundesländer mussten Patient*innen übernehmen. In Thüringen hat sich eine erste Klinik von der Covid-Behandlung abgemeldet, weil der Krankenstand unter den Beschäftigten zu hoch ist.
Von Sascha Staničić, Sol-Bundessprecher
Der Hoffnung, die mit der Zulassung des ersten und mittlerweile auch zweiten Impfstoffs einherging, ist Ernüchterung gewichen. Die Impfungen laufen langsamer ab, als es möglich wäre, die Produktion von Impfstoff vollzieht sich nicht schnell genug.
Wir erleben seit Beginn der Pandemie ein Systemversagen, das für Tausende Tote in Deutschland und zwei Millionen weltweit verantwortlich ist. Hinzu kommt die Ignoranz der Macht: da werden an die Arbeiterwohlfahrt zehntausende FFP2-Masken ausgeliefert, die nicht den Sicherheitsstandards entsprechen und in Bayern werden hunderte Impfdosen falsch gekühlt und können deshalb nicht mehr eingesetzt werden – während Millionen von Menschen auf die Nachricht warten, dass sie endlich geimpft werden.
In dieser Situation haben Bundeskanzleramt und Länderchefs eine Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns beschlossen. Es ist keine Frage, dass drastische Maßnahmen nötig sind. Es ist auch keine Frage, dass Einschränkungen des Alltagslebens und social distancing unvermeidlich sind. Aber die Verantwortlichen beschränken sich auf Einschränkungen des Privatlebens der Bevölkerung und verzichten darauf die Maßnahmen zu ergreifen, die wirklich notwendig und effektiv wären.
In der öffentlichen Debatte werden die Alternativen im Wesentlichen so dargestellt: Lockdown lockern oder verschärfen? Schulen schließen oder öffnen? Diese Fragestellungen lenken davon ab, was eigentlich geboten wäre, um die Pandemie zu bekämpfen, die Gesundheit der Menschen zu schützen und die Zahl der Todesopfer auf ein Minimum zu reduzieren.
In einem Aufruf hat eine Gruppe von Wissenschaftler*innen eine europaweite Strategie zur Bekämpfung der Pandemie gefordert und die Zielsetzung ausgerufen, dass jede Infektion nachvollziehbar sein muss, bevor Lockerungen an den Einschränkungen ergriffen werden. Um dies zu erreichen, haben sie das Ziel ausgerufen, die Zahl der Infektionen auf zehn pro einer Million Menschen pro Tag zu reduzieren. Auch die Bundesregierung begründet ihren verschärften Lockdown mit dem Ziel, die Infektionsketten wieder nachvollziehbar machen zu wollen und hat das Ziel einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 auf 100.000 Einwohner*innen gesetzt und beruft sich dabei auf Expert*innenmeinungen. Hier scheinen „Expert*innen“ unterschiedlicher Meinung zu sein, ab welcher Infektionszahl eine Nachverfolgung sämtlicher Infizierter möglich ist. Zweifellos ist den unabhängigen Wissenschaftler*innen hier eher zu glauben, als den Regierungsangaben.
Diese Zielsetzung ist grundsätzlich richtig, weil eine Nachverfolgung aller Infektionen die Voraussetzung ist, um das Pandemiegeschehen unter Kontrolle zu bekommen und das Virus dauerhaft zurückzudrängen. Das ist zweifellos nötig, weil die Impfungen nach dem derzeitigen Verlauf der Impfkampagnen international frühestens im zweiten Halbjahr 2021 eine bedeutende Wirkung entfalten werden. Und es ist umso dringender, weil die mutierte Form des Virus B.1.1.7 zu einer drastisch beschleunigten Ausbreitung des Virus führt, die die Zahl der Todesopfer in kürzester Zeit enorm ansteigen lassen wird, wenn keine entschlossenen Maßnahmen getroffen werden.
Die entscheidende Frage ist aber, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Wirkung zu entfalten. Der Wissenschaftler*innen-Aufruf gibt darauf keine Antwort und spricht nur davon, dass vor Erreichen des Ziels keine Lockerungen der Einschränkungen vorgenommen werden sollten. Damit wird die derzeitige Corona-Politik der Herrschenden in Europa nicht in Frage gestellt und es werden keine Forderungen aufgestellt, die über die derzeitigen Maßnahmen hinaus gehen. Diese Herangehensweise untergräbt auch eine dringend notwendige Kritik an den neuen Lockdown-Verschärfungen.
Diese sind jedoch zu kritisieren, weil sie den grundlegend verfehlten Ansatz der Corona-Politik fortsetzen: der Blick wird nur auf das Privatleben der Bevölkerung gerichtet und die psychosozialen Folgen von Kontakteinschränkungen, Schulschließungen und der Einstellung des kulturellen Lebens werden weitgehend ignoriert.
Das drückt sich deutlich in der neuen Regelung aus, dass Kinder nun in die Kontaktbeschränkungen mit hinein gerechnet werden. Das bedeutet konkret, dass Eltern von Kleinkindern oder Geschwister nicht mehr an Besuchen eines anderen Kindes teilnehmen dürfen. Ebenso darin, dass die Kontaktbeschränkungen auch für Begegnungen an der frischen Luft gelten, was angesichts der Tatsache, dass sich das Virus im Freien kaum verbreitet, absurd ist. Zu dieser Absurdität gehört auch, dass zum Beispiel Zoologische Gärten, außer in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, geschlossen sind.
Uns soll weis gemacht werden, der Kampf gegen die Pandemie werde im Privatleben der Bevölkerung gewonnen. Produktion und Wirtschaftsleben laufen jedoch weitgehend weiter. Nur 14 Prozent der Arbeitenden befinden sich zur Zeit im Home Office, circa zehn Prozentpunkte weniger als im Frühjahr! Es werden weiter Waffen, Werbeprospekte, Autos und viele andere Dinge hergestellt, die (nicht nur) in pandemischen Zeiten keinen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Nötig ist eine wirkliche und vollständige Konzentration von Politik und Wirtschaft auf den Kampf gegen die Pandemie.
Dazu müsste gehören:
1) Maximale Beschleunigung der Impfkampagne
Es ist nicht vernünftig und dient nicht der Pandemiebekämpfung, dass Impfstoffe von unterschiedlichen Privatfirmen in Konkurrenz zueinander (aber mit massiven staatlichen Subventionen) entwickelt und dann vermarktet werden. Impfstoffe müssen patentfrei sein und dürfen nicht das Privateigentum einiger Weniger sein.
Nötig ist jetzt eine unmittelbare Steigerung der Produktion von Impfstoffen unter staatlicher Kontrolle. Dazu müssen vorhandene Produktionskapazitäten auf Basis eines Gesamtplans für die Herstellung notwendiger medizinischer Produkte unter staatliche Kontrolle gestellt und eingesetzt werden. Sollten diese nicht ausreichen, müssen unmittelbar staatliche Produktionskapazitäten errichtet werden.
Das Privateigentum an Pharmakonzernen ist ein Hindernis für eine maximale Beschleunigung der Impfkampagne . Gesundheitsversorgung sollte ohnehin nicht der Profitmaximierung von Privatfirmen dienen. Pharmakonzerne gehören enteignet und in öffentliches Eigentum überführt – bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Beschäftigte, Gewerkschaften und Staat.
2) Testen, testen, testen
Eine maximale Ausweitung der Corona-Antigen-Schnelltests würde nicht nur ermöglichen, das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bekommen, sondern auch einen flexibleren Lockdown ermöglichen, der soziale Aktivitäten unter bestimmten Bedingungen ermöglicht.
Wenn es noch in jedem Krieg auf der Welt möglich war, in kürzester Zeit ausreichend Waffen und Munition herzustellen, um diese Kriege zu führen, dann muss es möglich sein, dass im 21. Jahrhundert eine ausreichende Produktion dieser Schnelltests umgesetzt wird.
Österreich hat es ein Stück weit vorgemacht. Hier wurden im Dezember kostenlose Massentests durchgeführt und viele Menschen haben sich dadurch ein sicheres und entspanntes Weihnachtsfest ermöglicht. Gleichzeitig gilt weiterhin: je mehr getestet wird, desto schneller werden Infizierte lokalisiert und können isoliert werden.
3. Ausbau der Gesundheitsämter
Die Gesundheitsämter sind überlastet und schaffen es nicht mehr, die Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Es muss unmittelbar ein milliardenschweres Investitionsprogramm für deren technischen Ausstattung und Personalaufstockung geben. Ziel muss es sein, die Gesundheitsämter dauerhaft besser auszustatten, aber unmittelbar kann Personal zeitlich befristet eingesetzt werden: Callcenter, in denen Beschäftigte gerade entweder in Kurzarbeit sind (wie in der Touristikbranche) oder gesellschaftlich nicht sinnvolle Tätigkeiten verrichten müssen (Werbung), können den Gesundheitsämtern zugeteilt werden und sollten zu den Tariflöhnen des öffentlichen Doenstes entlohnt werden. Bundeswehrsoldat*innen sollen in zivil und unter zivilem Kommando dauerhaft für den Zeitraum der Pandemiebekämpfung freigestellt werden.
4. Krankenhäuser und Gesundheitsversorgung in öffentlicher Hand ausbauen
Der erste und wichtigste Schritt um eine Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen bei der Behandlung von Covid-Patient*innen zu vermeiden, ist die unmittelbare Erhöhung des Personalbestands, um eine bedarfsgerechte Personalbemessung zu erreichen. Voraussetzung dafür sind deutlich höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Die Löhne der Krankenpfleger*innen müssen dauerhaft um mindestens 500 Euro erhöht und ihnen ein Corona-Zuschlag von 500 Euro monatlich für die Dauer der Pandemiebekämpfung gezahlt werden. So können viele der 200.000 ausgebildeten Pfleger*innen, die den Beruf aufgrund der miesen Arbeitsbedingungen verlassen haben, zurück geholt werden. Auf der Basis kann die Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich reduziert werden, als ersten Schritt zu weiterer Arbeitszeitverkürzung nach erfolgreicher Pandemiebekämpfung.
Doch es geht nicht nur um die Frage der Personalaufstockung im Pflegebereich. Auch das technische und Servicepersonal von der Reinigung bis zur Sterilisation in den Krankenhäusern muss aufgestockt und besser bezahlt werden. In vielen Krankenhäusern wurden diese Bereiche outgesourct und teilweise privatisiert. Private Firmen haben in den Krankenhäusern nichts zu suchen! Outgesourcte und privatisierte Servicebereiche müssen wieder in öffentliches Eigentum und in die Krankenhäuser eingegliedert werden. Das bedeutet auch, dass die Beschäftigten nach den geltenden Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes angestellt werden müssen. Private Krankenhäuser gehören unmittelbar wieder in öffentliches Eigentum überführt, unter Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung. Krankenhausschließungen, 25 seit Ausbruch der Pandemie bundesweit, müssen beendet und, wo möglich, rückgängig gemacht werden.
Profitstreben und Marktmechanismen haben im Gesundheitswesen nichts verloren. Deshalb muss die Krankenhausfinanzierung revolutioniert werden und das System der Fallkostenpauschalen durch eine ausreichende Finanzierung nach Bedarf ersetzt werden.
Schulen öffnen?
Nach monatelangen Diskussionen über die Frage, ob Kindergärten und Schulen Infektionstreiber sind oder nicht, muss klar sein: ja, unabhängig davon, ob die Ansteckungsgefahr unter Kindern und Jugendlichen geringer ist als bei Erwachsenen, sind auch Schulen und Kindergärten Orte, in denen das Virus sich verbreitet. Allein die Tatsache, dass die Infektionen unter Kindern und Jugendlichen seit den Schulschließungen vor Weihnachten deutlich rückläufig sind, spricht dafür, wie auch neuere Studien. Gleichzeitig hätte eine langfristige Schließung von Schulen und Kindergärten katastrophale psychosoziale Auswirkungen für viele Kinder und Jugendliche, vor allem aus der Arbeiter*innenklasse und Familien mit Migrationshintergrund.
Die Herrschenden wollen die Schulen schnellstmöglich öffnen, weil der Kapitalismus die Eltern als Arbeitskräfte braucht und sie das Prüfungs- und Notensystem nicht in Frage stellen wollen. Wir wollen, dass die Schulen geöffnet werden, damit Kinder und Jugendliche den Zugang zu Bildung haben, ihre wichtigen sozialen Kontakte leben können und nicht alleine und isoliert den oftmals miesen und gewalttätigen Verhältnissen in den Kleinfamilien ausgesetzt sind. Das macht es nötig, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die einen Schulunterricht mit deutlich reduziertem Ansteckungsrisiko für Lehrer*innen und Schüler*innen ermöglichen: Luftfilter in alle Klassen, Halbierung der Klassen, Nutzung von Hotels, Kongresszentren und anderen zur Zeit leer stehenden Räumlichkeiten für Unterricht mit ausreichendem Abstand.
Gleichzeitig müssen die Voraussetzungen für gleichberechtigtes Homeschooling geschaffen werden. Alle Schüler*innen müssen mit digitalen Endgeräten ausgestattet und eine Digitalisierungsoffensive, also Anschaffung von Hardware, Einstellung von IT-Spezialist*innen, Zugang zu leistungsstarkem WLAN etc., in den Schulen umgesetzt werden. Eltern, die wegen des Homeschoolings ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen, dürfen nicht ins Homeoffice gezwungen werden, sondern müssen bei voller Lohnfortzahlung frei gestellt werden. Und natürlich muss das nötige Personal her und ausreichend Lehrer*innen eingestellt werden.
Solange die Schulen geschlossen sind bzw. für die Betreuung der Schüler*innen, die aufgrund von Hybridunterricht nicht im Unterricht sind, müssen sinnvolle Freizeitangebote, möglichst viel an der frischen Luft, geschaffen werden.
Die Öffnung von Schulen darf nur nach Zustimmung von gewählten Ausschüssen der Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen erfolgen.
Gleichzeitig müssen zumindest für diesen Jahrgang Noten, Prüfungen, „Sitzenbleiben“, Hochschulzugangsbeschränkungen etc. aufgehoben werden. Die Corona-Krise sollte als Chance genutzt werden, das gesamte dreigliedrige Schulsystem zu hinterfragen, das vor allem dazu dient, den Wirtschaftsunternehmen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, aber nicht Kindern und Jugendlichen ein Maximum an Bildung und Lebensvorbereitung zu vermitteln.
Lockdown? Ja, aber …
Es ist keine Frage, dass soziale Kontakte und das gesellschaftliche Leben herunter gefahren werden müssen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Während der Bevölkerung aber zum Teil völlig unsinnige Einschränkungen des Privatlebens auferlegt werden, bleibt die Wirtschaft außen vor. Wir fordern, dass das Wirtschaftsleben außerhalb der für die Grundversorgung notwendigen Bereiche runter gefahren wird. Das würde Kontakte am Arbeitsplatz und in den öffentlichen Verkehrsmitteln drastisch reduzieren. Ausnahmen davon darf es nur auf Basis von ausreichenden Hygienekonzepten und bei Zustimmung durch die Belegschaften, Gewerkschaften und Betriebsrät*innen geben. Dazu sollten in allen Betrieben Pandemieräte durch die Beschäftigten gewählt werden.
Gleichzeitig dürfen die Beschäftigten nicht die Leidtragenden solcher Maßnahmen sein. Ihnen muss eine hundertprozentige Lohnfortzahlung garantiert werden. Wenn die Unternehmen zu dieser Zahlung nicht in der Lage sind, müssen sie ihre Geschäftsbücher offen legen und ggf. in öffentliches Eigentum überführt werden, so dass der Staat diese Garantie übernimmt.
Die Lockdown-Maßnahmen im privaten Bereich und im kulturellen und gesellschaftlichen Leben könnten auf Basis von einer Ausweitung der Tests und von Hygienekonzepten differenziert werden. Aktivitäten an der frischen Luft können ebenso erlaubt werden, wie soziale Kontakte auf der Basis negativer Testergebnisse, wenn alle einen kostenfreien Zugang zu Tests haben.
Wer soll das bezahlen?
Die Reichen sind in dieser Pandemie noch reicher geworden. Gleichzeitig haben Bundes- und Landesregierungen Milliarden von Euro den Unternehmen in den Hintern geblasen. Geld ist genug da, es ist nur in den falschen Händen und wird von staatlicher Seite falsch eingesetzt. Die von uns geforderten Maßnahmen könnten durch eine einmalige Corona-Abgabe für Millionär*innen von dreißig Prozent und eine deutliche Erhöhung der Besteuerung auf Vermögen und Unternehmensgewinne finanziert werden.
Wie soll das erreicht werden?
Eine Corona-Politik im Interesse der Arbeiter*innenklasse und der sozial Benachteiligten ist von den prokapitalistischen Parteien jeder Couleur nicht zu erwarten. Sie muss durch massenhafte Mobilisierungen von unten durchgesetzt werden. Hier sind vor allem die Gewerkschaften, aber auch die Partei DIE LINKE gefragt. Gerade jetzt, wo viele auf sich allein gestellt sind, sollten die Gewerkschaften verstärkt Angebote machen, um die Beschäftigten in Betrieben – auch wenn sie im Home Office sind – durch online Treffen zusammen zu bringen. Hier sollten Kolleg*innen die Möglichkeit haben, ihre neue Arbeitssituation und Probleme anzusprechen und kollektiv zu diskutieren, welche Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber erhoben werden müssen und wie diese gemeinsam umgesetzt werden können. Zudem sollten aktive Kolleg*innen in Aktionskonferenzen zusammen gebracht werden, um über gemeinsame Forderungen für den Schutz der Gesundheit zu diskutieren, genauso wie über weitere Angriffe gegen ihre Arbeitsbedingungen oder drohenden Arbeitsplatzabbau.
In Großbritannien hat die Lehrer*innengewerkschaft kürzlich eine Online-Veranstaltung mit 400.000 Lehrer*innen durchgeführt. Lehrer*innen haben sich geweigert, in unsicheren Verhältnissen zu arbeiten. Das zwang die Johnson-Regierung dazu, die geplanten Schulöffnungen Anfang Januar auszusetzen.
Die Gewerkschaften und die Partei DIE LINKE müssen unmittelbar eine Kampagne für eine andere Corona-Politik starten. Diese muss auch Massenmobilisierungen (natürlich unter Einhaltung von Hygienekonzepten) und Streiks beinhalten.
Krise als Chance? Für Sozialismus!
Zu Beginn der Pandemie gab es Hoffnungen bei Vielen, dass diese zu einem Umdenken in der Wirtschaftspolitik der Herrschenden führen würde. Ein Jahr später ist klar: Pustekuchen! Es geht weiter wie bisher. Die Interessen der Banken und Konzerne stehen weiter im Mittelpunkt, das Gesundheitswesen wird nicht in öffentlicher Hand ausgebaut, die Umwelt wird weiter verpestet und die Kapitalisten bereiten sich darauf vor, die Arbeiter*innenklasse für die Kosten der Krise und der Pandemiebekämpfung zur Kasse zu bitten.
Ebenso wie der Klimawandel zeigt die Pandemie: es ist das kapitalistische System, das solche Katastrophen hervorruft (siehe dazu diesen Artikel aus dem Buch „Pandemische Zeiten“) und im Rahmen des kapitalistischen Systems wird es keine Lösung dieser Probleme geben. Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Kämpfe für Gesundheits- und Umweeltschutz und für die sozialen Rechte der arbeitenden Bevölkerung mit dem Kampf für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft verbinden. Ohne eine solche wird das Leben im Kapitalismus ein Horror ohne Ende für einen großen Teil der Weltbevölkerung bedeuten.
Wir fordern:
* Statt Komplett-Lockdown im Privatleben und Fortsetzung unnötiger Produktion: Schließung aller Fabriken und Betriebe, die nicht zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung nötig sind, es sei denn Belegschaften, Gewerkschaften und Betriebsrät*inne stimmen einem Weiterbetrieb auf Basis funktionierender Hygienekonzepte bzw. durch Homeoffice zu; Garantierte Lohnfortzahlung im Falle von Schließungen;
Öffnung von Kultureinrichtungen, Zoos, Freizeiteinrichtungen, Sportstätten etc. auf Basis einer demokratischen Kontrolle der Einhaltung von Hygienekonzepten durch demokratisch gewählte Vertreter*innen der Beschäftigten, Gewerkschaften, Anwohner*innen und Wissenschaftler*innen
* Ausstattung aller Schulklassen mit Luftfiltern
* Kostenlose Bereitstellung von Masken für alle Schüler*innen und Lehrer*innen
* Halbierung der Klassen – Entscheidung von demokratisch gewählten Vertreter*innen von Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen über Schulschließungen bzw. -öffnungen
* Einstellung von Personal um die Betreuung der Schüler*innen zu gewährleisten, wenn sie nicht am Unterricht teilnehmen können
* Nutzung von Kongresszentren, Hotels etc. für diejenigen Schulen, der räumliche Verhältnisse zu beengt sind, um Abstandsregeln einzuhalten
* Vervielfachung der Schulbusse, um Abstandsregeln auch beim Schulweg einhalten zu können
* Investitionsprogramm Bildung für Lehrer*innen-Neueinstellungen, Digitalisierung, Laptops für alle Schüler*innen, Gebäudesanierung etc.
*Massive Ausweitung der Corona-Tests. Kombination von flächendeckenden Schnelltests und Labortests. Ausarbeitung und Umsetzung einer verbindlichen Teststrategie, um Risikogruppen, Krankenhaus- und Pflegepersonal, Schüler*innen, Lehrer*innen, Erzieher*innen etc. ausreichend und kostenlos zu testen; Schnelltests für alle, um soziale Kontakte zu ermöglichen – private Labore unter demokratische, öffentliche Kontrolle – Preisobergrenzen für Corona-Tests einführen
*Öffentliche und demokratische Kontrolle über die Weiterentwicklung und Herstellung von Impfstoffen; massive Ausweitung der Impfstoffproduktion unter öffentlicher Kontrolle – Offenlegung der Forschungsergebnisse, Überführung privater Forschungseinrichtungen und der Pharmaindustrie in öffentliches, demokratisch kontrolliertes und verwaltetes Eigentum
*Einrichtung einer zentralen Forschungskommission in öffentlicher Hand und demokratisch durch Wissenschaftler*innen und gewählte Vertreter*innen aus Gewerkschaften und Belegschaften organisiert, um die vielfältigen Forschungsergebnisse zusammenzutragen, auszuwerten und gemeinverständlich zu publizieren
*Ausarbeitung eines an den Bedürfnissen des Gesundheitsschutzes und der Bevölkerung orientierten Pandemieplans für zukünftige Pandemien, Einrichtung ausreichender Lagerbestände an medizinischen Masken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und anderem nötigen Material nicht für einen Monat, wie von der Regierung beschlossen, sondern für mindestens sechs Monate.
*Risikozuschläge für Beschäftigte, die sich erhöhter Gefahr aussetzen müssen.
*Ausreichend Schutzkleidung und Masken für Beschäftigte im Gesundheitswesen und der Pflege, kostenlose Abgabe in ausreichender Zahl von hochwertigen Masken an Menschen aus Risikogruppen und sozial Benachteiligte
*Voller Lohn für alle Beschäftigten, die freigestellt sind oder wegen Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen
*Massive Investitionen ins Gesundheitswesen – Personalbemessung nach Bedarf jetzt! Abschaffung der Fallkostenpauschalen – Übernahme aller Kosten
*Ausbau der Gesundheitsämter durch Neueinstellungen und Einsatz von Call Center-Beschäftigten (zu den Tariflöhnen des öffentlichen Dienstes) und Bundeswehrsoldat*innen in zivil und außerhalb des Bundeswehr-Kommandos
*Überführung aller privaten Krankenhäuser in öffentliches Eigentum – Für ein staatliches Gesundheitswesen unter Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten, Gewerkschaften und Kommunen/Länder
*Ausbau des ÖPNV durch Investitionen in neue Busse und Bahnen, Einsatz der Fuhrparks privater Busunternehmen und massive Neueinstellungen
*Demokratische Rechte verteidigen – Entscheidung über Demonstrations- und Versammlungseinschränkungen durch Gewerkschaften und demokratisch gewählte Komitees in den Betrieben und Nachbarschaften
*Corona-Abgabe für Millionär*innen: dreißig Prozent ab der ersten Million!
*Keine Millionenhilfen für Banken und Konzerne, aber effektive Hilfe für Studierende, Erwerbslose, Selbständige, Kleinunternehmer*innen
*Öffnung der Geschäftsbücher der Banken und Konzerne
*Überführung von Banken und Konzernen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
*Wir zahlen nicht für die kapitalistische Krise – Nein zu Arbeitsplatzabbau und Entlassungen, Sozialabbau, kommunalen Kürzungen und Abbau von Arbeiter*innenrechten – Gewerkschaften und LINKE müssen jetzt den Widerstand organisieren und zusammen fassen
*Statt Marktkonkurrenz und Profitwirtschaft – demokratische Wirtschaftsplanung und internationale Kooperation – für sozialistische Demokratie weltweit!