Manifest-Verlag veröffentlicht Studie über die Ursachen des Stalinismus
Als in den 1990er Jahren die stalinistischen Diktaturen in Osteuropa kollabierten, prophezeiten bürgerliche Historiker*innen das Ende der Geschichte. Der Stalinismus und sein Zusammenbruch war für sie der Beweis, dass eine Alternative zum Kapitalismus nicht möglich ist. Aber inzwischen suchen immer mehr Menschen einen Ausweg aus den Schrecken des Kapitalismus. Um glaubwürdig eine sozialistische Alternative zu präsentieren, ist es nötig zu verstehen, wie es zum Stalinismus kommen konnte und dass ein anderer Weg möglich gewesen wäre.
Von Jens Jaschik, Dortmund
Im Februar erscheint im Manifest Verlag George Collins‘ Buch „Wie die Bürokratie die Macht eroberte“. In diesem erklärt Collins anschaulich, wie es von der russischen Oktoberrevolution zur bürokratischen Konterrevolution kam, wieso auf Arbeiter*innenmacht und Rätedemokratie die Herrschaft einer bürokratischen Elite folgte. Der Autor versucht dabei nicht einen ahistorischen Objektivismus einzunehmen sondern ist absolut parteiisch. Er macht keinen Hehl daraus, dass er auf der Seite der linken Opposition um Leo Trotzki steht, die gegen die Entartung der Sowjetunion kämpfte. Es ist dieses klare Bekenntnis zu den Prinzipien des Sozialismus – Arbeiter*innenmacht und Internationalismus – und die Anwendung der marxistischen Methode, die es Collins überhaupt ermöglichen, zu einem wirklichen wissenschaftlichen Verständnis der Bürokratisierung der Sowjetunion zu gelangen und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Marxistisches Lehrbuch
Als Collins das Buch 1987 schrieb, war er Mitglied der südafrikanischen Sektion des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale, welche damals als “Marxistische Arbeiter*innentendenz im ANC” aktiv war. Der ANC, der von der Kommunistischen Partei dominiert wurde, führte den Kampf gegen das Apartheidsregime an. Obwohl die südafrikanische KP sich von den Verbrechen Stalins distanziert hatte, konnte sie genauso wenig wie die bürgerlichen Historiker*innen eine Antwort auf den Stalinismus geben, die über moralisches Wehklagen hinausging. Und auch ihre Politik unterschied sich nicht von der außenpolitischen Leitlinie Moskaus. Sie erklärten, dass es in Südafrika keine Basis für eine sozialistische Demokratie gebe und man erst eine kapitalistische Entwicklung durchmachen müsste. Collins‘ Ziel war es, jungen Arbeiter*innen ein marxistisches Verständnis für die stalinistische Degeneration der Sowjetunion zu geben und sie für die sozialistische Revolution zu bewaffnen.
Das Buch bietet den perfekten Einstieg für ein Verständnis der Ursachen des Stalinismus. Es ist verständlich geschrieben, ohne dabei nur an der Oberfläche zu kratzen oder sich im Detail zu verlieren. Besonders für Lesekreise ist es gut geeignet, da am Ende der Abschnitte Diskussionsfragen aufgeworfen werden, die es ermöglichen, das zuvor Gelernte selbst anzuwenden. Außerdem folgen nach jedem Kapitel weiterführende Leseempfehlungen, die es ermöglichen, sich mit einzelnen Fragen detaillierter auseinanderzusetzen.
Aktualität
In der Geschichtsschreibung wird in den meisten Fällen erklärt, dass der Weg zur Diktatur schon in der Oktoberrevolution selbst festgeschrieben war, wenn nicht sogar früher. Dabei werden die stalinistischen Mythen übernommen, dass Stalin die Tradition Lenins fortsetzte und die degenerierten Arbeiterstaaten dem Sozialismus oder Kommunismus entsprächen. Collins erklärt an Hand der dialektisch-materialistischen Methode, wie sich in dem jungen Arbeiter*innenstaat eine parasitäre Clique an die Spitze der Planwirtschaft stellte und es wird schnell klar, dass die Partei Lenins und Stalin Ströme aus Blut trennen.
Wenn wir die Argumente unsere politischen Gegner*innen entwaffnen und die Mehrheit der Menschen von einem sozialistischen Programm überzeugen wollen, ist es wichtig zu verstehen, was der Stalinismus war – und was nicht. Collins‘ Buch kann als erster Schritt bei der Aneignung dieses Wissen dienen.
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