Interview mit Ursel Beck, Kandidatin zur Landtagswahl für den Wahlkreis IV in Stuttgart.
Wahlkampf unter Corona-Bedingungen. Wie geht das?
Die politische Arbeit ist enorm erschwert. Das fängt schon mit der innerparteilichen Debatte an. Auch wenn es zugelassen ist, dass Parteien sich treffen. Die Abstands- und Hygieneregeln müssen eingehalten werden. Für zwanzig Leute, die sich treffen, brauchen wir einen großen Raum. Die sind aber gerade in den Städten Mangelware und sehr teuer. DIE LINKE kann sich das gar nicht leisten. Das kommt einem Abbau von Demokratie gleich. Hinzu kommt, dass wir Mitglieder haben, die zu den Hochrisikogruppen gehören und verständlicherweise Versammlungen in geschlossenen Räumen und manche auch auf Plätzen meiden. Sie fallen auch als Wahlkämpfer*innen ganz oder teilweise aus. Der Landesparteitag zur Verabschiedung des Landtagswahlprogramms hat als Hybrid-Veranstaltung stattgefunden und wurde auf einen Tagungstag verkürzt.
Was fiel dann hinten runter?
Es wurden nur Anträge behandelt, die sich auf das Wahlprogramm bezogen. Die Redezeit in der Generaldebatte wurde auf zwei Minuten gekürzt und auch in der Antragsdebatte zum Wahlprogramm gab es nur eine Minute für die Begründung, je eine Minute für eine Für- und eine Gegenrede und dann die Abstimmung. Wir hatten außer Anträgen zum Wahlprogramm weitere Anträge gestellt: einen gegen Regierungsbeteiligung, einen Antrag zur 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich und einen Antrag für einen Facharbeiter*innenlohn für Landtagsabgeordnete. Diese Anträge konnten gar nicht behandelt werden.
Wie haben Sol-Mitglieder und die AKL in die Debatte um das Landtagswahlprogramm und den Landtagwahlkampf eingegriffen?
Ich hab in der Generaldebatte erklärt, dass in anbetracht der tiefen Krise des Kapitalismus, das Landtagswahlprogramm nicht bei der Verteilungsfrage stehen bleiben darf, sondern dass wir die Eigentumsfrage stellen und das Ziel Sozialismus offensiv vertreten müssen. Auch andere Delegierte unseres OVs und Delegierte, die der AKL angehören, haben sich zu Wort gemeldet. Wir hatten von der AKL 33 und vom Ortsverband Bad Cannstatt 13 Änderungsanträge zum Landtagswahlprogramm. Wegen dem Zeitdruck mussten wir dann auch noch einige Anträge zum Wahlprogramm zurückziehen und uns dann auf weniger Anträge konzentrieren
Der letzte Landesparteitag in Baden Württemberg hat ja einen Antrag zur sozialistischen Lösung der Krise der Autoindustrie beschlossen, der auch an den bevorstehenden Bundesparteitag der Linken ging. Findet sich diese Position im Landtagswahlprogramm wieder?
Leider nein. Dieser Antrag wurde zwar beim Landesparteitag im Februar 2020 mit deutlicher Mehrheit beschlossen. Zentrale Forderung ist die Überführung der Autoindustrie in Gemeineigentum und ihre Konversion. Jetzt ist es ja so, dass seit diesem Beschluss eine Arbeitsplatzvernichtungsorgie in der Auto- und Zulieferindustrie stattfindet. Es gibt also noch mehr gute Gründe, den Aktionären und Managern das Eigentum und die Kontrolle über diese für Baden Württemberg wichtigste Industrie zu entziehen. Leider gab es aber keine Mehrheit dafür, diese Position ins Landtagswahlprogramm zu schreiben. Gerade mal um die 30 Prozent stimmten dafür. Auch die Forderung nach Verstaatlichung der Pharmaindustrie fand keine Mehrheit.
Wie sieht der Wahlkampf in Deinem Wahlkreis aus?
Unser Ortsverband ist ohnehin sehr aktiv. Wir sind die einzige Partei, die auch außerhalb von Wahlkämpfen regelmäßig Infostände im Stadtteil macht. Durch die Mitarbeit in den Mieter*inneninitiativen und durch kontinuierliche Arbeit im Stadtteil sind wir gut verankert und gehen davon aus, dass wir wieder ein überdurchschnittliches Wahlergebnis erreichen und damit einen Beitrag leisten, dass die Linke endlich in den Landtag einzieht. Der Vorstand unseres Ortsverbandes ist sich einig, dass wir den Corona-Leugnern nicht den öffentlichen Raum überlassen dürfen. Deshalb waren wir weiter mit Infoständen und im Dezember mit einer Kundgebungen präsent. Weil wir de facto keine Veranstaltungen in geschlossenen Räumen machen können, ist es umso wichtiger das Versammlungsrecht zu nutzen. Hinzu kommt, dass uns im Dezember und Januar mit der Begründung von Corona von der Stadt Infostände verweigert wurden. Dann machen wir halt über das Versammlungsrecht Kundgebungen. Wir werden natürlich mehr als sonst Wahlkampf in den Sozialen Medien machen. Aber DIE LINKE darf nicht in dieser Blase bleiben. DIE LINKE muss vor allem die Nichtwähler*innen mobilisieren und direkt den Kontakt zu ihren potenziellen Wähler*innen und Unterstützer*innen suchen. Vor allem weil wir nicht nur Wählerstimmen wollen, sondern neue Mitglieder und Aktive. Weil wegen Corona viel weniger Leute unterwegs sind, legen wir einen Schwerpunkt auf Haustürwahlkampf. Und das Verteilen von Flyern in Briefkästen wird wichtiger. In unserem Ortsverband machen zusätzlich zum landesweiten Wahlmaterial eigene Flyer mit sozialistischer Ausrichtung. Veranstaltungen werden wir aber nur online machen. Jedenfalls so lange die Ausgangssperre besteht und die Infektionszahlen so hoch sind. Wir verbinden den Wahlkampf auch gezielt mit einer Kampagne gegen die geplante Mieterhöhung bei der städtischen Wohnungsgesellschaft. Diese Kampagne wird dann nach dem Wahlkampf intensiviert und nicht nur von der LINKEN, sondern auch von der SWSG-Mieterinitiative geführt. Diese Mieterhöhung trifft 18.000 Haushalte und wir wollen sie verhindern. Jeder und jede kann unseren Wahlkampf online verfolgen unter facebook: DIE LINKE Stuttgart Bad Cannstatt Mühlhausen Münster.
Ursel Beck ist auch Mitglied im Bundesvorstand der Sol und langjährige Aktivistin der Stuttgarter Mieter*inneninitiativen und der Gewerkschaftslinken.
Den Wahlkampf verfolgen kann man auf facebook auf der Seite DIE LINKE-Stuttgart-Bad-Cannstatt-Mühlhausen-Münster