Telekom verstaatlichen statt weiterer Ausverkauf

Von der „Volksaktie“ zum Hedgefonds

Nach den letzten Rettungspaketen für große Konzerne und dem teilweisen Einstieg des Staates in Unternehmen, die trotz Bonizahlungen an den Vorstand kurz vor der Pleite stehen, wie bei der Lufthansa, hat der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier neben steuerlichen Erleichterungen, die Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen und Einsparungen bei den Ausgaben eine weitere nicht ganz neue Idee, wie ein Teil dieser Kosten wieder rein kommen soll: durch den Verkauf der verbliebenen Anteile an Post, Telekom und dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz.

Von Alexandra Arnsburg, Beschäftigte Deutsche Telekom Service Berlin

Die in den 60er Jahren begonnene Diskussion über die Privatisierungen öffentlicher Daseinsfürsorge wurde in den 80er Jahren durch die Postreform I und in den 90er Jahren durch die Postreform II und den anschließenden Börsengängen 1996, 1999 und 2000 fortgesetzt. Dies soll nun in der kompletten Veräußerung der vom Bund gehaltenen Aktien ihren Abschluss finden. Private Konsument*innen und die Beschäftigten zahlen am Ende doppelt die Zeche für diesen Jahrzehnte anhaltenden Ausverkauf. Aktuell hält der Bund noch 21 (Post) bzw. 32 Prozent (Telekom) an Beteiligungen in den ehemals staatlichen Infrastrukturbetrieben.

Eine flächendeckende, funktionierende und schnelle Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil der notwendigen Infrastruktur für das Produzieren von Gütern und die Erbringung von Dienstleistungen, sondern inzwischen auch eine der Voraussetzungen für fast alle Menschen um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Ein so wichtiger und tiefgreifender Bereich der Wirtschaft und des Sozialgefüges sollte eigentlich jedem und jeder frei zur Verfügung stehen und langfristig und stabil geplant und ausgebaut werden; nicht jedoch den Spekulationen einiger weniger Kapitalanleger ausgesetzt sein. Da dieser Auftrag an den Staat und der Grundsatz der Gleichheit in der Versorgung mit grundlegender Infrastruktur für die Bevölkerung sogar bis in die 90er Jahre im Grundgesetz festgeschrieben stand, musste ein langer Weg mit viel Gegenwind von der Gewerkschaft (DPG) und diversen Initiativen beschritten werden.

Letztendlich stimmte auch eine Mehrheit der damals noch eng mit der DPG verbandelten SPD-Abgeordneten für die Postreform I und einige Jahre später für die Postreform II womit der ganze Sektor „dem staatlichen Zugriff entzogen und den Imperativen privater Kapitalverwertung unterworfen“ (M. Schwemmle Operation gelungen. Die Privatisierung der Deutschen Telekom Seite 9) wurde. Das bedeutet, ein ganzer Bereich grundlegender öffentlicher Daseinsversorgung wird – und damit die Entscheidung darüber, welche Internetverbindungen und Mobilfunknetze wo und wie ausgebaut und betrieben werden – privaten Profitinteressen untergeordnet. Und nicht nur Netze und Dienstleistungen wurden zu Ware, sondern auch der darüber vermittelte Inhalt. Der Vermarktung und der Erfassung und Verarbeitung persönlicher Daten sind über Plattformen wie Google, Amazon, Facebook, die die Telekommunikations-Infrastruktur nutzen, scheinbar keine Grenzen gesetzt.

Kapital sucht Profit

Weltweit gab es schon weitergehende Privatisierungen in Japan, Großbritannien und den Niederlanden und Pläne dafür in Belgien und Frankreich. Die Kriterien des Maastrichter Vertrags 1992 und die damit reglementierte Staatsverschuldung hatten ordentlich Wasser auf die Privatisierungsmühlen gegossen und auch weniger konservative und kapitalmarktorientierte Regierungen in die Enge getrieben. Hintergrund dafür war und ist der Druck von Kapitalseite, Bereiche zugänglich zu machen, worin die Unmengen brach liegenden Kapitals profitabel angelegt werden konnten. Bis heute liegen 15,8 Billionen weltweit in Anleihen mit negativen Zinsen, eine Zunahme von fast sieben Billionen in vier Jahren (FAZ 6.8.20).

Als Begründung für die Zerschlagung der Bundespost in die Teilbetriebe Post, Telekom und Postbank mussten Scheinargumente wie die Fesseln der staatlichen Bürokratie, Schulden, mangelndes Kapital für Investitionen und mangelnde Flexibilität des Unternehmens und der Beschäftigten herhalten, die lediglich vertuschen sollten, dass es darum geht, privatem Kapital zu ermöglichen aus einem ehemals staatlichen Sektor Profit zu generieren. Die Verschuldung war durch hohe Staatsabgaben zum Teil selbst verursacht und hätte durch eine Investitionsprogramm und vorübergehende Senkung der Abgabe bis hin zur Abschaffung bei größerem Bedarf reduziert werden können. Trotz der sogenannten Fesseln konnte das bürokratische Monster Bundespost Milliardengewinne erwirtschaften, neue Übertragungswege entwickeln und auch internationale Verknüpfungen wie mit der France Telekom oder Mavak Ungarn aufbauen. Flexibilität in Hinsicht auf Beschäftigung hieß und heißt nichts weiter als die Möglichkeit für die Arbeitgeberverbände Tarifverträge aufkündigen und zu verschlechtern, nicht profitable Unternehmensteile abstoßen, Arbeitsplätze zu vernichten und aus den verbliebenen Beschäftigten mehr für weniger Geld raus pressen zu können.

Schon sehr früh war klar, das der Telekommunikationssektor ein Bereich mit großen Gewinnchancen ist. Die weltweiten Umsätze waren bereits 1990 auf 406 Milliarden US-Dollar gestiegen und die Prognosen versprachen eine Verdopplung in nur wenigen Jahren. In Deutschland wurde ein Wachstum binnen zehn Jahren um achtzig Prozent erwartet. Aktuell liegen die Umsätze allein der zehn größten Unternehmen bei 920 Milliarden US-Dollar! (Capital 21.2.21) Und allein in Deutschland konnte die ITK-Branche ihren Umsatz in 2019 um zwei Prozent auf über 170 Milliarden Euro steigern (Bitkom). Um diese Profite möglichst komplett abzuschöpfen, mussten Ausgaben für eine sozial gerechte Versorgung, die Arbeitsbedingungen und Löhne massiv abgesenkt, Alleinrechte für Dienste und Endgeräte für öffentliche Anbieter*innen abgeschafft und der Einfluss der Gewerkschaft zurückgedrängt werden. Diese hatte die Risiken erkannt und zu einer breiten Aufklärungs- und Protestkampagne aufgerufen auf deren Höhepunkt knapp 60.000 Menschen 1988 in Bonn demonstrierten und noch bis 1994 größere Mobilisierungen stattfanden. Letztendlich hat sich der längere Atem für die Großanleger*innen gelohnt, garantierte Dividenden in Rekordhöhen über Jahre ermöglichten Ausschüttungen von über drei Milliarden Euro pro Jahr.

Folgen der Privatisierung

Die Voraussagen der DPG von 1988 und von Mitgliedern der Sol (damals als marxistische Gruppe VORAN in SPD und Jusos) haben sich größtenteils bewahrheitet. Während die Preise für die teuren Auslandsverbindung und Übertragungswege – also die vorwiegend geschäftlich genutzte Telekommunikation – sanken und es viele Vergünstigungen für Geschäftskund*innen gibt, sind die Grundgebühren für einen einfachen Anschluss gestiegen. Gleichzeitig sind heute von 225.000 Beschäftigten im Inland (1994) nur noch 96.018 (2019) übrig. Die verlorenen Arbeitsplätze schlagen auch nicht bei anderen Anbieter*innen zu Buche. Insgesamt verlor die Telekommunikationsbranche von 240.000 Beschäftigten (2000) knapp 100.000 Arbeitsplätze (2019: 143.800 FTE – Vollzeitstellen). (Schwemmle Seite 168/169). Auch Zulieferer- und Ausrüsterbetriebe waren Opfer der Sparpolitik der Privaten, Siemens musste sich aus der Telekommunikationsbranche fast völlig zurückziehen. Der mit der Privatisierung versprochene komplette Ausbau des Breitbandnetzes und des Mobilfunks ist nicht erfolgt. Anschlüsse und Masten auf dem flachen Land werfen einfach keinen Gewinn ab. Wo es Funklöcher und sogenannte weiße Flecken gibt, muss per gesetzlich verankerter Aufgaben dann der Staat wieder „eingreifen“. Das darf er aber nicht mit Bestimmungen und Auflagen oder gar Strafen, sondern lediglich indem er Geld (Förderprogramme) gibt oder einen Teil der Aufgaben für die Koordinierung des Ausbaus wieder selbst übernimmt wie am Beispiel der Idee der Gründung einer staatlichen Glasfasergesellschaft im unterversorgten Thüringen im letzten Jahr deutlich wird. Kosten werden verstaatlicht, während die Gewinne weiter privat bleiben. Um dieses Verhältnis möglichst noch zu vergrößern sind Vorschläge wie Altmaiers Ausverkauf des „Tafelsilbers“ gut geeignet. Denn so kann für eine kurzfristige Finanzspritze in die Staatskassen in Zukunft der ganze Gewinn vor allem bei privaten Großanleger*innen wie BlackRock ankommen. Dafür wird sogar die letzte Möglichkeit, mit dem Aktienanteil von knapp einem Drittel bei der Telekom Entscheidungen im Aufsichtsrat zu blockieren, aus der Hand gegeben, auch wenn diese in der Vergangenheit kaum genutzt wurde um Stellenabbau, Standortschließungen und Verschlechterungen für Nutzer*innen und Beschäftigte zu verhindern.

Ausverkauf stoppen – Telekom verstaatlichen

Die ITK-Abteilung von ver.di erklärt richtigerweise, dass der Verkauf der Aktien von Post und Telekom nur eine einmalige Einnahme bedeuten würden und weitere Angriffe auf die Beschäftigten und weiteres Rosinenpicken die Folge sein werden. Sie verweist auch auf die Möglichkeit gerade jetzt, die Corona-Krise zu nutzen um über die Finanzierung gesellschaftlich Aufgaben neu zu diskutieren, zum Beispiel über eine Vermögensabgabe. Doch soll das durch die Bundesregierung umgesetzt werden? Um den Kurs einer Regierung, ob CDU oder SPD geführt, mit oder ohne FDP und Grüne, der seit Jahrzehnten an den Interessen des Kapitals ausgerichtet ist um 180 Grad zu wenden, ist mehr nötig als ein zweizeiliger Appell in einer online Erklärung! Ver.di, DIE LINKE und Verbraucherinitiativen sollten eine breite Kampagne starten, mit der über die Folgen der Privatisierungspolitik massenhaft in Betrieben und Stadtteilen aufgeklärt wird, Aktive vernetzt werden und schließlich gemeinsam diskutiert wird, mit welchen Protesten und Aktionen bis hin zur bereits 2011 vom ver.di Bundeskongress beschlossenen Durchsetzung des politischen Streiks, die öffentliche Daseinsvorsorge raus aus Unternehmerhand zurück in Gemeineigentum überführt werden kann.

Trotz massiver Gewinne und positiver Ausblicke seitens des Vorstandes stehen erneut Standortschließungen in der T-Shop Gesellschaft und bei T-System an und im Technikbereich sollen tausende Stellen wegfallen und bei Mobilfunk und Festnetz jedes Jahr 2000 Arbeitsplätze (faz.net). Auch bei IBM werden dieses Jahr allein in Deutschland 1000 Stellen vernichtet, mehrere tausend in Großbritannien. Wenn gesagt wird, dass sei nötig aufgrund des Konkurrenzdrucks, dann spricht das gegen ein System in dem öffentliche Daseinsvorsorge dem Markt und damit dem Prinzip schneller Gewinne und Konkurrenz ausgeliefert wird. Die Produktivitätssteigerungen könnten ein Hebel sein zur Kostensenkung für private Nutzer*innen und für eine Arbeitszeitverkürzung angefangen auf 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die üppigen Gewinne ließen sich für nötige Investitionen für einen nachhaltigen und umweltschonenden Ausbau verwenden. Der Konkurrenzdruck verursacht eine Menge Verschwendung, zum Beispiel mehrere Milliarden pro Jahr für Werbung und den parallelen Bau von Netzen und Transportketten. Ein einheitliches gut planendes staatliches Unternehmen könnte dies beseitigen und weitere Vorteile schaffen, wie eine Anlaufstelle für Nutzer*innen für Telefon, Internet, Postdienste und Bankgeschäfte.

Nicht nur Post und Telekom und alle anderen Bereiche der Grundversorgung der Bevölkerung müssen raus aus privater Hand und in Gemeineigentum überführt und unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten gestellt werden, sondern alle großen Konzerne und die Banken. Dann entscheiden, diejenigen, die die Netze bauen, die Endgeräte produzieren und Anschlüsse verwalten und Nutzer*innen welche Investitionen gesellschaftlich sinnvoll sind und wie eine flächendeckende Versorgung aller mit einer guten Telekommunikationsinfrastruktur und wohnortnahen Zugang zu Postdiensten ermöglicht werden kann.