Kämpfen statt kuschen!
In der metallverarbeitenden Industrie steht derzeit eine der wichtigsten Tarifauseinandersetzungen dieses Jahres an.
von Torsten Sting, Rostock
Die Corona-Pandemie sorgt in Kombination mit der Wirtschaftskrise und angriffslustigen Arbeitgebern für eine Gemengelage, die die volle Kampfkraft der Gewerkschaft erfordert. Angesichts der großen Bedeutung der Metallindustrie kommt dieser Tarifrunde ein besonderer Stellenwert zu. Ein Erfolg der IG Metall ist mehr denn je auch im Interesse aller lohnabhängig Beschäftigten.
Wirtschaftliche Ausgangslage
Nach dem tiefen Einbruch im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erholten sich die Autokonzerne relativ schnell. Dennoch ist das eine mehr als fragile Erholung vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Lage, die sehr stark von der weiteren Entwicklung der Pandemie abhängig ist.
Hinzu kommt, dass insbesondere die Autoindustrie einem verschärften, internationalen Druck ausgesetzt ist – infolge stärkerer Konkurrenz wie etwa Tesla. Die deutschen Konzerne wollen die Kosten ihres technologischen Rückstands in Bezug auf die Elektromobilität auf den Rücken der Kolleginnen und Kollegen abwälzen.
Arbeitsplatzabbau
Häufig genug wird die „Transformation“ auch nur als Druckmittel benutzt, um klassische Lohndrückerei zu rechtfertigen, wie etwa die Verlagerungen bei Daimler gen Osteuropa. Trotz Krise machen noch immer etliche Firmen hohe Gewinne und dennoch wird bei Konzernen und mittelständischen Betrieben ein massiver Arbeitsplatzabbau oder gar Werksschließungen auf den Weg gebracht. Leider sind die führenden IG Metall-Funktionär*innen ihren Ideen, die sich im Rahmen der kapitalistischen Logik bewegen, treu geblieben und haben in vielen Fällen der Vernichtung von Jobs mittels Sozialplänen zugestimmt. Aber gerade in diesen Zeiten der verschärften Krise und des erhöhten Drucks des Kapitals ist es wichtiger denn je, dass die Gewerkschaften grundlegende politische Alternativen anbieten können und den Kampf um jedes Werk und jeden Arbeitsplatz organisieren. Hierbei muss die IG Metall auch Wege aufzeigen, wie mit einer Ausweitung des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs (anstatt auf nicht weniger umweltschädliche E-Autos) die Arbeitsplätze durch entsprechende Produktionsumstellung gesichert werden könnten. Die Tarifrunde ist auch in dieser Hinsicht wichtig, dass Kolleginnen und Kollegen an der Basis sich zusammenschließen und die verschiedenen Themen miteinander verbinden und diskutieren können.
Forderungen der IG Metall
„Bis zu vier Prozent“ fordert die Gewerkschaft als Erhöhung für die Entgelt- bzw. Ausbildungsvergütungen. Darin eingeschlossen sind bereits „Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung“ wie Arbeitszeitverkürzung mit „Teilentgeltausgleich“. Zudem strebt die IG Metall einen tariflichen Rahmen für betriebliche „Zukunftstarifverträge“ an, in denen Investitionen in den jeweiligen Betrieb festgeschrieben werden sollen. Zudem sollen die Arbeitszeiten in Ostdeutschland jenen im Westen angeglichen werden.
Nein zu Verzicht
Wenn man zum Ausgangspunkt nimmt, was die Kolleg*innen zum Leben brauchen, sind vier Prozent viel zu wenig – insbesondere dann, wenn die Arbeitszeitverkürzung bereits „eingepreist“ ist. Der große Haken ist hier, dass Entgelteinbußen billigend in Kauf genommen werden. Stattdessen muss eine Arbeitszeitverkürzung auf dreißig Stunden mit vollem Lohn- und Personalausgleich angestrebt werden. Mit diesem Schritt können viele Jobs gesichert und neue geschaffen werden.
Im Osten ist dreißig Jahre nach der Wende die Arbeitszeit noch immer um drei Stunden länger und eine Angleichung an den Westen mehr als überfällig!
Alle Alarmglocken müssen klingeln, wenn es um betriebliche „Zukunftstarifverträge“ geht. Das riecht nach „Standortbündnissen“ zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten, in denen meistens der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen mit Verzicht bezahlt wurde. Das muss verhindert werden!
Provokationen von Gesamtmetall
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sehen Teile des Kapitals wohl ihre Stunde gekommen, die Uhr zurückzudrehen. Die Metallarbeitgeber wollen eine Nullrunde und je nach wirtschaftlicher Entwicklung des jeweiligen Betriebes eine automatische Absenkung der Gehälter, wenn es schlecht läuft und sie wollen an Schichtzulagen ran.
Streiks vorbereiten
Die richtige Antwort darauf kann nur lauten, dass so schnell wie möglich die vereinzelten Warnstreiks im ersten Schritt zu einem Aktionstag zusammengeführt werden, an dem in allen Tarifbezirken die Arbeit niedergelegt wird. Im zweiten Schritt sollte dann die Urabstimmung eingeleitet und ein unbefristeter Arbeitskampf vorbereitet werden. Trotz Corona haben die letzten Monate gezeigt, dass unter Einhaltung der nötigen Sicherheitsvorkehrungen „reale“ Demonstrationen und Arbeitskämpfe möglich sind. Diese sollten natürlich begleitet werden von online-Konferenzen, in denen die Kolleg*innen auch zu Wort kommen können.
Kämpfe zusammen bringen
Diese Tarifrunde muss politisch geführt und mit dem Kampf vieler Belegschaften gegen Arbeitsplatzabbau und Verlagerungen verbunden werden. Wenn Kapitalist*innen Betriebe schließen wollen, muss die Verstaatlichung unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung gefordert werden. Die IG Metall bezieht sich selbst in ihrer Satzung auf die Neuordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die momentane Krise verdeutlicht drastisch das Versagen dieses Systems.
Siehe auch Flugblatt und Stellungnahmen bei der Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG): www.vernetzung.org