Dokumentiert: Erklärung der linksjugend[‘solid] Aachen
Im Aachener Continental-Werk gibt es einen Corona-Massenausbruch. Bereits am 12. Mai wurde der erste Kollege positiv getestet, weitere kamen hinzu. Mittlerweile sind 19 Kolleg*innen Corona-positiv, 130 müssen in Quarantäne. Die Produktion wird vorübergehend eingestellt (was nicht bedeutet, dass Kolleg*innen nicht weiter ins Werk müssten).
Wir haben massive Kritik an dem Vorgehen der Konzernführung. Sie hat bewiesen, dass Profite für sie über der Gesundheit der Angestellten steht.
Dass Continental für rücksichtslose Profitmaximierung steht ist dabei keine große Neuigkeit. So wurde im September 2020 die Schließung des profitablen Aachener Werks bekanntgegeben, 1800 Kolleg*innen werden bis Ende 2022 auf die Strasse gesetzt. Gleichzeitig werden Produktionskapazitäten in anderen Ländern ausgebaut, wo die Lohnkosten besser gedrückt werden können.
Während wir unser Privatleben massiv einschränken, um die Pandemie ein bisschen einzudämmen, läuft die Wirtschaft ohne größere Einschränkungen weiter. Wir haben oft davor gewarnt, dass Fabriken, Großraumbüros und ähnliche Arbeitsplätze stark ansteckungsgefährdend sind. Auch vor dem Massenausbruch bei Continental gab es zahlreiche Beispiele und auch Untersuchungen, die deutlich machen, dass Arbeitsstellen zu den größten Infektionstreibern gehören. Es ist schlimm, dass sich das nun ein weiteres mal zeigen musste – aber leider nicht überraschend. Es ist auch schlimm, dass die Produktion bei so hohen Inzidenzen wie in den letzten Wochen möglichst komplett aufrecht erhalten blieb – man hätte sie zumindest drastisch drosseln können. Ein Engpass an Reifen wäre durch ein paar Wochen gedrosselte Produktion nicht zu erwarten. Der Corona-Ausbruch ist die traurige Folge dieser Geschäftspolitik, die durch die politischen Entscheidungen der Regierenden gedeckt ist. Aber dass die Produktion nach dem Bekanntwerden des ersten positiv getesteten Mitarbeiters weitere sechs Tage laufen konnte ist ein Skandal. Selbst nachdem die vorübergehende Stillegung des Werks am 17. Mai beschlossen wurde musste die Frühschicht des 18. Mai noch antreten. Aus einem internen Papier, das uns vorliegt, geht außerdem hervor, dass, trotz der stark erhöhten Ansteckungsgefahr, so viele Kolleg*innen wie möglich weiter arbeiten sollen. So steht dort: „Mitarbeiter, die nicht unter die Quarantäneverordnung fallen und für die Produktion / Instandhaltung / Service des Werkes benötigt werden, müssen wie gewohnt ihrer Tätigkeit nachkommen.“
So wird dem Virus die Ausbreitung besonders leicht gemacht. Für den Versuch der Continental-Profiteure und anderer Kapitalisten, ihre Profite nicht zu gefährden, müssen wir zahlen: Mit unserer Gesundheit, und indem wir länger als nötig Einschränkungen hinnehmen dürfen.
Den Betroffenen Kolleg*innen wünschen wir natürlich eine schnelle und vollständige Genesung. Die Kolleg*innen, die weiter ins Werk müssen, haben unserer Meinung nach das volle Recht, alles zu tun, um sich und andere zu schützen. Das beinhaltet insbesondere das Recht, gegen die Infektionsgefahr in den sofortigen Streik zu treten und die Anordnung, zur Arbeit zur erscheinen, zu verweigern.
Konzerne wollen möglichst viel Profit machen. Continental beweist eindrucksvoll, dass das besonders gut geht, wenn man nicht alles mögliche tut, um Kolleg*innen zu schützen. Es ist nötig, daraus endlich die nötigen Schlussfolgerungen zu ziehen! Wir fordern eine Abkehr von der Corona-Politik, die die Profite schont! Stattdessen wollen wir eine Pandemie-Bekämpfung im Interesse der Arbeiter*innenklasse. Konkret heißt das:
➡ Impfkampagne maximal beschleunigen! Dazu ist die Abschaffung der Konkurrenz zwischen verschiedenen beteiligten Firmen nötig. Die Impfstoffproduktion muss schnell ausgeweitet werden, Produktionskapazitäten müssen unter staatliche Kontrolle gestellt werden. Die Patente müssen freigegeben werden.
➡ Schließung aller nicht benötigten Betriebe! Es sei denn, es wird ein überzeugendes Hygienekonzept vorgelegt und Gewerkschaften, Betriebsräte und Belegschaften stimmen dem zu. Im Falle von Schließungen: Garantierte Lohnfortzahlungen. Staatliche Unterstützung für kleine Unternehmen und Selbständige!
➡ Ausbau des ÖPNV! Überfüllte Busse und Bahnen darf es insbesondere in Pandemiezeiten nicht geben! Zusätzlich sollten Desinfektionsmittel- und Maskenspender installiert werden.
➡ Regelmäßige Massentests! Vor allem in Betrieben muss es regelmäßige verpflichtende Tests geben, um möglichst frühzeitig Infektionsträger isolieren zu können. Aber auch in den Vierteln müssen die Testangebote ausgebaut werden.
➡ Für mehr Corona-konforme Freizeitangebote! Führende Aerosol-Forscher sagen, dass mehr als 99 Prozent der Infektionen in Innenräumen geschehen. Aktivitäten an der frischen Luft sind relativ ungefährlich, soziale Kontakte sind überlebenswichtig.
➡ Schulen und Betriebe möglichst sicher machen! Luftfilter, Hygienekonzepte etc. müssen her, damit bei der nächsten Öffnung nicht die vierte Welle losbricht.
➡ Mehr Schutz für Betroffene von häuslicher Gewalt und Obdachlose! Öffnung leer stehender Häuser und Hotels, um Betroffenen häuslicher Gewalt und Obdachlosen eine sichere Bleibe zu ermöglichen.
➡ Keine Profite mit unserer Gesundheit! Private Pharma- und Gesundheitskonzerne enteignen! Weg mit der Fallkostenpauschale, für ein öffentlich finanziertes, am Bedarf orientiertes Gesundheitswesen! Deutliche Aufwertung der Pflegeberufe!
An die Kolleg*innen von Continental: Solltet ihr in den Streik treten oder andere Proteste gegen die Gefährdung eurer Gesundheit durchführen könnt ihr euch unserer Solidarität sicher sein. Wie bereits beim Kampf gegen die Schließung eures Werkes werden wir an eurer Seite stehen!
Solange die Inzidenzen noch so hoch sind muss schnell gehandelt werden! Die Produktion in nicht-essentiellen Wirtschaftsbereichen muss bei voller Lohnfortzahlung gestoppt oder auf ein Maß gedrosselt werden, dass Kolleg*innen ihre Arbeit unter Einhaltung von Mindestabständen ausüben können! Weil die Regierenden solche Maßnahmen kaum freiwillig einleiten werden – gefährdet das doch die Profite der Konzerne – müssen die Gewerkschaften handeln und für den Gesundheitsschutz ihrer Mitglieder kämpfen!