Homeoffice: Segen oder Fluch?

Beschäftigtenrechte durchsetzen!

Die Corona-Pandemie hat das Thema Homeoffice ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Es war aber auch schon davor eine Herausforderung für Beschäftigte und ihre Interessenvertretungen. Was zum Infektionsschutz sinnvoll und notwendig sein kann, muss nicht für “normale” Zeiten gelten. Es ist notwendig, dass die Gewerkschaften ein generelles Programm zum Homeoffice entwickeln, das die weitergehenden Folgen und Gefahren von dieser Arbeitsform für die abhängig Beschäftigten in den Blick nimmt. Dieser Artikel ist ein Beitrag für diese notwendige Diskussion und ein Vorschlag für Eckpunkte eines solchen Programms, das Aktivist*innen in den Betrieben dabei helfen kann die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu vertreten.

Von Torsten Sting, Rostock

Ein Jahr nach Beginn des Ausbruchs der Corona-Pandemie ist ein Ende nicht in Sicht. Auch wenn zum Zeitpunkt des Drucks dieser Ausgabe die Infektionszahlen in Deutschland sinken, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. 

Das Impfprogramm läuft infolge des Versagens der Herrschenden sehr schleppend an. Zudem sind einige Virus-Mutationen deutlich ansteckender und womöglich auch gefährlicher. Es ist also immer noch von zentraler Bedeutung, dass Schutzmaßnahmen ergriffen, persönliche Begegnungen eingeschränkt und größere Menschenansammlungen, insbesondere innerhalb von geschlossenen Räumen, vermieden werden. Daher ist es auch prinzipiell richtig, Forderungen an die Arbeitgeber zu richten, Homeoffice zu ermöglichen und sie in letzter Konsequenz auch gesetzlich dazu zu verpflichten. 

Es ist bezeichnend, wie lange die Bundesregierung brauchte, um ihren Freund*innen in den Konzernetagen mit einer staatlichen Maßnahme ein wenig Druck zu machen. Während unser Privatleben immer mehr eingeschränkt wurde, nahmen Merkel und Co. es hin, dass das Kapital im Winter deutlich weniger Homeoffice angeboten hat, als noch im letzten Frühjahr, zu Beginn der Pandemie. Nun hat die Bundesregierung eine Verordnung auf den Weg gebracht, mit der sie die Arbeitgeber zu mehr Homeoffice bringen will. Ob diese jedoch den erwünschten Effekt haben wird, bleibt offen, da letztlich die Beschäftigten ihr Recht aktiv in Anspruch nehmen müssen, was in Betrieben ohne Betriebs- und Personalräte bzw. gewerkschaftliche Vertretung oftmals schwer umsetzbar sein wird. 

Recht auf Homeoffice 

Eine zentrale Frage ist, wie das Arbeiten im Homeoffice konkret umgesetzt wird. Zum einen sollten wir in den Betrieben und in den Gewerkschaften dafür eintreten, dass die Arbeitgeber auch wirklich überall dort, wo es von den Arbeitsanforderungen her auch möglich ist, Homeoffice anbieten. Wenn es keine Betriebsräte gibt, sollten demokratisch gewählte Vertreter*innen der Belegschaften darüber wachen. 

Natürlich sind auch die zuständigen, staatlichen Behörden gefragt die Arbeitgeber zu kontrollieren. Es sollte Möglichkeiten zur anonymen Anzeige von Unternehmen geben, die Homeoffice nicht anbieten, die dann umgehend verfolgt werden müssen. Trotzdem gilt: auf staatliche Stellen sollten wir uns nie verlassen.

Kein Druck auf Beschäftigte

Viele Kolleginnen und Kollegen wollen derzeit im Homeoffice arbeiten, um sich keinem erhöhten Infektionsrisiko auszusetzen. Dennoch gibt es auch für nicht wenige das Bedürfnis, nach wie vor ins Büro zu kommen, weil es die häuslichen Umstände einfach nicht erlauben, dort zu arbeiten. Oder weil das monatelange alleine sein eine zu hohe Belastung darstellt und persönliche, soziale Kontakte wichtig sind um nicht psychisch zu erkranken. Es muss deswegen sichergestellt werden, dass die Betriebsräte und die betroffenen Beschäftigten das Recht haben „Nein“ zu sagen. Niemand darf zum Homeoffice gezwungen werden. 

Daher stellt sich die Aufgabe in den Betrieben für wirksame Hygienekonzepte und für die Einrichtung von Pandemieräten durch die Beschäftigten in den Betrieben einzutreten, sowie zu fordern, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in den Zeiten des Lockdowns nicht eingeschränkt wird, wie es zum Beispiel in Rostock der Fall ist. Im Gegenteil ist eine Ausweitung des ÖPNV auch jetzt nötig, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Sind Unternehmen nicht in der Lage, wirksame Hygienekonzepte umzusetzen, müssen sie geschlossen und die Beschäftigten bei voller Lohnfortzahlung vorübergehend frei gestellt werden. 

Kosten

Ein zentraler Streitpunkt bei dem Thema ist natürlich das liebe Geld. Es gibt unzählige Firmen, bei denen sich die Beschäftigten um wirklich alles selber kümmern müssen. Da werden Stühle, Tische, technisches Equipment etc. auf eigene Kosten angeschafft. So kommen schnell mehrere hundert Euro zusammen. Hinzu kommt, dass im Winter die Heizkosten deutlich steigen, Strom, Wasser und Kaffee, die Nutzung der Toilette usw. bezahlt werden muss. Die ergonomisch korrekte Einrichtung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsschutz wird an die Beschäftigten delegiert nach dem Motto: „Macht mal schön selber“. Also alles das, was im Normalfall der Unternehmer zahlen muss, wird nun zur „Privatsache“ erklärt. Dem müssen insbesondere die Gewerkschaften einen Riegel vorschieben. Eine Kampagne zum Abschluss von Tarifverträgen ist nötig, um dem Wildwuchs und der Vereinzelung Einhalt zu gebieten. In Abstimmung mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen muss den Betriebsräten und Gewerkschaften ermöglicht werden, die Arbeitsplätze zu kontrollieren.

Objektive Ursachen

Bereits vor der Pandemie haben etwa zwanzig Prozent der Arbeitenden ihren Job von zu Hause aus erledigt, durch diese ist der Anteil der Menschen die von zu Hause aus arbeiten, sprunghaft angestiegen. Viele Betriebe haben aus der Not eine Tugend gemacht. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren und damit Arbeitskräfteausfall vorzubeugen, wurden auf dem zwischenzeitlichen Höhepunkt der Pandemie viele Beschäftigte nach Hause geschickt.

Es ist absehbar, dass nicht wenige Unternehmer spätestens jetzt auf den Geschmack gekommen sind und auch nach der Krise verstärkt auf diese Arbeitsform setzen werden. Aber auch eine Schicht von Kolleginnen und Kollegen finden zunehmend Homeoffice attraktiv und das hat Gründe.

Auf tagesschau.de war am 05.12.19  zu lesen, was viele Befürworter*innen sagen: „Das Homeoffice hilft, Familie und Beruf zu vereinbaren.“ Richtig ist, dass gerade für berufstätige Eltern, insbesondere nach wie vor für Frauen, das Wegfallen der Wege zur Arbeit kostbare Zeit (und Fahrtkosten) spart. Dies hilft natürlich dabei, die eingeschränkten Öffnungszeiten der Kitas besser mit dem eigenen Job in Einklang zu bringen. Die Zeiten der Lockdowns, in denen die Kitas und Schulen für den Großteil der Kinder geschlossen waren, hatten zur Folge, dass neben der Arbeit noch die Versorgung der Kinder zu erfolgen hatte. Das beinhaltet das Kochen, vermehrtes gemeinsames Spielen, Gespräche, sich bewegen und bei Schulkindern noch die Aufgabe, das Lernen des vorgeschriebenen Unterrichtsstoffes zu Hause mit zu organisieren, was viele Stunden in Anspruch nimmt. Hat man mehrere Kinder im Grundschul- oder Sekundarstufe I-Alter, ist das eine extrem Belastung und viele Eltern  kommen an ihre Grenzen. Die Zeitersparnis durch das Wegfallen des Arbeitswegs steht dazu in der Regel in keinem Verhältnis.

Deshalb sollten die Gewerkschaften fordern, dass Beschäftigte, die Kinder bis zu einem gewissen Alter im Homeschooling betreuen müssen, entweder ganz frei gestellt werden sollten oder zumindest eine deutliche Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich im Homeoffice erhalten sollten.

Pendeln zur Arbeit

Ein weiterer Grund für eine zunehmende Attraktivität von Homeoffice in den Augen mancher Kolleg*innen ist die Tendenz, dass die Fahrtwege zur Arbeit länger werden. Zum einen gibt es den weltweiten Trend hin zur Konzentration von Firmenansiedlungen und gesellschaftlichem Leben in den Metropolen. In Kombination mit der Tatsache, dass über viele Jahre hinweg zu wenige Wohnungen gebaut und öffentliche Wohnungsgesellschaften privatisiert wurden, hat dies zu erheblichen Mietsteigerungen geführt. Jene Teile der Beschäftigten die es sich leisten konnten die günstigen Zinskonditionen zu nutzen, bauten sich ein Häuschen am Stadtrand, andere zogen aufgrund der niedrigeren Mieten in die Außenbezirke oder Vorstädte der Metropolen. Als Preis dafür müssen diese dann häufig in die Stadt pendeln. Aber auch die Fahrten zur Arbeit, die mehrere hundert Kilometer weit weg entfernt ist, haben zugenommen. Dies verursacht Stress und erhöht die Krankenquote, wie eine Studie der Hans Böckler-Stiftung zu diesem Thema aus dem Jahre 2018 belegt. Mit Homeoffice kann man sich diesen Stress sparen.

Arbeitsbedingungen

Zudem ist es der Wunsch, sich dem direkten, persönlichen Druck durch Vorgesetzte zu entziehen, der Beschäftigte nach Hause „fliehen“ lässt. Wenn die Arbeitsbedingungen nicht gut sind, zum Beispiel in den Großraumbüros der Call Center der Abstand zum Nachbartisch sehr gering und die Geräuschkulisse sehr laut ist, gibt es zusätzliche Anreize die Ruhe der eigenen vier Wände vorzuziehen, wenn die Wohnverhältnisse es denn zulassen. Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen aber auch, dass für einen erheblichen Teil der Arbeiter*innen hier enge Grenzen gesetzt sind und es keine Alternative dazu gibt, für gute Arbeitsbedingungen in den Büros zu kämpfen.

Risiken

In einer Studie der AOK vom vorletzten Jahr kommt eine gewisse Ambivalenz in den Ansichten zum Thema Homeoffice zum Vorschein. Knapp zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie mit ihrer Arbeit zufrieden seien und betonten die Vorteile von flexiblem Arbeiten. Gleichzeitig hebt Helmut Schröder, einer der Mitherausgeber der Studie, auch die Schattenseiten hervor. “Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen. Wer viel im Homeoffice arbeitet, leidet häufiger unter solchen Problemen als andere Beschäftigte.“ Das kommt nicht von ungefähr. Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwimmt. Die Fahrt mit der Straßenbahn zur Arbeit hat den Vorteil, dass man Abstand zum Erlebten erlangt und sich geistig von dieser schneller verabschieden kann. Wenn Arbeitsort und Zuhause eins sind, ist dies schwierig für den Kopf.

Entgrenzung

Hinzu kommt, dass, je nach Tätigkeit, die Gefahr besteht, auch nach dem offiziellen Feierabend, wenn etwa die Kinder im Bett liegen, mit der Arbeit weiterzumachen. 

„Fast ein Fünftel der betroffenen Befragten berichtet über Probleme mit der Vereinbarkeit von Arbeitszeit und Freizeit (18,8 Prozent) oder über Anrufe beziehungsweise E-Mails des Arbeitgebers außerhalb ihrer Arbeitszeiten (19,5 Prozent). Darüber hinaus gibt mehr als ein Drittel der Beschäftigten mit Homeoffice an, dass sie Probleme haben, nach Feierabend abzuschalten (38,3 Prozent). Bei den Beschäftigten, die ausschließlich im Betrieb arbeiten, ist das nur jeder Vierte (24,9 Prozent).” 

Die Studie ergibt auch, dass der Krankenstand im Homeoffice niedriger ist. Das liegt aber unter anderem daran, dass die „Verlockung“ größer ist, sich gesundheitlich angeschlagen vom Bett an den Arbeitstisch in der eigenen Wohnung zu schleppen, als sich auf den eventuell recht langen Weg zur Arbeit aufzumachen. Kurzum: Homeoffice birgt die große Gefahr der Verschärfung der Ausbeutung der Beschäftigten.

Hier stellt sich die Aufgabe gegen ein Unterlaufen der gesetzlichen Mindestruhezeiten beziehungsweise Maximalarbeitszeiten vorzugehen und zu mobilisieren. Es darf nicht bei den einzelnen Beschäftigten liegen, sich permanent dagegen zu wehren, rund um die Uhr abrufbar zu sein, und es sollte auch nicht nur den einzelnen Betriebsräten überlassen sein, dies durch Betriebsvereinbarungen zu lösen, auch wenn es hier sicher gute Beispiele gibt, die man zurate ziehen kann. Es muss die Kraft der gewerkschaftlichen Mobilisierungsfähigkeit in die Waagschale geworfen werden, und weitgehende tarifvertragliche Regelungen sollten eingefordert werden. Bei diesen wird wiederum die Forderung nach einer radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich eine zentrale Rolle spielen, um tatsächlich eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. 

Festigung von Rollenbildern

Gerade Frauen wird diese Form des Arbeitens als Fortschritt verkauft. Bei näherem hinsehen fällt jedoch auf, dass hier ein gesellschaftlicher Rollback droht. Die Kolleginnen werden wieder mehr dazu gedrängt zu Hause zu bleiben und sich neben dem Job noch auf die Kinderbetreuung und den Haushalt zu kümmern. Nach dem Motto: „Naja Schatz, wenn du schon zu Hause bist und mehr Zeit hast, weil du nicht zur Arbeit fahren musst, kannst du das doch auch erledigen.“ 

Soziale Isolierung

Mittels moderner Kommunikationskanäle ist es natürlich möglich der Vereinzelung ein Stück weit vorzubeugen, gerade in größeren Betrieben die über mehr Möglichkeiten verfügen. Aber die momentane Krise zeigt auch die Grenzen von Telefon- und Videokonferenzen oder Chats auf. Das persönliche Miteinander, dass kollektive Zusammenarbeiten, gemeinsames Lachen und Schimpfen kann keine Technologie ersetzen. Es gibt die Gefahr, dass Homeoffice Egoismus und unsolidarisches Handeln fördert, was durchaus im Interesse der Kapitalisten ist.

Dem dürfen die Gewerkschaften nicht tatenlos zusehen und müssen alles daran setzen, auch unter Pandemiebedingungen Kolleg*innen zusammenzubringen. Das kann über Videokonferenzen stattfinden, aber auch durch die Organisierung von Zusammenkünften unter Einhaltung der Hygienevorschriften.

Klassische Ausgliederung

Zu guter Letzt ist Homeoffice problematisch, da es sich um Outsourcing reinster Güte handelt. Eine klassische Aufgabe der Unternehmen wird auf die abhängig Beschäftigten abgewälzt. Ja, es gibt Firmen in denen es Betriebsvereinbarungen zum Thema gibt, in denen Regeln definiert sind und teilweise Kosten durch die Kapitalisten übernommen werden. Dies ist jedoch in vielen Betrieben nicht der Fall. Die Kolleg*innen bleiben auf vielen Kosten sitzen, sie haben das Risiko für den Fall, dass Technik zu Hause ausfällt oder nicht funktioniert, bis hin zum möglichen Verlust des Arbeitsplatzes. Zudem entledigt sich der Unternehmer elegant seiner Verantwortung, auf die Arbeitssicherheit zu achten in dem er an die Selbstverantwortung der Betroffenen appellieren kann. Die Kapitalisten sparen sich mir dem Homeoffice Bürokapazitäten und die damit verbunden Kosten und erhöhen ihre Profite. Dem müssen die Gewerkschaften Einhalt gebieten, indem sie die volle Übernahme der zusätzlich anfallenden Kosten fordern und tarifvertraglich durchsetzen.

Politische Probleme

So sehr im einzelnen nachvollziehbar ist, wenn sich Kolleginnen und Kollegen für das Arbeiten von zu Hause aus entscheiden, eines ist ganz klar: es ergeben sich daraus für die Belegschaften und die Arbeiter*innenklasse als Ganzes eine Reihe von Problemen. Die zentrale Schwierigkeit besteht darin, dass es schwieriger wird, die Belegschaften zusammen zu halten und gemeinsame Kämpfe zu führen. Kolleginnen und Kollegen die von zu Hause aus arbeiten sind tendenziell weniger in die sozialen Strukturen integriert, fühlen sich weniger als Teil eines Kollektivs und machen daher eher „ihr Ding“. Es ist für Betriebsräte schwerer zu ihnen einen engen Kontakt aufzubauen. Für die Gewerkschaften gibt es größere Schwierigkeiten hier Mitglieder zu gewinnen und zu festigen. Es besteht die Gefahr, dass im Falle eines Arbeitskampfes, die Kapitalisten hier eher Streikbrecher finden können.

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung des DGB, dass Homeoffice mit einem gesetzlichen Anspruch versehen werden soll, viel zu kurz gedacht. Wie oben ausgeführt ist es wichtig, die verschiedenen betrieblichen und gesellschaftspolitischen Fragen anzupacken. Das Ziel der Arbeiter*innenbewegung muss es sein, Menschen im Arbeitsleben und darüber hinaus zusammen zu bringen, kollektives Bewusstsein als Klasse zu befördern und gemeinsamen Widerstand auf die Beine zu bringen. 

Homeoffice bedeutet zwar keine unüberbrückbaren Hindernisse für gewerkschaftliche Organisation und Kämpfe, aber sie müssen bewusst angegangen werden. Das bedeutet auch, dass Homeoffice nur unter Zustimmung von Betriebsräten und Gewerkschaften umgesetzt werden sollte und diese als Alternative zum Homeoffice für bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich kämpfen sollten – und die Kolleg*innen, die Homeoffice vorziehen würden, auch davon überzeugen müssen. Möglich sind auch Wechselmodelle, in denen sichergestellt wird, dass die Belegschaften zumindest einen Teil der Arbeitstage zusammen kommen. Ebenso sollten Gewerkschaften und Betriebs- und Personalräte den Zugang zu Intranet und dienstlichen Mailadressen aller Mitarbeiter*innen eines Unternehmens erhalten, um diese jederzeit erreichen zu können. 

Linke und Gewerkschaften sollten also diesem Trend nicht hinterherlaufen, sondern unmittelbar sowohl für bestmögliche Bedingungen im Homeoffice kämpfen, als auch Alternativen dazu im Interesse der Arbeiter*innenklasse insgesamt aufzeigen.

Ein Ausblick 

Im Kapitalismus wird es auch in dieser Hinsicht keine befriedigende Antwort geben. In einer sozialistischen Demokratie, die von den Zwängen des Profits befreit sein wird, werden Menschen nicht nach Hause „fliehen“, weil es viel mehr Spaß macht und in jeglicher Hinsicht produktiver sein wird, mit Anderen zusammenzuarbeiten. Weil es keinen Dauerdruck durch Vorgesetzte mehr geben wird, um noch mehr Profit im Sinne der Kapitalisten zu erzielen. Und Ereignisse wie Pandemien oder anderer Katastrophen würden anders und wesentlich effektiver gelöst, indem nicht mehr auf die Interessen von Reichen und Konzernen Rücksicht genommen würde, sondern auf den Gesundheitsschutz ausgerichtete Maßnahmen – immer demokratisch unter Einbeziehung der Masse der arbeitenden Bevölkerung – durchgeführt würden. Für eine solche Zukunft, lohnt es zu streiten.

Torsten Sting ist ver.di-Betriebsrat in einem Call Center und Mitglied des Sol-Bundesvorstands.

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