Die Gewerkschaften vor den Bundestagswahlen

Mobilisierungen und Streiks nötig

Die Corona-Pandemie unterstreicht im Jahr der Bundestagswahlen einmal mehr die Klassenunterschiede in Deutschland. Wie verhalten sich aber die großen DGB-Gewerkschaften?

von Jan Horsthemke, Dortmund

Abhängig davon, wo man arbeitet oder wohnt ist man mit einem erhöhten Infektionsrisiko, mit Kurzarbeit oder gar mit Jobverlust konfrontiert. Hinzu kommen die psychosozialen Folgen durch die einseitig auf das Privatleben der Menschen abzielenden Lockdown-Maßnahmen. Entgegen der warmen Worte bürgerlicher Politiker*innen, trifft die Krise nicht alle gleich. Während die einfache Bevölkerung unter den beschriebenen Umständen leidet, ist das Vermögen deutscher Kapitalist*innen sprunghaft gestiegen. Dies alles schreit geradezu nach organisiertem Widerstand.  Doch eine entschlossene Antwort der Gewerkschaften bleibt bisher aus.

SPD-Dominanz

Die SPD ist eine pro-kapitalistische Partei und nicht nur für die verheerende Agenda 2010 verantwortlich, sondern betreibt auch auf kommunaler sowie auf Länder- und Bundesebene eine konsequente neoliberale Politik. Für Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen ist diese Partei Gegner*in statt Verbündete.

Trotzdem sind noch immer viele Gewerkschaftsfunktionär*innen SPD-Mitglieder und dominieren die Vorstände. Somit verwundert es nicht, dass die Gewerkschaftsspitzen den Bundestagswahlkampf nicht zu entschlossenen Massenmobilisierungen nutzen, obwohl sie sich Umverteilungsmaßnahmen, wie eine Vermögenssteuer, auf die Fahne schreiben. Statt den Regierenden den Rücken frei zu halten, sollten die Gewerkschaften für eine Politik im Interesse der lohnabhängigen Klasse mobilisieren.

Kommende Auseinandersetzungen

Es ist davon auszugehen, dass die kommende Bundesregierung die Krisenkosten auf Arbeiter*innen abwälzen wird. Das Aussetzen der schwarzen Null sowie  finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für Erwerbslose oder kleine Selbstständige werden die Ausnahme bleiben und waren nur eine Reaktion auf die akute Wirtschaftskrise, um die schlimmsten sozialen Folgen abzufedern.

Um die kommenden Attacken der Herrschenden abzuwehren bedarf es eines unabhängigen und antikapitalistischen Programms der Gewerkschaften und damit einhergehenden Mobilisierungen, um ein solches Programm durchzusetzen.

Die für den 4. September geplante #unteilbar-Demonstration und eine bundesweite Mieter*innendemonstration am 11. September sollten von den Gewerkschaften nicht nur auf dem Papier unterstützt, sondern auch die Mitglieder massenhaft mobilisiert werden, um der zukünftigen Regierung, egal aus welchen Parteien, ein deutliches Signal zu senden: Eine Politik im Interesse der Kapitalist*innen wird auf Widerstand stoßen. Denn ein solches Programm ist nicht im Rahmen der Sozialpartnerschaft zu erreichen. 

Gewerkschaftsopposition

Um kämpferischen politischen Forderungen vor der Bundestagswahl Ausdruck zu verleihen und reale Verbesserungen durchzusetzen, benötigen die Gewerkschaften einen deutlichen Kurswechsel. Nur dann können sie mächtige und durchsetzungsstarke Instrumente in den Händen von Lohnabhängigen sein. Um für einen solchen Kurswechsel einzustehen haben sich kämpferische Gewerkschafter*innen zusammengeschlossen und mit der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) einen Grundstein für eine organisierte Opposition innerhalb der Gewerkschaften gelegt.

Jan Horsthemke ist ver.di-Vertrauensmann in Dortmund (Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person). 

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