Klarheit statt Anpassung!

Wahlprogramm-Entwurf der LINKEN ist unzureichend

Im April diesen Jahres stellten die LINKE-Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow den Entwurf ihres Wahlprogramms zur Bundestagswahl vor, der weitestgehend auf dem ersten Entwurf der früheren Vorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping basiert. Obwohl der Kapitalismus in einer tiefen Krise steckt, verzichtet das Papier auf eine klare sozialistische Perspektive. Antikapitalist*innen wollen deshalb den Bundesparteitag im Juni nutzen, auf dem das Papier abschließend beschlossen werden soll, um deutlich zu machen, was für eine sozialistische Ausrichtung der Partei eigentlich nötig wäre.

Von Hans Neumann, Hildesheim

In einer wirtschaftlichen und pandemischen Krise wie der jetzigen, wächst in weiten Teilen der Bevölkerung das Hinterfragen der bestehenden Verhältnisse und die Offenheit für Veränderungen. Eine sozialistische Partei müsste gerade jetzt deutlich machen, dass eine positive Veränderung für die lohnabhängige Bevölkerung im Kapitalismus nicht zu machen ist. Eine wirklich sozialistische Partei dürfte sich nicht damit begnüngen, den Kapitalismus zu verwalten und sich auf Knebelverträge mit Vertreter*innen des Kapitals in Form von Koalitionen einzulassen, sondern würde als unabhängige Kraft das Parlament nutzen, um für jede Verbesserung und gegen jede Verschlechterung zu stimmen.

Leider verzichten weite Teile der Partei darauf, die prokapitalistischen Parteien als solche zu entlarven und auch die hinter Wissler stehende Strömung “Bewegungslinke” hat in der Frage der Regierungsbeteiligung keine klare sozialistische Haltung. .

Fehlende Krisenpolitik

Bislang ist es der LINKEN im Wahlprogramm noch nicht einmal gelungen, eine adäquate Antwort auf die gegenwärtigen Krisen zu formulieren. Dabei wäre es ein leichtes, beispielsweise die Probleme im Gesundheitswesen offenzulegen und so etwa ganz konkret die tödlich langsame Impfstoffproduktion mit der Forderung nach Produktionsumstellung und darüber hinaus die Verstaatlichung der Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung zu begegnen. Stattdessen wird im Programmentwurf nur problematisiert, dass die Regierung Pharmakonzernen bisher keine klaren Vorgaben zur Impfstoffproduktion gemacht habe.

Widersprüche in der Eigentumsfrage

Zur inhaltlichen Schwäche des Dokuments gehört allem voran, große Widersprüche in der Eigentumsfrage aufzuwerfen. Wenn der Kurs in dieser entscheidenden Frage nicht klar ist, kann sich das Führungspersonal der Partei auf die weniger weitgehenden Aussagen des Dokuments stützen und so einen Anpassungskurs der Partei vorantreiben.

So wird im Wahlprogramm zum einen gefordert, Banken und große Konzerne in öffentliches oder genossenschaftliches Eigentum zu überführen, was zweifellos eines der wichtigsten Ziele einer sozialistischen Partei sein sollte. Zum anderen wird dieses Ziel durch weitere Formulierungen faktisch in Frage gestellt oder suggeriert, dass kleine Änderungen in den bestehenden Eigentumsverhältnissen ausreichen würden. Einerseits wird so etwa die Kampagne “Deutsche Wohnen & Co enteignen” unterstützt, für den eigenen Handlungsrahmen begnügt man sich jedoch damit, Immobilien- und Hedgefonds von der Börse zu nehmen. Wo sich der Antrag kämpferisch zeigt und fordert, “Immobilienkonzerne an die Kette [zu] legen”, wird durch ein “Rekommunalisierungsfonds” die Mietenbewegung aber konterkariert, weil so das Vorhaben aus unseren Steuergeldern finanziert würde! Voranbringen würde man die Forderung sozialer Bewegungen stattdessen, wenn man deutlich macht, dass Immobilienhaie schon genug Profit mit unserem lebensnotwendigen Bedürfnis auf Wohnraum gemacht haben und Enteignungen deshalb entschädigungslos sein sollten. Stattdessen würde die Last auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden: Allein der Rückkauf von Boden in Privatbesitz soll jährlich zwei Milliarden Euro in die Taschen der Privateigentümer bringen.

Hinsichtlich einer klimaneutralen Produktionsumstellung fordert der Text, in private Betriebe zu investieren und dazu sogar einen staatlichen Fonds zu erstellen, was den Wirtschaftsumbau aus unseren Steuergeldern finanzieren würde. Unter anderem soll die Autozulieferindustrie so mit zwanzig Milliarden Euro aus Steuergeldern beschenkt werden, für Tagebauregionen werden gleich vierzig Milliarden Euro aus unserem Geld locker gemacht!

Illusionen in die Bürgerlichen

Zum politischen Genickbruch führen aber Formulierungen, die klar auf eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen setzen:

“Wer immer meint, allein Recht zu haben, kann die Welt nicht verändern. Das gilt für demokratische Parteien und für progressive Mehrheiten besonders”. Hier wird der Mythos bedient, es könne eine “progressive Mehrheit” mit SPD und Grünen geben. 

Die Antikapitalistische Linke (AKL), in der Mitglieder der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol) mitarbeiten, ist zurzeit die einzige Strömung in der Partei, die diese Problematik klar und selbstbewusst anprangert. Noch im März formulierte die “Bewegungslinke” dagegen beschönigend, dass DIE LINKE “mit ihren programmatischen Grundlagen in Reinen ist und den Kampf für soziale Gerechtigkeit mit entschiedenen Positionen in Sachen Frieden, Ökologie und Antirassismus vereint.” Angesichts der Schwächen der Partei ist eine solche Alles-ist-gut-Rhetorik fatal. Im Juni wird die AKL deshalb mit einigen Änderungsanträgen am Programmentwurf deutlich machen, wo die Reise hingehen müsste. Organisiert euch mit uns und helft mit, weit über den Parteitag hinaus für einen sozialistischen Kurswechsel der Linkspartei zu kämpfen!

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