Der Absturz von Ramelow und Co. ist besonders im Osten dramatisch
Im September finden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen statt. In Sachsen könnte Die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. In Thüringen und Brandenburg sieht es nur wenig besser aus. Wie konnte das passieren? Und wie sollten Sozialist*innen mit der Situation umgehen?
Von Steve Hollasky, Dresden
Lauterbachs Krankenhausreform gefährdet den Bestand kleiner Landkliniken, für deren Erhalt sich nach einer von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) veröffentlichten Umfrage 89 Prozent der Bundesbürger*innen aussprechen. In einer im März auf der Internetpräsenz des Mitteldeutschen Rundfunks (mdr) ausgewerteten Studie gaben siebzig Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, Angst vor einem europaweiten Krieg zu haben, zugleich liefert die Ampelregierung Waffen an die Ukraine.
Es sind Befürchtungen, die Ausdruck der kapitalistischen Krise sind, die der Linken Wahlerfolge bescheren müsste und doch befindet sich die Partei in einer tiefen Krise.
Nicht die Idee einer kämpferischen, demokratischen und sozialistischen Partei von und für Arbeiter*innen ist gescheitert, sondern eine Parteipolitik, die diesem Anspruch weder gerecht wurde, noch ihm vielfach überhaupt gerecht werden wollte.
Regierungsbeteiligung
Regierungsbeteiligungen mit den prokapitalistischen Parteien SPD und Grüne führten immer mehr zu einer Anpassung an diese Parteien. Die Linke rückte nach rechts und in der Wahrnehmung der Wähler*innen hinein in die Riege der verhassten Etablierten.
In Berlin verkaufte die Vorgängerpartei der Linken, die Partei des demokratischen Sozialismus (PDS), städtische Wohnungen und der rot-rote Senat trat aus dem Arbeitgeberverband aus – Tariflöhne für Angestellte der Stadt ade. Wo immer zunächst die PDS und später Die Linke an Regierungen mitwirkten, schmolzen ihre Stimmanteile bei nachfolgenden Wahlen in der Regel dahin und der Vertrauensverlust war dramatisch.
Thüringen
In Thüringen ist Die Linke nicht einfach Juniorpartnerin, sondern stellt mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten der Landesregierung. Dennoch wurden weder Kliniken in öffentliches Eigentum überführt, nicht einmal deren Schließung und Privatisierung wird verhindert, noch werden Abschiebungen gestoppt oder große Immobilienkonzerne enteignet. Einen qualitativen Unterschied zu anderen Landesregierungen kann man nicht feststellen. Ergebnis: In Umfragen liegt Die Linke heute fast zwanzig Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2019, das bei 31 Prozent lag.
Bodo Ramelow, einziger linker Ministerpräsident, sagte zu Waffenlieferungen, er sei dagegen, außer wenn er jetzt konkret hinsichtlich der Ukraine gefragt werde. Mehr konnte man das eigene Programm kaum ad absurdum führen.
Eine von „denen da oben“
Unterhält man sich mit Ostdeutschen, dann besticht die noch stärker als im Westen ausgeprägte Ablehnung von „denen da oben“. Vertrauen in Etablierte gibt es nicht mehr.
Die Jahre der Regierungsbeteiligungen lassen Die Linke als Teil des Establishments dastehen. Wenn nun Bodo Ramelow in Thüringen Regierungskoalitionen mit der CDU ins Auge fasst und auch die sächsische Linkspartei ihre Bereitschaft zu diesem Schritt erklärt hat, wirkt Die Linke nicht wie eine Partei, die Politik im Interesse der lohnabhängig Beschäftigten, Jugendlichen und Rentner*innen machen will, sondern als Partei, die an der Trögen der Macht klebt.
BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) stellt keine Alternative zur Linken dar, auch wenn ihr Erfolg vor allem Ausdruck der Schwächen der Linken ist. Wo die Interessen von Lohnabhängigen gegen Kapitalinteressen vertreten werden müssten, sucht das BSW den Ausgleich mit den Unternehmer*innen. Von Klassenkampf und der Idee einer sozialistischen Gesellschaft haben sich Wagenknecht und ihre Freund*innen verabschiedet. Gleichzeitig spaltet ihre Migrationsfeindlichkeit die Arbeiter*innenklasse und schwächt damit den Kampf gegen die gesellschaftlichen Missstände. Aber es ist nachvollziehbar, dass viele Menschen das BSW wählen, weil die Partei eine klare Position gegen Krieg einnimmt, soziale Fragen thematisiert und nicht als Teil des Establishments wahrgenommen wird. Aber das BSW leistet keinen Beitrag, um Widerstand und Selbstorganisation der Lohnabhängigen zu stärken. Die Partei selbst ist ein undemokratisches Top-Down-Projekt, in dem sich wenige Mitglieder gegenseitig und selbst in Vorstände und auf Kandidat*innenlisten wählen.
Was nun?
Mit Forderungen nach einem Gesundheitswesen und einer Pflege in öffentlicher Hand, nach einer Erhöhung des Mindestlohns und des Bürgergeldregelsatzes, mit praktischer Solidarität für streikende Gewerkschafter*innen und dem Anspruch für eine sozialistische Gesellschaftsalternative zum Kapitalismus zu stehen, kommt die Linke aktuell sozialistischen Forderungen am nächsten. Deshalb rufen wir dazu auf, ihr bei den anstehenden Wahlen die Stimme zu geben – auch um dadurch die AfD zu schwächen. Wir haben aber Verständnis für alle, die das nicht mehr tun, insbesondere in Thüringen, wo eine Stimmabgabe für die Ramelow-Linke für uns auch nur dadurch gerechtfertigt wird, die Stimme als linkest-mögliche Stimme gegen die AfD zu verstehen.
Die Führung der Linken hat auch nach der Abspaltung des BSW bewiesen, dass ihre Parole „Weiter so“ lautet. Das Ruder wurde nicht in Richtung einer kämpferischen, sozialistischen Politik umgelegt.
Um für ihre Interessen einzustehen braucht die Arbeiter*innenklasse eine Partei, die ihre Interessen vertritt, die es sich zur Aufgabe macht, die Arbeiter*innen ohne Ansehen von Herkunft, Muttersprache oder Religion zu organisieren und für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft zu mobilisieren. Die Mitglieder der Partei Die Linke können bei der Bildung einer solchen sozialistischen Arbeiter*innenpartei in Zukunft eine Rolle spielen, aber es werden Gewerkschafter*innen, Aktive aus sozialen Kämpfen und bisher Unorganisierte sein, die dazu den entscheidenden Beitrag leisten müssen.