Schwarzer Wolf im Grünen Pelz

Die Grünen – Image und Wirklichkeit

Die Grünen schwimmen gerade auf einer Welle von Umfragehochs. Nach der Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin, die noch auf dem Parteitag im Juni bestätigt werden muss, stiegen die Umfragewerte auf 28 Prozent. Mittlerweile liegen sie „nur noch“ bei 26 Prozent, sind damit aber immer noch die stärkste Partei vor der Union. Eine Regierung ohne die Grünen in der nächsten Legislaturperiode ist so gut wie ausgeschlossen. 

von Björn Büttner, Bochum

Zurückzuführen sind die hohen Umfragewerte der Grünen auf das Versagen der Unionsparteien, die in Korruptionsaffären verwickelt sind, und der SPD, die als Juniorpartnerin in der Großen Koalition kaum noch ein eigenes Profil hat. Zudem konnten sie sich in den letzten Jahren durch eine progressive Rhetorik als eine glaubwürdige Alternative darstellen. Massenbewegungen wie Fridays for Future rückten den Klimawandel in den Mittelpunkt der politischen Diskussion. Und davon profitieren die Grünen, denn ihnen hängt immer noch das Image der radikalen Klimapartei an. Die Herrschenden brauchen jedoch keine Angst mehr vor der einstigen „Bürgerschreck“-Partei zu haben. Handzahm haben sie jedes bisschen Kapitalismuskritik über Bord geworfen und machen bürgerliche Politik im Interesse der Banken und Konzerne, wie sie es in den verschiedenen Landesregierungen tagtäglich unter Beweis stellen. Ihr Programmentwurf für die Bundestagswahl bringt deutlich zum Ausdruck, dass sie bereit sind, auf Bundesebene eine Politik im Interesse der Kapitalist*innen umzusetzen. 

Sand in die Augen

„Deutschland. Alles ist drin.“ lautet der Titel des vorläufigen Wahlprogramms der Grünen. Und es ist auch alles drin. So fordern die Grünen: die Schaffung klimagerechten Wohlstands für alle. Sie wollen dem Markt einen sozial-ökologischen Rahmen geben und für gute Arbeit und faire Löhne sorgen. Sie wollen Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und bezahlbaren Wohnraum schaffen und vieles mehr. Alles eingebettet in einer Wohlfühlrhetorik, die sich wie ein Diversity- und Nachhaltigkeitskonzept eines DAX-Unternehmens liest. Und das ist das Programm im Grunde auch. 

Im Mittelpunkt des Programms steht die „sozial-ökologische Transformation“ der Gesellschaft. Diese ist vor allem ein Angebot an die Herrschenden, denn sie verspricht eins: den Kapitalismus zu modernisieren und wettbewerbsfähig zu machen. Klimaneutral soll er werden und dafür sollen fünfzig Milliarden Euro jährlich investiert werden. Dass sich wirksamer Klimaschutz und Kapitalinteressen nicht miteinander vereinbaren lassen, blenden sie aus. An das Geld der Reichen, die während Corona Rekordgewinne gemacht haben, trauen sie sich nicht ran. Ein Prozent ab zwei Millionen Euro „Vermögenssteuer“ fordern sie. 

Die vagen sozialen Forderungen wirken daher wie ein Feigenblatt, zum Beispiel wollen sie Hartz IV durch eine „Garantiesicherung“ ersetzen. Insgesamt ist das Wahlprogramm vage und bietet vor allem Anschlusspunkte für eine Koalition mit der CDU/CSU, mit der sich auch die letzten sozialen Forderungen wegverhandeln lassen. Die Grünen streuen ihren Wähler*innen, die wirklich auf eine soziale und ökologische Veränderung hoffen, Sand in die Augen und werden sie enttäuschen.   

Grüne Realpolitik

Dass man dafür keine Glaskugel braucht, zeigen die Erfahrungen mit grüner Regierungsbeteiligung. Fast schon vergessen ist die Beteiligung der Grünen an der Schröder-Regierung von 1998 bis 2005. Zusammen mit der SPD beschlossen die Grünen den größten Sozialabbau seit der Wiedervereinigung. Hartz IV, Leiharbeit und Minijobs sind seitdem für viele Menschen in diesem Land die traurige Realität. Die Grünen waren auch für die ersten Kriegseinsätze im Kosovo und Afghanistan mitverantwortlich und erst kürzlich trat ihr Co-Vorsitzender Habeck für Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Wer sich Klimaschutz erhofft, wird auch enttäuscht werden. In NRW stimmten die Grünen in der Landesregierung für die Abholzung des Hambacher Forst, damit der Energieriese RWE weiter Profite mit der umweltschädlichen Braunkohle machen kann. In Hessen ließen die Grünen den Danneröder Forst unter massiver Polizeigewalt räumen, um eine Autobahn zu bauen. Erst Mitte Mai stimmten die Abgeordneten im hessischen Landtag gegen die Freigabe von NSU-Dokumenten, die zur Aufarbeitung der Verwicklungen des Verfassungsschutzes mit dem NSU hätten beitragen können, während sie sich auf Bundesebene als Vorkämpfer gegen Rechts und für rechtsstaatliche Verantwortung und Transparenz inszenieren. In Baden-Württemberg macht Kretschmann weiter Politik im Sinne der Automobilindustrie. Es zeigt sich immer wieder, dass die Grünen mit ihren Versprechungen am Ende immer wieder an den Sachzwängen des Kapitalismus scheitern und eine prokapitalistische Politik gegen die Interessen von Arbeiter*innen und zur Enttäuschung ihrer Wähler*innen umsetzen werden.