Forsche Forderungen

Studentische Beschäftigte kämpfen bundesweit für Tarifverträge

Sie sind das Rückgrat des wissenschaftlichen Betriebes und arbeiten meist trotzdem unter völlig prekären Bedingungen. Rund 75 Prozent der 400.000 studentischen Beschäftigten in Deutschland fallen nicht unter einen Tarifvertrag. Jetzt haben sich Beschäftigte aus lokalen Initiativen mit der Unterstützung der Gewerkschaften GEW und ver.di bundesweit zusammengetan, um das zu ändern.

von Tom Hoffmann, Berlin

Denn obwohl die meisten Hochschulen unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) fallen, blockiert die Arbeitgeber*innenseite seit Jahren Tarifverträge für die dort arbeitenden studentischen Beschäftigten. Das Ergebnis: In der Regel laufen Arbeitsverträge nur wenige Monate und werden nach Gutdünken erneuert. So wird Kündigungsschutz unterlaufen und die individuelle Abhängigkeit verstärkt. Oft haben die Beschäftigten keine Vertretung im Personalrat. Gesetzliche Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und entsprechenden Urlaub werden häufig nicht umgesetzt. Die Löhne liegen bundesweit meist unter elf Euro, in Hamburg damit sogar unter dem Landesmindestlohn. Es braucht nicht Amazon und Co., um sich Tarifverträgen zu verweigern und Beschäftigte auszubeuten – das geht leider auch im öffentlichen Dienst. Am 8. April erhielt deshalb nicht Jeff Bezos, sondern SPD-Finanzsenator Dressel – der erste Stellvertreter der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) – die ersten Unterschriftenlisten von der Hamburger TVStud-Initiative. Diese ist Teil der bundesweiten Kampagne „Keine Ausnahme! Für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter“, die sich mit einer Petition an die TdL gewandt hat. Sie fordert die Länder auf ihre Blockadehaltung aufzugeben und Tarifverträge zu verhandeln. Dafür werden Unterschriften gesammelt, aber auch lokale Gruppen aufgebaut. 

Streiken wie in Berlin

Dass solch ein Tarifvertrag möglich ist, zeigt das Beispiel Berlin. 2018 wurde hier der TV Stud III nach über vierzig Streiktagen von den Gewerkschaften erkämpft. Seitdem gelten in Berlin höhere Löhne, auch wenn die Koppelung an die Entwicklung des TV-L erst 2023 kommen soll. Aber das Beispiel soll Schule machen. Dabei wurde auch in Berlin ein neuer Tarifvertrag nach 15 Jahren erst durch den Streik erreicht. Die aktuelle Kampagne ist ein gutes Mittel, um lokale Gruppen aufzubauen und dies vorzubereiten. Eine Solidaritätskampagne von ver.di und GEW unter allen Studierenden und den anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes würde den politischen Druck weiter steigern. Allein mit der Corona-Pandemie sind viele Studierende in eine finanzielle Notlage geraten. Zwei Drittel müssen arbeiten, um ihr Studium zu finanzieren. Jobs sind weggefallen, während Miete und Lebensmittel weiter bezahlt werden müssen. Die Pandemie verschärft nur, was schon zuvor im Argen lag. 

Gerade die studentischen Beschäftigten können davon ein Lied singen. Im Herbst steht die Tarifrunde der Länder an. Die Gewerkschaften sollten sich dann nicht nur auf Petitionen an die Minister*innen beschränken, sondern die ganze Kampfkraft aller unter den TV-L fallenden Kolleg*innen nutzen, um Tarifverträge für die studentischen Beschäftigten durchzusetzen. 

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