Iran: Neuer Präsident trifft auf Streikwelle

Ebrahim Raissi, designierter Präsident des Iran (CC BY 4.0, Mehr News Agency)

Der Aufbau einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei ist dringend notwendig

Wir veröffentlichen hier zwei Artikel zur Lage im Iran nach den dortigen Präsidentschaftswahlen im Juni. Sie erschienen zunächst am 07. Juli (Streik der Öl- und Gasarbeiter*innen begrüßt neuen Präsidenten) bzw. 21. Juni (Präsidentschaftswahlen im Iran) in englischer Sprache auf www.socialistworld.net

Streik der Öl- und Gasarbeiter*innen begrüßt neuen Präsidenten

Fast unmittelbar nach den iranischen Präsidentschaftswahlen im letzten Monat begann ein landesweiter Streik im strategisch wichtigen Öl-, Gas- und Petrochemiesektor des Landes, der immer noch andauert. Organisiert von unten durch inoffizielle Gremien, hat dieser Streik breite Unterstützung gefunden. Dies liegt an seinen spezifischen Forderungen, aber auch an der umfassenderen Frage des Rechts, sich frei zu organisieren.

von Robert Bechert, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Der Streik begann am 19. Juni und umfasste zunächst Vertrags- und Gelegenheitsarbeiter*innen, bevor er sich auf Arbeiter*innen mit Festanstellungen ausweitete. Etwa 60.000 Arbeiter*innen befinden sich jetzt im Streik. Der Kampf findet unter dem Namen „Kampagne 1400″ statt – in Anlehnung an das laufende Jahr im iranischen Kalender. Er erhielt schnell viele Unterstützungsbekundungen – von den Zuckerrohrarbeiter*innen in Haft Tappeh, den Teheraner Busarbeiter*innen, den Stahlarbeiter*innen in Ahwas, den Fahrer*innengewerkschaften, Lehrer*innen, Rentner*innenorganisationen und anderen.

Die Wahl zeigte die schmale Basis des Regimes

Dieser Streik kam kurz nach dem Sieg des Kandidaten der konservativen Prinzipalisten, Raisi, bei den Präsidentschaftswahlen. Doch trotz dieses Ergebnisses zeigte die Wahl eigentlich die derzeit schwache Basis des iranischen Regimes. Raisi war weit entfernt von einer Mehrheit und erhielt nur knapp 18 Millionen Stimmen von einer 59,3 Millionen starken Wähler*innenschaft. Obwohl Irans „Oberster Führer” Khamenei für eine hohe Wahlbeteiligung plädierte, stimmten offiziell nur 48,8 Prozent ab, ein Rekordtief bei Präsidentschaftswahlen in der Islamischen Republik. Von den fast 29 Millionen, die wählten, gaben etwa 4,16 Millionen leere oder ungültige Stimmzettel ab – etwas, das Khamenei ausdrücklich als im religiösen Sinne verboten angeprangert hatte. Niemand konnte sagen, dass Raisi eine Unterstützung der Bevölkerung erhielt.

Im Wahlkampf musste Raisi seine frühere mörderische Beteiligung an groß angelegten Hinrichtungen verbergen. Der scheidende Präsident Rohani sagte sogar, Raisis Akte enthalte „nichts als Hinrichtungen und Gefängnisstrafen”. Doch Raisi war sich des Ausmaßes der Opposition gegen die Konservativen bewusst und führte einen Wahlkampf als Anti-Korruptions-Kandidat und als jemand, der aus armen Verhältnissen stammt. Gelegentlich kritisierte er auch Rohani dafür, dass er sich nicht stärker für die Rechte der Frauen einsetze, aber alle diese Worte haben seine Anziehungskraft nicht vergrößert.

Seine Worte vor der Wahl bedeuten nicht, dass Raisi und sein Team sich in Zukunft weigern werden, Repression anzuwenden. Sie kontrollieren immer noch den Sicherheitsapparat. Allerdings stehen sie vor dem Dilemma, dass sie zwar Kämpfe unterdrücken wollen, aber auch Angst haben, eine breitere Opposition zu provozieren. Wie ein Verwandter des „Obersten Führers” gegenüber der Financial Times sagte: „Die Menschen sind wütend und verletzt. Man kann nicht einen Funken in ein Fass voller Sprengstoff (bringen).” (30. Juni 2021)

Offensive

Vor dem Hintergrund sich verschärfender wirtschaftlicher und sozialer Krisen und einem Regime mit begrenztem Rückhalt in der Bevölkerung haben die Arbeiter*innen deutlich gespürt, dass dies der Zeitpunkt für eine erneute Offensive ist. Möglicherweise werden sie auch von der Tatsache beeinflusst, dass Raisi formell erst Anfang August sein Amt antritt. Der scheidende Präsident Rohani hatte den Arbeiter*innen versprochen, dass „ihre Probleme gelöst werden” würden. Bislang ist dies jedoch nicht eingetreten.

Seit 2017, als eine wachsende unabhängige Arbeiter*innenbewegung im Iran entstanden ist, hat es immer wieder Konflikte gegeben. Dazu gehörten Kämpfe an den Arbeitsplätzen und 2019 spontane Proteste auf den Straßen im ganzen Land gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise. In den letzten Tagen kam es in der Hauptstadt Teheran und anderswo zu öffentlichen Protesten gegen unangekündigte Stromausfälle. Videoaufnahmen zeigten einige Protestierende, die „Tod dem Diktator” und „Tod Khamenei” riefen.

Vor einem Jahr kam es zu ausgedehnten Streiks. Anfänglich konzentrierten sie sich auf Forderungen nach der Auszahlung von Löhnen und Sozialleistungen. Auf ihrem Höhepunkt im vergangenen August waren Arbeiter*innen in über vierzig Unternehmen in verschiedenen Sektoren an den Kämpfen beteiligt, möglicherweise die größte Streikwelle seit der Konsolidierung der Islamischen Republik nach der revolutionären Bewegung von 1978/9.

Eine von fünfzig Gewerkschaften, Studierendenorganisationen und anderen im Iran unterzeichnete Erklärung zeigt das Ausmaß der Unterstützung für diese Bewegung. Sie listet nicht nur die unmittelbaren Forderungen der Arbeiter*innen auf, sondern plädiert auch für „die Gründung unabhängiger Arbeiter*innenorganisationen als das wichtigste Element für den Fortschritt der Arbeiter*innenklasse”. Sie sagt auch: „Die Verwirklichung dieser monumentalen Aufgabe erfordert immer mehr Unterstützung und die Einheit verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen”.

Jetzt werden ähnliche gemeinsame Appelle zur Unterstützung des von den Öl-, Gas- und Petrochemiearbeiter*innen begonnenen Kampfes veröffentlicht. Einer, der unter anderem von den kämpferischen Haft-Tappeh-Zuckerrohrarbeiter*innen und den Teheraner Busarbeiter*innengewerkschaften unterzeichnet wurde, fügt hinzu: „Um unsere Bemühungen zur Durchsetzung unserer Forderungen fortzusetzen, müssen wir Gewerkschaften und unabhängige Arbeiter*innenorganisationen gründen; eine größere Einheit und Kommunikation zwischen den Beschäftigten in verschiedenen Sektoren fördern; unsere Solidarität mit den Arbeit*innen mit unbefristeten Verträgen zu stärken; die Wachsamkeit bei der Konfrontation mit den Arbeitgeber*innen aufrechtzuerhalten und Fonds einzurichten, um den streikenden Arbeit*innen und ihren gefährdeten Familien zu helfen”.

Nächste Schritte

Die große Wirkung, die dieser jüngste Streik hatte, insbesondere mit seiner Forderung nach einem Mindestlohn von 12 Millionen Tomans (285 US-Dollar), wirft die Frage auf, was die nächsten zu ergreifenden Schritte sind.

Es besteht weiterhin die Gefahr staatlicher und anderer Repressionen. Etwa 100 Streikende sind bisher entlassen worden. Es müssen Schritte unternommen werden, um die bereits entstandenen Arbeiter*innenorganisationen zu stärken und zu erweitern. Während der Streik weitergeht, ist die Schaffung von lokalen, regionalen und nationalen Unterstützungs-/Aktionskomitees von entscheidender Bedeutung. Mit einer echten Verwurzelung in den Betrieben würde eine solche Entwicklung die Diskussion darüber, was zu tun ist, unterstützen und auch weitere Schritte zum Aufbau unabhängiger Arbeiter*innenorganisationen darstellen.

Streiks und Proteste werfen sehr scharf die Frage der Koordination der Kämpfe und der Organisation von Solidaritätsaktivitäten auf. Die Streikführer*innen haben zu Recht betont, wie wichtig es ist, dass die Streikenden an ihren Arbeitsplätzen oder in deren Nähe bleiben. Sie haben an die Streikenden appelliert, gemeinsam in Unterkünften an ihren manchmal abgelegenen Arbeitsplätzen zu bleiben und nicht nach Hause zu gehen.

Wo es möglich ist, könnten gemeinsame Demonstrationen von Streikenden in Städten in verschiedenen Regionen (sozial distanziert wegen dem Coronavirus) sowohl Streikende als auch Unterstützer*innen in einer Demonstration der Stärke zusammenbringen. Dies könnte der Beginn eines landesweiten Aktionsaufrufs zu einer Reihe von Hauptforderungen sein, die einen Mindestlohn von 12 Millionen Tomans und das Recht auf freie Organisierung beinhalten könnten. Ein solches Programm sollte die Grundlage für die Diskussion über den Aufruf zu einer Generalstreiksaktion sein – möglicherweise zunächst für 24 oder 48 Stunden auf regionaler oder nationaler Basis – als eine Demonstration der Stärke zur Unterstützung solcher Forderungen und ein Schritt zur nächsten Stufe des Kampfes.

Internationale Solidarität kann eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Kämpfe im Iran spielen, aber es muss echte Solidarität sein. Aufgrund der Konflikte der westlichen imperialistischen Mächte mit dem iranischen Regime betonen sie oft heuchlerisch die Repression im Iran, während sie ignorieren, was in Saudi-Arabien, Ägypten und bei ihren anderen Verbündeten vor sich geht. Die Solidarität der Arbeiter*innenbewegung mit den Kämpfen der iranischen Arbeiter*innen muss klar von der zynischen Doppelmoral der Imperialist*innen getrennt und ihr entgegengesetzt sein.

Vorbereitungen für die Herausforderung des Regimes

Die Kombination, dass auf das jüngste Wahlergebnis eine weitere Welle von Streikaktionen folgte, hat sowohl die schwache Unterstützungsbasis des Regimes als auch die Bereitschaft der Arbeiter*innen zum Kampf verdeutlicht. Das wirft die Frage auf, was ist die Alternative und wer wird dafür kämpfen?

In den Kämpfen des letzten Jahres gab es Forderungen nach der Kontrolle der Betriebe durch die Arbeiter*innen, während auch allgemeinere Slogans gegen das Regime zu hören waren. Diese Entwicklungen erfordern, dass die Arbeiter*innenklasse ihre eigene unabhängige Partei hat. Eine solche Partei ist notwendig, um die Kämpfe der Arbeiter*innen und der Jugend und aller Unterdrückten zu vereinen, und sie gleichzeitig unabhängig von den kapitalistischen Kräften zu halten.

Jeder Schritt zur Bildung einer solchen Partei, auch wenn sie wegen der Repression zunächst halb im Untergrund agiert, würde unweigerlich eine Debatte darüber beinhalten, wie ihr Programm aussehen sollte. Sozialist*innen müssen weiterhin ihre eigenen Kräfte aufbauen, aber auch argumentieren, dass eine neue Arbeiter*innenpartei politisch von den Kapitalismusanhänger*innen getrennt sein muss, die nur einen Regimewechsel und keinen Systemwechsel wollen. Sie muss in der Lage sein, die Bedürfnisse der Mehrheit zu erfüllen, indem sie für ein sozialistisches Programm eintritt, das die Arbeiter*innenklasse und die Armen zum Bruch mit dem kapitalistischen System mobilisieren kann.

Eine Arbeiter*innenpartei müsste sowohl demokratische Forderungen wie das Recht, sich zu organisieren und freie Wahlen abzuhalten, als auch wirtschaftliche und soziale Forderungen aufgreifen. Die Fragen der Verstaatlichung und der Arbeiter*innenkontrolle über die Wirtschaft, die z. B. die Arbeiter*innen von Haft Tappeh aufgeworfen haben, wären ein wichtiger Teil eines sozialistischen Programms zur Transformation der Gesellschaft. Eine Arbeiter*innenpartei mit einem solchen sozialistischen Programm könnte die Kämpfe aller Arbeiter*innen, sowie die Kämpfe anderer sozialer und ökologischer Bewegungen vereinen. Sie könnte ihnen einen klaren Weg aufzeigen, um mit Unterdrückung und Kapitalismus zu brechen, indem sie eine Regierung einsetzt, die von Vertretern der Arbeiter*innen und des unterdrückten Volkes geführt wird.

Präsidentschaftswahlen im Iran

Die Wahl von Ebrahim Raisi zum Präsidenten, die im Iran offen als „konstruiert” bezeichnet wurde, offenbarte die schwache Unterstützung des Regimes durch die Bevölkerung. Die Mechanismen seines „Sieges” waren die von Herrschern, die Angst vor der Bevölkerung haben.

von Robert Bechert, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI)

Im Iran gibt es eine steigende Flut von Opposition – insbesondere dem Wachstum unabhängiger Arbeiter*innenorganisationen, die Kämpfe und wiederholte Massenproteste anführen. Vor diesem Hintergrund hofften die konservativen „Prinzipalisten”, die hauptsächlich das iranische Regime führen, dass Raisi mit seiner blutigen Biografie (er verantwortete Tausende von Hinrichtungen), ein „starker” Führer sein würde.

Sie fürchteten auch, bei dieser Wahl weitere Spaltungen innerhalb der herrschenden Kaste zu zeigen oder Chancen für ihre sogenannten „reformistischen“ Gegner zu schaffen. Die Konservativen wollten zeigen, dass das Regime fest war und sowohl Kritiker*innen innerhalb der Elite als auch allgemeine Gegner*innen aus dem Weg geräumt hatte.

Dies hing mit einer grundsätzlicheren Befürchtung zusammen, dass eine „offenere” Wahl Raum für Proteste und Forderungen nach wirklich freien Wahlen hätte schaffen können. Insbesondere das Schreckgespenst einer sich wieder entwickelnden Bewegung wie der Grünen Bewegung vom Jahre 2009 versetzte das Regime in Angst und Schrecken, denn der Iran ist jetzt anders.

Die Enttäuschung der einfachen Iraner*innen über die Ergebnisse der beiden „reformistischen” Präsidentschaften von Khatami und nun dem scheidenden Rohani haben noch deutlicher gezeigt, dass es eines Kampfes bedarf, um Veränderung zu erreichen.

Die Proteste im November 2019 haben gezeigt, wie sich Massendemonstrationen schnell über den Iran ausbreiten können, und die wachsende Arbeiter*innenbewegung bedeutete, dass neue Proteste im Zusammenhang mit Wahlen einen anderen Charakter haben könnten als frühere.

Jede Entwicklung signifikanter Arbeiter*innenproteste würde die Frage nach einem Generalstreik aufwerfen – was im Iran eine Geschichte hat. Streiks, einschließlich Generalstreiks, spielten neben Massendemonstrationen eine Schlüsselrolle in der Revolution von 1978/79 gegen das Regime des Schahs.

So sorgten die Konservativen dafür, dass Raisi, der bei den Präsidentschaftswahlen 2017 mit 38,5 Prozent eine schwere Niederlage erlitt, dieses Mal keine ernsthafte Opposition hat.

Der „Wächterrat”, der von Irans unantastbarem „Obersten Führer” ernannt wird, nutzte seine Macht, um die überwältigende Mehrheit der potenziellen Kandidat*innen vom Kandidieren abzuhalten.

Nicht nur praktisch alle Kandidat*innen des „reformistischen” Flügels der Elite wurden von der Kandidatur ausgeschlossen, sondern auch „konservative” Kandidat*innen, die vom mächtigen IRGC (Korps der Iranischen Revolutionsgarde) unterstützt wurden – wie auch Ahmadinedschad, ein früherer Präsident, der jetzt von seinen früheren konservativen Verbündeten als eine tickende Zeitbombe angesehen wird.

Diese Manipulation war so eklatant, dass der „Oberste Führer”, Ajatollah Ali Khamenei, das Bedürfnis verspürte, den Wächterrat aufzufordern, seine Entscheidung rückgängig zu machen und andere Kandidaten zur Wahl zuzulassen, was aber, wie zu erwarten war, abgelehnt wurde.

Aber schon ein kurzer Blick auf die offiziellen Wahlzahlen zeigt, dass das Regime eine schmale Unterstützungsbasis hat.

Schmale Unterstützungsbasis

Raisi wurde mit einem Minderheitenvotum gewählt und erhielt knapp 18 Millionen Stimmen von den 59,3 Millionen Wahlberechtigten. Die Wahlbeteiligung von knapp 29 Millionen war mit 48,8 Prozent die niedrigste, die es je bei Präsidentschaftswahlen in der Geschichte der Islamischen Republik gab.

Im Jahr 2017 stimmten 41 Millionen ab, es gab eine Wahlbeteiligung von 70 Prozent, und der leicht „reformistische” Rohani gewann mit 23 Millionen Stimmen, 57 Prozent. Diesmal haben in der Hauptstadt Teheran nur 26 Prozent gewählt, verglichen mit 72,9 Prozent im Jahr 2013 und 73,3 Prozent im Jahr 2017.

Bezeichnenderweise war bei dieser Wahl die Zahl der leeren oder ungültigen Stimmzettel, 4,16 Millionen – 14 Prozent der Gesamtzahl – höher als alle Stimmen für die drei unterlegenen Kandidaten. Etwa 34.543.106 der 59.310.307 Wahlberechtigten haben entweder nicht gewählt oder ihren Stimmzettel ungültig gemacht, ein Zeichen für Raisis schmale Popularitätsbasis.

Raisi spielte seine blutige Rolle bei den Hinrichtungen Tausender Oppositioneller im Jahr 1988 und bei zahlreichen anderen Fällen von Unterdrückung und Hinrichtungen herunter. Er versuchte, einen populistischen Ansatz zu wählen, den er oft wiederholte: „Ich habe nicht nur Armut gekannt, ich habe Armut erfahren” – während er versprach, gegen Korruption vorzugehen und „eine Regierung des Volkes für einen starken Iran” aufzubauen.

Trotz der anhaltenden Unterdrückung von Aktivist*innen nutzten Teile der Arbeiter*innen den Wahlkampf, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ende Mai hielten Ölarbeiter*innen Proteste ab und einige riefen zum Streik auf. Die Aktionen zur Sicherung nicht gezahlter Löhne wurden fortgesetzt.

In einer Situation der wirtschaftlichen und sozialen Krise, die durch die Covid-Pandemie, die über 83.000 Iraner*innen getötet hat, noch verschärft wurde, werden Raisi und das Regime auf die Probe gestellt werden. Die Tatsache, dass die „Prinzipalisten” nun formell alle Hebel der Macht kontrollieren, bedeutet, dass sie für das, was passiert, verantwortlich gemacht werden.

Auch wenn er versuchen mag, Elemente seiner unbarmherzigen Vergangenheit zu betonen oder sogar zu wiederholen, hat Raisi eine schwache Basis in der Bevölkerung, und wie der iranische Schah in der Revolution von 1978/79 herausfand, kann ein repressiver Staatsapparat nicht unbegrenzt gegen eine entschlossene Massenbewegung vorgehen. Die Peitsche der Konterrevolution kann eine Revolution provozieren.

Es ist möglich, dass Raisi will, dass der scheidende Präsident Rohani die Verhandlungen über den Wiedereintritt der USA in das Atomabkommen von 2015 abschließt und damit eine Aufhebung der von Trump verhängten Sanktionen erreicht.

Die New York Times hat berichtet, dass der Wortlaut eines Deals Wochen vor der Wahl vereinbart worden sei. Offensichtlich hoffen Raisi und die Prinzipalisten, dass die Aufhebung der Sanktionen, die die Financial Times als „möglicherweise die härtesten Sanktionen, die jemals gegen einen souveränen Staat verhängt wurden”, beschreibt, den Druck auf sie verringern und es ihnen ermöglichen wird, der leidgeprüften iranischen Bevölkerung ein paar Zugeständnisse zu machen.

Das würde dem Regime zwar etwas mehr Spielraum geben, vor allem in Verbindung mit einem weiteren Anstieg des Ölexportpreises, aber es würde nicht die grundlegenden Probleme lösen, mit denen die Masse der Iraner*innen konfrontiert ist, oder die Entwicklung von Kämpfen verhindern.

Arbeiter*innenbewegung

Die Entwicklung der Arbeiter*innenbewegung findet zum Teil vor dem Hintergrund einer Kombination aus einer allgemeinen Krise der kapitalistischen Entwicklung, Sanktionen und Covid statt, die zu einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation geführt hat.

Die Inflation ist seit 2017 in die Höhe geschossen und liegt derzeit bei rund 46 Prozent. Parallel dazu hat sich die Massenarbeitslosigkeit fortgesetzt; die Jugendarbeitslosigkeit lag in den acht Jahren von Rohanis Amtszeit im Durchschnitt bei 22 Prozent. Aber obwohl dies Schlüsselfaktoren im Hintergrund der Kämpfe sind, die sich entwickelt haben, sind sie nicht die einzigen. Abgesehen von den ernsten wirtschaftlichen Themen gab es Bewegungen gegen Unterdrückung, für demokratische Rechte und zunehmend auch gegen das, was viele als korrupte Elite ansehen.

In einer gemeinsamen Erklärung zum 1. Mai, die dieses Jahr von Arbeiter*innen, Rentner*innen und anderen Organisationen herausgegeben wurde, heißt es unter anderem, dass „das Fehlen von Arbeiter*innenorganisationen an allen Arbeitsplätzen, in allen Regionen und auf nationaler Ebene heute mehr denn je spürbar ist und sofortige und allumfassende Anstrengungen zum Aufbau solcher unabhängigen Organisationen erfordert”.

In solchen Strukturen könnten sich alle Organisationen, die die Interessen der iranischen Arbeiter*innenklasse vertreten, zusammenschließen, um die Kämpfe gemeinsam zu organisieren, zu diskutieren und zu koordinieren.

Viele sind auf der Suche nach einer Alternative. Die geringe Wahlbeteiligung, wie auch die noch geringere Beteiligung an den Parlamentswahlen im letzten Jahr, zeigt die weit verbreitete Enttäuschung über die „Reformisten”.

Es gibt eine Suche nach einer Alternative. Die westlichen imperialistischen Mächte werden versuchen, zu intervenieren und die Opposition zu beeinflussen. Sie werden Raisi heuchlerisch anprangern, während sie gleichzeitig enge Beziehungen zu der brutalen saudischen Diktatur unterhalten.

Die Londoner Times prangerte Raisi als „den Schlächter von Teheran” an, verwendete aber nie solche Ausdrücke, um den rechtsgerichteten chilenischen Diktator Pinochet zu beschreiben, der wahrscheinlich für mehr Tote verantwortlich war, nachdem er in einem blutigen Putsch die Macht ergriffen hatte. Die Arbeiter*innenbewegung muss sich der „falschen Freunde” bewusst sein und ihr eigenes, unabhängiges Programm entwickeln.

Schon bei einigen der Proteste, die stattgefunden haben, gab es Forderungen nach einer Kontrolle der Betriebe und Arbeitsplätze durch die Arbeiter*innen, während auch allgemeinere Slogans gegen das Regime zu hören waren.

Das macht es dringlicher, eine Diskussion über die Gründung einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei zu beginnen und darüber, was ihr Programm sein sollte. Eine solche Partei ist notwendig, um die Kämpfe der Arbeiter*innen und der Jugend zu vereinen und sie von den kapitalistischen Kräften unabhängig zu halten. Aber um dies erfolgreich zu tun, müsste sie für ein sozialistisches Programm eintreten, das die Arbeiter*innenklasse und die Armen zum Bruch mit dem kapitalistischen System mobilisieren kann.

Der Iran steht vor einer neuen Periode. Raisi hat keine mehrheitliche Unterstützung. Das gibt der Arbeiter*innenbewegung die Möglichkeit, ein breiteres Echo zu bekommen, nicht nur innerhalb der Mehrheit, die die Herrschenden nicht unterstützt, sondern sogar bei einem Teil derjenigen, die für Raisi gestimmt haben.

Um dies zu erreichen, ist jedoch ein sozialistisches Programm notwendig, neben dem Aufbau eines Kerns von Organisationen, die bereit sind zu handeln, wenn sich die Gelegenheit zum Kampf bietet.