Jetzt erst recht! Deutsche Wohnen & Co. enteignen

Der Volksentscheid kommt

Nach Bekanntwerden der Aufhebung des Mietendeckels durch das BVerfG demonstrierten am 15. April 2021 in Berlin spontan, lautstark und wütend mehr als 20.000 Menschen durch Kreuzberg und Neukölln. Dieses skandalöse und profitunterstützende Urteil hat den gescheiterten Mietendeckel nur noch populärer gemacht und der Ruf nach Enteignungen ist lauter denn je. 

von Gundula Hoffmann, aktiv bei der Akelius-Mieter*innenvernetzung Berlin

Angesichts der Fusionspläne der Immobilienriesen Vonovia und Deutsche Wohnen ist das auch nötiger denn je. Sollten diese nämlich Realität werden, wäre der neue Mega-Miethai Vonovia der größte Wohnimmobilienkonzern Europas. Mieter*innen müssten nicht nur die Kosten der Fusion fürchten, die in den Taschen der Aktionär*innen landen werden, sondern auch die Geschäftspraktiken der Vonovia – die als profitgetriebener Börsenkonzern der Deutschen Wohnen in Nichts nachsteht. Zurecht sagt die Berliner Initiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen”: “Raider heißt jetzt Twix, aber ohne Enteignung ändert sich nix!”

Volksbegehren

Seit dem 26. Februar sammelt die Initiative für die zweite Phase ihres Volksbegehrens Unterschriften. Mit dieser Initiative sollen Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen gegen eine Entschädigung vergesellschaftet werden. Sie beruft sich dabei auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Darin ist formuliert, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz in Gemeineigentum überführt werden können. Das beträfe in Berlin ca. 230.000 Wohnungen. Wie die Initiative wollen auch wir, dass eine neue öffentliche Wohnungsgesellschaft demokratisch kontrolliert und verwaltet wird. Doch insbesondere an der Frage der Entschädigung wird die Initiative angegriffen. Gegner argumentieren, dass Berlin 36 Milliarden Euro aufwenden müsste. Die Initiative geht von acht Milliarden Euro aus. Auch wenn uns das nicht von der Unterstützung der Initiative abhält, sind wir der Meinung, dass lediglich Kleinaktionär*innen und alle anderen nur nach erwiesener Bedürftigkeit entschädigt werden sollten. Die Milliarden sollten lieber in bezahlbaren, kommunalen Neubau als in die Taschen der Kapitalisten, die sich schon genug bereichert haben, wandern.

Bis zum 25. Juni mussten Unterschriften von mindestens sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus Wahlberechtigten gesammelt werden – mehr als 170.000. Über 1.700 fest organisierte Aktivist*innen und viele weitere Unterstützer*innen in verschiedenen Kiez-Teams gingen auf die Straße, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen und Unterschriften zu sammeln. Das Ergebnis: fast 350.000 Unterschriften wurden gesammelt. Der Volksentscheid wird am 26. September zeitgleich mit den Bundestags- und Abgeordnetenhauswahlen stattfinden.

Mehrheit der Berliner*innen unterstützt Enteignungen 

Der gescheiterte Mietendeckel hat – anders als von der SPD erhofft – die Enteignungsdebatte nicht beruhigt, sondern geradezu radikalisiert. Gemäß Umfragen im November 2019 (kurz vor dem Beschluss des Mietendeckels) durch BerlinTrend fanden 61 Prozent der Berliner*innen die Enteignung großer privater Immobilienunternehmen schlecht und nur 29 Prozent gut. Nur eineinhalb Jahre später und nach dem Aus des Mietendeckels ist die Stimmung gekippt. Jetzt finden 47 Prozent die Enteignungen gut und 43 Prozent schlecht. Wenn es nur nach den Mietern gehen würde, gäbe es sogar eine absolute Mehrheit für Enteignungen (51 Prozent). Die Zustimmung unter den Jüngeren der befragten Mietern (18 – 39 Jahre) ist besonders hoch. Sie liegt hier bei 57 Prozent. 

Wie geht es weiter?

Kommen zum 25. Juni genügend Unterschriften zusammen, wird ein Volksentscheid möglich, der dann am Tag der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bundestag am 26. September dieses Jahres stattfinden könnte. Wenn bei dieser Abstimmung die Initiative eine Mehrheit bekommt, wird der Senat beauftragt, ein Gesetz zur Enteignung zu schreiben. Die SPD ist gegen den Volksentscheid, von den Grünen gab es ein Lippenbekenntnis. Nur DIE LINKE unterstützt den Volksentscheid vollumfänglich. Sollte dieser erfolgreich sein, muss sie im Abgeordnetenhaus Druck für eine konsequente Enteignung machen ohne sich an faulen Kompromissen zu beteiligen.

Um das zu erreichen, bedarf es aber weiterhin einer großen Mobilisierung. Denn es ist eine massive Gegenkampagne der Immobilienlobby zu erwarten. Soziale Bewegungen und Gewerkschaften sind hier in der Pflicht und müssen ihre Kämpfe miteinander verbinden. Während Aktivist*innen gegen die Räumung von Kiezprojekten kämpfen, kämpfen die Beschäftigten an den Berliner Krankenhäusern und in deren ausgegliederten Bereichen erneut gegen die Auswirkungen des profitorientierten Gesundheitswesens. Andere protestieren gegen die Zerschlagung und weitere Privatisierung der S-Bahn, in mehreren Bezirken gibt es Initiativen zur Rekommunalisierung der Schulreinigung. 

Alle gemeinsam: Öffentlich statt privat

All diese Kämpfe werden von den Gewerkschafter*innen und Aktivist*innen noch unabhängig voneinander geführt und nicht gemeinsam. Deshalb schlagen wir eine gemeinsame Demonstration im Sommer 2021 (zum Beispiel unter dem Motto „Öffentlich statt Privat“) all derjenigen vor, die gegen Profitlogik und Privatisierungen sowie für Rekommunalisierung kämpfen. Alle gemeinsam könnten wir Druck auf Unternehmer*innen und Senat aufbauen, um unsere Forderungen durchzusetzen. Wenn aus so vielen Bereichen des Lebens gezeigt wird, wie der Markt versagt und man sich gemeinsam unterstützt, würde das der Enteignen-Initiative einen enormen Schub verleihen. (Anm. d. Redaktion: Seit dieser Artikel geschrieben wurde, hat sich in Berlin auf Initiative der Sol und anderer hin ein Bündnis gebildet, das am 18. September zu einer Demonstration unter dem Motto “Gemeinsam auf die Straße” aufruft)

Denn nur durch den massenhaften Widerstand und mit einem Programm, welches nicht dabei stehen bleibt, Verschlechterungen abzumildern, das sich mit dem Kapital und seinen Freunden in Chefetagen und Regierungen anlegt und eine sozialistische Gesellschaft als Perspektive aufstellt, können Miethaien die Zähne gezogen und die Macht der Banken und Konzerne gebrochen werden. 

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