Rechtspopulist*innen in der Krise. Gefahr jedoch nicht vorbei.
Fallende Umfragewerte, interne Streitereien, Wahlniederlagen, ein Machtkampf, der nicht enden will und Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Schlimmer als im letzten Jahr war es um die Alternative für Deutschland (AfD) noch nie bestellt. Von Entwarnung kann jedoch keine Rede sein.
von Steve Hollasky, Dresden
„Requiem für die AfD“ nannte die scheidende Bundestagsabgeordnete Frauke Petry ihr Buch über die Partei, an deren Spitze sie einst stand. Der Inhalt ist eine Enthüllung: Der aktuelle Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, soll – so behauptet seine ehemalige Parteifreundin – illegale Spenden angenommen haben.
Neu sind die Vorwürfe nicht: Bereits seit 2019 interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft für die Zahlungen der Schweizer Goal AG. Die Bundestagsverwaltung hatte schon vorher hohe Bußgeldzahlungen gegen die AfD verhängt. Auch Alice Weidel muss sich solchen Vorwürfen stellen.
Laut Petrys Darlegungen soll das Geld für den Auftritt der AfD in sozialen Netzwerken verwendet worden sein. Demnach war Heinrich Conle, ein milliardenschwerer Immobilienunternehmer aus Duisburg, einer der Geber.
Am Tropf der Eliten
Sollte dieser Vorwurf zutreffen, würde das so Einiges erklären: Im Dresdner Stadtrat beispielsweise tritt die AfD ihre Redezeit bei Debatten zu den Themen Wohnen und Miete gern an „Haus & Grund“, einen Lobbyverband der Immobilienfirmen, ab. Den Verkauf aller Dresdner Wohnungen im Jahr 2005 bezeichnet sie in Flugblättern als „gelungene Privatisierung“ – ungeachtet der Tatsache, dass die sächsische Landeshauptstadt in der Folge eine extreme Mietsteigerung erlebt hat.
Auch wenn Gauland, Ehrenvorsitzender und graue Eminenz der AfD, seine Partei vor gut sechs Jahren als „Kraft der kleinen Leute“ bezeichnet hat, vertreten die Rechtspopulist*innen die Interessen der Eliten. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.
Unsoziale Politik
Was die AfD wirklich von „den kleinen Leuten“ hält, hat sie 2020 in Sachsen deutlich gemacht: Dort redete auf einer AfD-Veranstaltung Markus Krall, Vorstandssprecher der Degussa AG, und warb für seinen Vorschlag den Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen das Wahlrecht zu entziehen. Der Vorsitzende des sächsischen AfD-Landesverbandes, Jörg Urban, erklärte daraufhin, er sei „gerne bereit auch weiterzudenken“, wenn es darum geht Haushalte, die Kinder- oder Wohngeld empfangen, ihrer demokratischen Rechte zu berauben.
Der „Flügel“ flattert wieder
Auch Björn Höcke, der gern vom „sozialen Patriotismus“ schwadroniert, hat sich von derlei Äußerungen seiner Parteifreunde nie distanziert. Innerhalb der AfD-internen Auseinandersetzungen steht ihm ausgerechnet Urban nahe.
Höcke stützt sich im Kampf um die Ausrichtung der AfD auf ein dicht geknüpftes Netz mit Namen „der Flügel“. Da diese Strömung dem Verfassungsschutz als Begründung für eine mögliche Beobachtung der Gesamtpartei diente, hatte Höcke, auf Druck von Meuthen, die Auflösung der Struktur bekannt gegeben.
Damit dürfte es nun vorbei sein: Auf einem vor der Partei und der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Treffen im niedersächsischen Verden an der Aller, haben etwa vierzig Mitglieder der AfD die Reaktivierung des Netzwerkes verkündet. Ziel ist es, den marktfundamentalistischen Teil der AfD um Meuthen zu schwächen.
Gefahr bleibt
Nach wie vor kann sich die AfD bei der Verbreitung ihrer rassistischen, unsozialen und pro-kapitalistischen Ideen auf einen großen Apparat aus Abgeordneten und hauptamtlichen Mitarbeiter*innen stützen. Daran ändern auch erste Rückschläge bei Landtagswahlen und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht viel. In den neuen Bundestag wird die AfD wieder einziehen.
In ihrem jüngst erschienenen Buch „Im Bann der AfD“ haben sich die AfD-Aussteiger Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik darüber ausgelassen, wie wenig sich der deutsche Inlandsgeheimdienst beeilt hat, um der AfD Schwierigkeiten zu machen. Der Kampf gegen Rassismus und Rechtspopulismus bleibt die Aufgabe der Arbeiter*innenklasse. Der Staat wird das Problem nicht klären.
Wirkliche Alternative
Will man die AfD bezwingen, muss man glaubwürdig sein, DIE LINKE ist das viel zu wenig. Wo sie in der Regierungsverantwortung ist, kürzt sie mit. Will DIE LINKE eine wirkliche Alternative zum Kapitalismus aufzeigen, muss sie die Formierung des außerparlamentarischen Widerstandes gegen das Abwälzen der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung in Angriff nehmen: Gegen Mietenwahnsinn, Pflegenotstand, Rassismus und Rüstungsprogramme.