Klassenkämpfer King 

Foto: CC0 1.0

Am 5. April 1968 wurde Martin Luther King in Memphis ermordet

In Lehrbüchern und Filmen stilisierten die Herrschenden in den USA King zur politischen Ikone. Ronald Reagan, der zwei Jahre zuvor 11.000 streikende Flugbegleiter*innen entlassen hatte, verkündete 1983 den Martin-Luther-King-Day. Dabei fällt Reagans konservative Präsidentschaft wohl in die Kategorie der „Übel des Kapitalismus“, der „Übel des Militarismus“ und der „Übel des Rassismus“, von denen King oft gesprochen hatte.

von Steve Hollasky, Dresden

Die antirassistischen Kampagnen Kings und der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) waren Massenmobilisierungen: Der Busboykott in Montgomery 1955/56 gegen die Segregation weißer und schwarzer Fahrgäste ebenso wie der Kampf gegen die „Rassentrennung“ in öffentlichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen in Birmingham 1963. 

Gewerkschaftliche Organisierung

King stand regelmäßig mit Arbeiter*innen Streikposten. Bei einem Krankenschwesternstreik in New York erklärte er 1961, es sei etwas falsch, wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung Reichtümer erhalte und dem Großteil der Zugang zu nötigen Dienstleistungen verwehrt werde. 

Im selben Jahr sprach King auf dem Kongress des AFL-CIO, des Dachverbands der US-Gewerkschaften, und unterstrich übereinstimmende Interessen. Es würde um „menschenwürdige Löhne, faire Arbeitsbedingungen, lebenswerte Wohnungen, Alterssicherung, Gesundheits- und Sozialmaßnahmen“ gehen.

Kings Rede wurde von den Delegierten stürmisch begrüßt. Eingeladen wurde er nie wieder. Wohl auch, weil er die AFL-CIO-Führung aufforderte, afro-amerikanische Kolleg*innen nicht weiter zu diskriminieren und gemeinsame Kämpfe zu organisieren.

In seinem Buch „Wohin führt unser Weg“ betonte King 1967, dass Weiße und Schwarze am Arbeitsplatz „fundamentale Interessen“ teilen und in gewerkschaftlichen Kämpfen Vorurteile überwinden würden.

Soziale Frage

Nach dem „Marsch auf Washington“ 1963 radikalisierte sich King. Vor Freund*innen hielt er fest, es sei zwar richtig gewesen, die Segregation in Imbissstuben zu bekämpfen. Doch das nutze denen nicht, die kein Geld hätten. 

Er forderte die Umverteilung von Reichtum und Besitz. Stelle man sich die Frage, erklärte King öffentlich, weshalb es in den USA „vierzig Millionen Arme“ gäbe, müsse man auch fragen: „Wem gehört das Öl? Wem gehört das Eisenerz?“

Kriege stoppen

Ab 1966 bezog King Position gegen den US-Krieg in Vietnam. Man sehe in den Nachrichten schwarze und weiße US-Soldaten, „wie sie in brutaler Solidarität die Hütten eines armen Dorfes niederbrennen“, während sie „in Detroit nie im selben Häuserblock wohnen dürften.“ Für King war das eine „grausame Manipulation der Armen.“

Täglich würden Millionen ausgegeben, um Vietnames*innen zu töten, aber für den Kampf gegen die Armut fehle angeblich das Geld, so King. Kriege würden „fortlaufend Menschen und Kenntnisse und Geld schlucken“. Auf Antikriegsdemonstrationen tadelte er den AFL-CIO für dessen Fernbleiben.

Kapitalismus abschaffen

Schon als Student sah King im Kapitalismus die Ursache von Rassismus, sozialer Ungleichheit und Kriegen. Nun sprach er es immer häufiger aus: Vor dem SCLC und in Reden verlangte er in Abgrenzung vom Ostblock einen „demokratischen Sozialismus“ für die USA. 

Sein Freund, der Sänger Harry Belafonte, erinnert sich an ein Gespräch, in dem King kurz vor seiner Ermordung erklärte: Der Kapitalismus mache einige Menschen unsagbar reich, den Großteil aber arm, deshalb „müssen wir das System ändern.“

Klassenkampf organisieren 

King entwickelte sich weg von identitätspolitischen Ideen, nach denen die verschiedenen unterdrückten Gruppen jeweils einzeln für ihre Interessen kämpfen. Seine neue Vorstellung war die Solidarität aller Unterdrückten. So plante King eine „Poor Peoples Campaign“. Arme sollten in Washington Kliniken für Reiche besetzen und Behandlung erzwingen, öffentliche Plätze und das Capitol blockieren. Sein Ziel war es, nicht mehr jährlich siebzig Milliarden Dollar für den Vietnamkrieg, sondern für soziale Zwecke auszugeben.

Ausgehen sollte die Kampagne vom Streik der afroamerikanischen Stadtreinigung in Memphis, den King unterstützte. Gefragt, um was für einen Kampf es sich handle, erwiderte er, es sei ein „Klassenkampf“.

Wenige Tage später wurde er ermordet. Die Tat richtete sich gegen all jene, die Rassismus, Krieg und Elend abschaffen wollen. 

King vertrat nie ein ausformuliertes sozialistisches Programm, er experimentierte eher mit sozialistischen Ideen, dennoch hatte er schon 1952 eines deutlich erklärt: „Der Kapitalismus hat ausgedient.“ 

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