Afghanistan: Brutale Auswahl statt Rettung

Bei dem Bundeswehreinsatz in Kabul geht es nicht um die Rettung von Flüchtenden

Der Einsatz am Kabuler Flughafen „Harmid Karzai“ sei emotional belastend, erklärte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer als sie die Situation dort beschrieb. Es sei schwer, so die CDU-Politikerin, wenn man Menschen zurückweisen müsse. Deutlicher konnte sie kaum sagen wie wenig es um eine Rettungsaktion geht.

Die Situation ist erschütternd: Menschen werden von den Massen am Flughafen Kabul zerquetscht. Eltern geben ihre Kinder Soldaten in die Hand, in der Hoffnung, dass sie gerettet werden. Doch zugleich wird nur mit angezogener Handbremse ausgeflogen. Schon im ersten Flug aus Afghanistan saßen nur sieben Personen. Auch danach waren gleich mehrere Flugzeuge fast leer.

Jenseits der Versprechungen, Menschenleben schützen zu wollen, geht es am Flughafen Kabul eher um Abwehr von Flüchtenden und den Versuch das Ansehen der Bundeswehr zu schützen.

Wer darf kommen?

Aus Kabul werden nicht einfach Flugzeuge mit Schutz suchenden Menschen ausgeflogen. Wäre das der Fall, könnte man die Maschinen mit Wartenden füllen und dann weit schneller ausfliegen. Wäre es darum gegangen viele Menschen zu retten, hätte man vor dem Abzug der letzten deutschen Soldaten mit dem Ausfliegen gefährdeter Personengruppen begonnen. Stattdessen zögerte die Bundesregierung seit Juni Visaverfahren unnötig hinaus, bis es für eine reguläre Ausreise aus Afghanistan schließlich zu spät war.

Nun wird brutal ausgewählt. Wer Anspruch hat auf eine Evakuierungsliste zu gelangen, ist längst nicht nur für Afghan*innen schwer zu durchschauen. Die Ortskräfte, also jene Afghan*innen, die für das Bundesministerium für Entwicklung gearbeitet haben, gehören anscheinend ebenso wenig zu den Antragsberechtigten wie Helfer*innen der internationalen Hilfsorganisationen. Menschen, die sich für die Rechte von Frauen eingesetzt haben und Journalist*innen haben es sehr schwer ausgeflogen zu werden, obwohl sie ins Feindbild der Taliban passen. Inzwischen ist ein Angehöriger eines Journalisten der Deutschen Welle von Taliban getötet worden. Sie waren auf der Suche nach dem verhassten Reporter, der sich allerdings in Deutschland befindet. Es ist nur dem Druck engagierter Journalist*innen zu verdanken, dass wenigstens einige ihrer afghanischen Kolleg*innen an Bord genommen werden. Der Kabuler Flughafen ist ein Nadelöhr.

Frage der Verantwortung

Der Weg nach Deutschland soll den allermeisten Menschen verschlossen bleiben. Auch deshalb will Deutschland nun die afghanischen Nachbarstaaten finanziell unterstützen. Sie sollen Flüchtende aufnehmen und damit auch das Erbe des von Deutschland mitgeführten Krieges übernehmen.

Dabei ist kaum darauf Verlass, dass diese Staaten den Geflüchteten helfen werden. Erst kürzlich schickte Usbekistan 150 Geflüchtete zurück.

Wenn jetzt die Grünen auf die Bundesregierung schimpfen, mögen sie die Folgen einer erschreckenden Politik herausstellen. Nur haben die Grünen diese Politik mit zu verantworten. Der Einsatz in Afghanistan begann auch unter der rot-grünen Bundesregierung. Abschiebungen, Flüchtlingsabwehr, Rüstungsexporte, die Grünen trugen alles mit.

Bundeswehr und Rüstung

So wenig wie der Krieg der NATO-Staaten in Afghanistan ein Krieg für die Rechte von Frauen oder ethnischer und religiöser Minderheiten war, so ist der Militäreinsatz am Kabuler Flughafen ein Einsatz um Menschen aus den Händen der Taliban zu retten. Dass nun von deutscher Seite überhaupt hektische Versuche unternommen werden, um Ortskräfte der Bundeswehr auszufliegen ist eher dem Umstand des öffentlichen Drucks und der Angst vor einem dauernden Ansehensverlustes der deutschen Herrschenden im In- und Ausland geschuldet. Was, wenn sich die Menschen in Mali die Bilder aus Kabul ansehen? Würden sie in Zukunft noch für die Bundeswehr zu arbeiten?

Die Herrschenden in Deutschland wollen auf Auslandseinsätze der Bundeswehr in Zukunft nicht verzichten. Möglich sind diese nur, mit Unterstützung von ortsansässigen Kräften. Deshalb fliegt man wenigstens ein paar afghanische Ortskräfte aus.

Wenn nun ausgerechnet das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in Kabul eine Münchener Familie abholt und zum Flughafen begleitet, dann geht es dabei wohl vorrangig um die Ehrenrettung für ein durch rechtsextreme Umtriebe in Verruf geratene Einheit.

Der Einsatz in Kabul ist berechnend: Nur wenige Menschen werden zur Rettung ausgewählt, die weit überwiegende Mehrheit wird zurückgelassen werden. Das Ansehen der Bundeswehr soll aufgepeppt und eine Legitimation für weitere Rüstungsprogramme geschaffen werden.

DIE LINKE darf solchen Einsätzen nicht zustimmen!

– Für den sofortigen und unbeschränkten Ausbau der Luftbrücke nach Kabul!

– Für die Schaffung von legalen Fluchtwegen nach Deutschland!

– Für den sofortigen Stopp aller Abschiebungen nach Afghanistan und generell!

– Bleiberecht und volle Rechte für alle hier lebenden Menschen!

– Sofortiger Stopp aller Rüstungsexporte!

– Rückzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland!

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