Der deutsche Staat verwehrt Millionen von in Deutschland lebenden Migrant*innen das Wahlrecht
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, so steht es im Grundgesetz. Doch mit dem „Volk“ sind nicht alle Menschen gemeint, die in Deutschland leben und in den Betrieben, Büros, Krankenhäusern, Schulen etc. die Gesellschaft am Laufen halten. Gemeint ist das „deutsche Volk“, das heißt die Menschen, die einen deutschen Pass besitzen. Damit wird den mehr als zehn Millionen in Deutschland lebenden Migrant*innen ohne deutschen Pass das Wahlrecht verwehrt.
von Aleksandra Setsumei, Aachen
Migrant*in zu sein, heißt, es im Leben schwerer zu haben. Wie viel schwerer, hängt davon ab, woher man kommt. Daraus ergibt sich eine Art Schwierigkeitsstufe. EU-Ausländer*in ist der Easy-Mode: Man darf bleiben, vorausgesetzt man kann sich selbst unterhalten. Der Medium-Mode wird von den legalen Nicht-EU-Migrant*innen gespielt. Sie befinden sich fast stets im Kampf darum, hier bleiben zu dürfen. In der höchsten Schwierigkeitsstufe sind geflüchtete oder geduldete Personen fast vollständig entrechtet – ihnen werden selbst grundlegende Entscheidungen über ihre Arbeit, den Wohnort oder Bildung nicht gestattet.
Eingeschränkte Mitbestimmung
Unabhängig der Unterschiede werden alle Migrant*innen rechtlich aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert. Sie sind alle der Willkür der deutschen Behörden ausgesetzt. Sie müssen sich alle mit einer der schlimmsten Organisationen überhaupt, nämlich dem Ausländeramt, rumschlagen, das für Schikanen und Willkür bekannt ist. Und sie haben alle kein Wahlrecht auf Bundes- und Landesebene.
Dies hat Folgen: Das Fehlen der Möglichkeit, an Wahlen beteiligt zu sein, ist eine starke Einschränkung politischer und demokratischer Mitbestimmung. Obwohl die Sol der Meinung ist, dass gesellschaftliche Veränderungen vor allem in Form von Selbstorganisation, Demonstrationen, Teilnahme an betrieblichen Kämpfen und Streiks erreicht werden kann, wird die Stimmabgabe in den Medien, der Politik und der Breite der Bevölkerung als der zentrale Mitbestimmungsakt angesehen. Der Ausschluss aus der Wahlbeteiligung ist ein Ausschluss von Millionen aus dem politischen Diskurs. Die Folge ist für Viele das Gefühl, keinen Einfluss zu haben, und der daraus resultierende Rückzug aus Beteiligung am politischen Geschehen. Dies äußert sich unter anderem daran, dass bei Kommunalwahlen, an denen in Deutschland lebende EU-Bürger*innen teilnehmen dürfen, die Wahlbeteiligung in migrantisch geprägten Wahlkreisen besonders niedrig ist.
Migration und „deutsche“ Interessen
Warum gibt es die rechtliche Benachteiligung von Nicht-Deutschen? Die Ursache liegt in der Natur des kapitalistischen Staates. Der Staat ist kein netter, neutraler Organisator der Gesellschaft, sondern ein Vertreter der nationalen Kapitalist*innenenklasse – und in ihrem Interesse organisiert er die Einwanderung: Die deutsche Industrie nutzt gerne Migrant*innen als Arbeitskräfte. Vor allem in der Altenpflege, Saisonarbeit und der Arbeit in den schlimmsten Industrien, wie der Fleischindustrie, ist Einwanderung willkommen. Oft arbeiten Migrant*innen dort unter besonders schlechten Bedingungen und erhalten teilweise nicht mal den gesetzlichen Mindestlohn.
Nicht selten wird die Einwanderung eingesetzt, um gezielt Konkurrenz-Arbeitskräfte in das Land zu bringen. So sollen die deutschen Arbeiter*innen unter Druck geraten und selbst schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren. Die Rechnung geht aber nur dann auf, wenn Migrant*innen in ihrer prekären Lage schlechtere Konditionen als in Deutschland üblich akzeptieren. So eine Migration lohnt sich – die Kapitalist*innen haben sicherlich kein Interesse daran, es den Migrant*innen leichter zu machen, Gleichbehandlung einzufordern.
Weg mit rassistischer Spaltung!
Seit Jahrhunderten wenden die Herrschenden Rassismus an, um die Beherrschten zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Rassistische Diskriminierung isoliert Schichten der Arbeiter*innenklasse und hindert sie daran, gemeinsam für bessere Bedingungen zu streiten. DIE LINKE ist angesichts der Bedrohung dieser Spaltung in der Verantwortung, sie zu bekämpfen. Eine sozialistische Antwort ist die Forderung nach Gleichstellung aller in Deutschland lebenden Menschen. So wird entgegengewirkt, dass prekäre Migrant*innen als Lohndrücker*innen oder Streikbrecher*innen gegen deutsche Arbeiter*innen eingesetzt werden können. Deshalb fordert die Sol das Wahlrecht sowie rechtliche und soziale Gleichstellung von allen Menschen, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt haben. Dafür sollte DIE LINKE kämpfen und dabei eine politische Alternative zur herrschenden Politik im Interesse der gesamten Arbeiter*innenklasse – ob deutsch oder nicht – anbieten.
Wir fordern:
- Gleiche Rechte für Alle – gegen jede Form von Diskriminierung auf Grund von Nationalität, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Behinderung oder sexueller Orientierung
- Wahlrecht für alle und auf allen Ebenen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben
- Nein zu Abschiebungen – Bleiberecht für Alle – Schließung von Abschiebegefängnissen
- Nein zu rassistischen Sondergesetzen für MigrantInnen, vollständige Abschaffung der Residenzpflicht
- Gegen staatlichen Rassismus und Diskriminierung aufgrund von Nationalität, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, z.B. durch „racial profiling“, Benachteiligung auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt etc.
- Gemeinsam kämpfen für günstigen Wohnraum für Alle, Mindestlohn von 12 Euro und gegen Sozialkürzungen