„Ernüchternd“

Das Ergebnis der GDL-Tarifrunde wird von den Streikenden unterschiedlich bewertet

Interview mit Uwe Krug, Vorsitzender der GDL-Ortsgruppe S-Bahn Berlin.

Nach mehreren Streikwellen gibt es nun einen Tarifabschluss zwischen GDL und DB. Wie bewertest Du das Ergebnis?

Ernüchternd. Weil wir als Gewerkschaft wieder einmal darum kämpfen und streiken mussten, dass unsere Tarifverträge auch für unsere Mitglieder bei der Deutschen Bahn umfänglich Anwendung finden. Das heißt inzwischen für die GDL Mitglieder auf den Zügen und in den Werkstätten.

Die Forderungen waren schon vor dem Streik auf das Ergebnis des öffentlichen Dienstes heruntergeschraubt worden. Das bedeutet nun einen Reallohnverlust für dieses und die nächsten zwei Jahre an gesichts von1,5 bzw. 1,8 Prozent mehr Lohn bei einer Inflation von vier Prozent.

Wichtig ist aber auch gewesen, die betriebliche Rente beizubehalten und nicht, wie vom DB Management zum Ende 2020 umgesetzt, diese auslaufen zu lassen. Hier konnte eine Weiterführung erreicht werden. Zumindest für die Kolleginnen und Kollegen, die bis zum 31.12.22 bei der DB beschäftigt sind. Für alle die Beschäftigten, die danach zur Bahn kommen, bedeutet es eine Schlechterstellung gegenüber den Altbeschäftigten. Aber das kann wieder in die nächsten Tarifverhandlungen einfließen, wenn der jetzige Tarifvertrag im Oktober 2023 ausläuft.

Die essentielle Frage, wo die GDL-Tarifverträge nun tatsächlich angewandt werden, ist noch nicht geklärt. Hier wurde sich zwischen DB und GDL darauf verständigt, laut Tarifeinheitsgesetz (TEG) die Zählung der Gewerkschaftsmitglieder in den jeweiligen Betrieben der DB durchzuführen. Nur dort wo die GDL (oder die EVG) mehrheitlich vertreten ist, kommt deren Tarifvertrag zur Anwendung. Damit ist ein Wettbewerb unter den Gewerkschaften, um die besseren Tarifverträge, nicht wie von der Bundesregierung mit dem TEG erhofft, beendet worden, sondern dieser wird sich nun auf Basis des Wettbewerbs um die meisten Gewerkschaftsmitglieder mittels der besseren Tarifverträge fortsetzen.

Bedeutet das Ergebnis, dass unterm Strich nicht mehr raus gekommen ist als bei der EVG, die nicht gestreikt hat? Kann man damit zufrieden sein?

Es ist nicht ganz das gleiche Ergebnis! Die Forderung nach einer Corona-Prämie wurde von der EVG in deren Verhandlungen mit der Bahn fallen gelassen, was die GDL nun jedoch erreicht hat. Dieses wird vom DB Management nun ohne jeden Streit(k) der EVG auch angeboten. Ebenso die Fortführung der betrieblichen Rente. Da hatte die EVG nur einen unsicheren Rentenfonds für ihre Mitglieder vereinbart. Die EVG wirbt nun um verlorene Mitglieder mit diesen “Forderungen” und droht mit Streiks, dabei bietet die DB von sich aus an, die GDL Ergebnisse zu übernehmen.

Hat die GDL mit dem Abschluss auch die Opposition gegen das TEG aufgegeben?

Ja. Denn die Vereinbarung über die Anwendung des TEG ist zumindest eine Billigung dieser Einschränkung der Gewerkschaften durch die GDL. Damit bleibt der GDL allein der kooperative Weg mit den politischen Kräften/Parteien, die sich gegen das TEG aussprechen. Die Kraft der streikenden Gewerkschaftsmitglieder gegen eine absurdes Gesetz, welches gewerkschaftliche Rechte einschränkt, bleibt mit der faktischen Billigung des TEG außen vor.

Wie wird das Ergebnis unter Kolleginnen und Kollegen diskutiert?

Unterschiedlich. Die mehrheitlich älteren Kollegen begrüßen den Erhalt der Betriebsrente, die jüngeren sind enttäuscht vom Reallohnverlust. So sieht jeder Kollege für sich ein eher positives oder eher negatives Ergebnis im Kompromiss der GDL mit der DB. Insgesamt ging es vielen Kolleginnen und Kollegen nicht unbedingt nur um die Tarifforderungen selber, sondern um die aktuelle Arbeitssituation im jeweiligen Betrieb. Diese wird nicht mit den Tarifverträgen angegangen, sondern sind, nach Überzeugung der GDL-Führung, Aufgaben der Betriebsräte. Dort hat die GDL jedoch nicht die Stärke, um die aktuellen Situationen in den Betrieben anzugehen. Zumal den Betriebsräten das starke Mittel Streik fehlt, um kollektiv Forderungen der Beschäftigten wirkungsvoll umzusetzen.

Was sind aus deiner Sicht nun die Aufgaben der GDL? Auch im Verhältnis zur anderen Gewerkschaft EVG?

Die GDL wird Mitglieder werben, gff. auch von der EVG abwerben, um gemäß dem TEG die mitgliederstärkste Gewerkschaft in den regionalen Betrieben der DB zu sein, oder aber zu werden. So wird es keine Zusammenarbeit mit der EVG geben, im Gegenteil, der Zwist unter den Gewerkschaftsapparaten, um die Rolle des besseren Sozialpartners im Betrieb, wird zunehmen. Das Ziel der Beschäftigten, als Belegschaft zusammen für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen im Betrieb zu kämpfen, unterliegt immer mehr dem Ziel der Gewerkschaftsapparate, der einzig wahre Sozialpartner zu sein. Daher braucht es vielmehr die Beschäftigten selber, die sich unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit als Kollektiv verstehen und so ihre Forderungen mit verschiedensten Mitteln des Arbeitskampfes im Betrieb umsetzen. Bis dahin, dass sie der Betrieb sind, den sie perspektivisch mit ihrer kollektiven Kraft selbstverantwortlich lenken und führen, und damit auch ihre Bedingungen bei der Arbeit und im Leben selbst bestimmten.